Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn Schüler ihre Lehrer entlassen dürfen
In Großaitingen könnte noch dieses Jahr eine demokratische Schule eröffnen, hoffen deren Befürworter. Das Konzept dahinter bietet einige Überraschungen. Welche Hürden für die Einrichtung zu überwinden sind
Großaitingen Sitzenbleiben wird in dieser Schule unmöglich sein, einen Stundenplan gibt es auch nicht und Lehrer können sogar von den Schülern entlassen werden. Das sind nur einige Aspekte der geplanten demokratischen Schule in Großaitingen.
Vor vier Jahren haben sich in Augsburg Eltern und Pädagogen zusammengefunden, um ihre erzieherischen und schulischen Vorstellungen umsetzen zu können. Ihr Ziel ist es, eine Grund- und Mittelschule zu gründen, die im Schuljahr 2019/20 starten soll. Karl Geller ist 25, Lehramtsstudent für Gymnasium an der Uni Augsburg, und engagiert sich seit drei Jahren für die freie, demokratische und inklusive Schule Luana. Das ist hawaiianisch und bedeutet „glücklich“. Glückliche Kinder, die gerne in die Schule gehen, stehen für Geller im Vordergrund. Das Konzept der demokratischen Schulen ist ungewöhnlich.
„Es ist eine Schule ohne Klassen, Prüfungen und Noten. Außerdem gibt es keinen Frontalunterricht“, sagt Geller. Stattdessen werden Kurse angeboten, die sich an den Interessen der Schüler orientieren. Die Kinder sollen sich in der Schule frei bewegen und voneinander lernen können. So kann es vorkommen, dass ein Siebenjähriger und eine 15-Jährige den selben Kurs besuchen. Das Herzstück einer demokratischen Schule ist die Schulversammlung. Lehrer und Schüler fällen dort gemeinsam Entscheidungen – wofür wird Geld ausgegeben, welche Regeln werden aufgestellt oder gar aufgehoben. Jede Stimme zählt gleich viel, die Mehrheit entscheidet. Das geht so weit, dass die Schulversammlung darüber bestimmt, ob ein Lehrer nach der Probephase übernommen wird oder nicht.
Auch bei Kündigungen wird so verfahren. Es muss lediglich eine gewisse Quote an Lehrern eingehalten werden, die das zweite Staatsexamen besitzt. Ansonsten kann an der Luana jeder unterrichten, der für die Schule eine Bereicherung ist, sagt Michael Lippok, der an der Uni Augsburg wissenschaftlicher Mitarbeiter ist und sich ebenfalls für die demokratische Schule einsetzt.
Ein weiterer Unterschied zu staatlichen Schulen ist das sogenannte Justizkomitee, welches aus gewählten Schülern und Lehrern besteht: Es schlichtet Streitigkeiten, spricht aber auch Strafen aus. Lehramtsstudent Geller erzählt von ei- nem Fall, bei dem ein Mädchen zur Strafe einer anderen Schülerin deren Lieblingskuchen backen musste. Geller war zwei Monate lang Praktikant an einer demokratischen Schule in Hamburg, deutschlandweit gibt es rund ein Dutzend solcher Einrichtungen. Der 25-Jährige erinnert sich gerne an die Zeit in Hamburg, auch wenn alles auf den ersten Blick relativ chaotisch und laut gewesen sei. Er berichtet von einem 13-jährigen Jungen, der das SCHULWLAN gehackt habe. Das sei zwar nicht wünschenswert, zeige aber die Begabung der Schüler.
Um die Genehmigung für den Schulbetrieb der Luana zu erhalten, müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, sagt Karl-heinz Meyer, der Pressesprecher der Regierung von Schwaben. Dazu zählen „der Nachweis geeigneter und ausreichender Räume, der Beschäftigung qualifizierter Lehrkräfte, für die Klassenbildung ausreichender Schüler(vor)anmeldungen sowie eines schlüssigen pädagogischen Konzepts“. Das größte Problem sei die Grundstücksfrage gewesen, sagt Geller. Gebäude in Augsburg, Neusäß und Friedberg scheiterten an den Kosten oder der langen Vorlaufzeit von der Genehmigung bis zum Schulstart. Nun sei die Situation eine andere: „Wir haben die Zusage für ein Grundstück in Großaitingen und es gab schon Gespräche mit der Gemeinde wegen baurechtlicher Details“, sagt der 34-jährige Lippok. Für den Anfang sei eine Containerbauweise angedacht.
Großaitingens Bürgermeister Erwin Goßner drückt auf die Euphoriebremse. Es gebe gewichtige Details – das fange bei dem relativ kleinen Grundstück an (Wo soll der Sportunterricht stattfinden?) und höre bei der Frage nach den Parkplätzen auf. Das gemeindliche freie Nachbargrundstück stehe hierfür nicht zur Verfügung, sagt Goßner. „Wenn jemand solch eine Schule errichten will, stehe ich dem baurechtlich nicht entgegen. Aber an der jetzigen Stelle habe ich große Bedenken“, sagt der Bürgermeister.
Davon lassen sich Geller und Lippok nicht unterkriegen. Die Finanzierung sowie das pädagogische Konzept stehen. In der Schule, die mit 50 Schülern starten und später auf rund 100 anwachsen soll, werden die Schüler in speziellen Kursen auf die Abschlussprüfungen vorbereitet, die sie an einer externen Schule ablegen können. Ein Schulgeld in Höhe von monatlich 200 bis 250 Euro sei vorgesehen. In den vergangenen Monaten habe es rund 100 Schüleranmeldungen gegeben. Ob diese tatsächlich auch in Großaitingen unterrichtet werden, bleibt abzuwarten. Die für eine Genehmigung der Schule ab dem Schuljahr 2019/2020 erforderlichen Unterlagen müssen bis spätestens 31. März vorliegen. „Falls der Antrag abgelehnt wird, überlegen wir uns rechtliche Schritte“, sagt Lippok. Dass dies nicht unwahrscheinlich ist, zeigt ein Fall in Ludenhausen im Landkreis Landsberg. Dort wurde der Sudbury-schule, einer Schule mit einem ähnlichen Konzept, 2016 die Genehmigung entzogen. Zuvor hatte die Regierung von Oberbayern die Sudbury-einrichtung auf zwei Schuljahre befristet zugelassen. In dieser Phase sollte die Schule nachweisen, dass sie die Lehrziele und Lerninhalte einer öffentlichen Grund- und Mittelschule einhält. Dieses Ziel sei laut Regierung von Oberbayern nicht erreicht worden. Die Schule klagte gegen die Entscheidung vergeblich. » Der nächste Informationsabend zur Schule Luana findet am Donnerstag, 31. Januar, um 19.30 Uhr im Restaurant des Hotels Krone in Königsbrunn statt.