Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Urne einmal anders
Mit der Stangenware rund um den Tod kann Maria Verburg nichts anfangen. Die Papierhandwerkerin aus Augsburg stellt Unikate her – für individuelle Trauerfeiern
An der Standardausstattung und den Standardformen für Beerdigungen lässt Maria Verburg kein gutes Wort. Das, was normal in Bestattungsinstituten angeboten werde, ob nun Urne oder Sarg, das findet Verburg „grauenhaft, falsch, verstaubt“. „Es wird dem Anlass nicht gerecht“, sagt sie mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. Ihrer Ansicht nach gehen viel zu viele Menschen viel zu unvorbereitet auf den Tod zu, immer mit der Konsequenz, in diesen Tagen nach dem Tod eines Angehörigen durch die vielen zu organisierenden Aufgaben zu schnell zu allem „Ja“zu sagen. Am Ende steht dann ein Eichensarg rustikal mit Messingbeschlägen.
Ein Schlüsselerlebnis in Sachen Bestattungskultur war für sie ein roter Sarg, in dem der Münchner Gold- und Silberschmied Hermann Jünger 2005 in München bestattet worden ist. Von dessen Tochter war dieser Sarg gestaltet worden. Und Verburg sah, wie passend dieser individuell gestaltete Sarg war, wie er der Trauerfeier eine andere, persönlichere Note geben konnte. Da fing Verburg kurze Zeit danach an, selbst Papierurnen herzustellen.
Drei Modelle – alles Unikate – hat sie gerade für eine Ausstellung in Nürnberg in ihrem Haus in Augsburg bereitgestellt. Seit 35 Jahren und länger, aufs Jahr genau kann das Verburg nicht sagen, arbeitet sie mit Papier. Papierkünstlerin wird sie immer wieder genannt. Aber mit dem Begriff ist sie unglücklich. „Eine Künstlerin, das ist etwas anderes.“Und Designerin sei sie auch nicht. Designer liefern ja nur die Form, die andere produzieren. Im Grunde sei sie eine Buchbinderin, die alles selbst mache. Aber sie dürfe sich nicht so nennen, weil das ein geschützter Beruf sei. Und sie habe ihr Handwerk nicht mit einer Lehre gelernt, sondern ohne Ab- schluss bei einer Restauratorin. Papierhandwerkerin, so könne man sie nennen, schlägt Verburg vor. „Wenn man unter Handwerk versteht, dass alles aus einer Hand gemacht wird.“
Vor allem mit ihren Handtaschen aus Papier hat es Verburg als Kunsthandwerkerin zu Bekanntheit gebracht. Ein richtiges Anliegen sind ihr aber auch ihre Papierurnen. Schon als Kind in Hamburg fand Verburg die Formen rund um eine Beerdigung seltsam, wenn nicht lächerlich. Etwa die Kleidung der Sargträger, bei Ehrenbestattungen mit Pappschwertern an der Seite. „Wir haben uns kaputtgelacht“, sagt sie. Heute sei das Missverhältnis der althergebrachten Formen und der Gesellschaft im Wandel noch viel stärker. „Viele können zum Beispiel mit den religiösen Ritualen nichts mehr anfangen.“In ihrem anderen Beruf als Logopädin habe sie in der Arbeit mit Schlaganfallpatienten festgestellt, dass sehr viele Menschen auf einen potenziell tödlichen Schicksalsschlag nicht vorbereitet sind, dass sie keine Vorkehrungen getroffen haben.
Mit ihren Papierurnen will Verburg Menschen die Möglichkeit für eine individuelle Bestattung geben – in einem angemessenen und würdigen Behälter. „Ich biete auch an, Seiten der Lieblingsbibel oder Liebesbriefe oder Goethe-zitate zu verarbeiten.“Abgesehen davon, dass sie dort für sich als Papierhandwerkerin zum Beispiel beim Wappen eines Fußballvereins eine Grenze ziehen würde, wird dieses individuelle Gestalten so gut wie nicht nachgefragt. „Die meisten tun sich schwer, einer Bestattung einen eigenen Rahmen zu geben“, sagt Verburg.
Rein technisch ist ihre Papierurne ein Überbehälter, in dem die Kapsel mit der Asche Platz findet. Es ist später auch vorstellbar, dass der Angehörige nur die Kapsel bestatten lässt und die Papierurne mit nach Hause nimmt und dort Dinge des Verstorbenen aufbewahrt – um sich einen eigenen Ort für die Trauer zu schaffen und ein Andenken an den Verstorbenen zu bewahren.
Für ihre Unikate verwendet Verburg unterschiedliche Papiere. Einmal handgeschöpftes Papier aus dem 17. Jahrhundert aus ihrer Sammlung, die sie langsam auflöst. Die Papiere – einzeln in Rechtecke zugeschnitten – sind leicht schräg auf einem spitz zulaufenden Pyramidenstumpf aus Pappe angebracht. Die andere Urne ist ein länglicher Würfel mit gebrochenen Kanten – „ich habe versucht, dort mit Blumen zu arbeiten“.
Allein schon durch diese Urnen und ihrer Arbeit daran erinnert sich Verburg immer auch selbst daran, sterben zu müssen. Zu Hause spricht sie mit ihrem Mann darüber, allerdings kann sie noch nicht sagen, ob es eine Feuer- oder eine Erdbestattung werden soll. „Das Verbrennen hat etwas Brutales“, sagt sie. Da hat sie sich noch nicht entschieden.
Wer eine Papierurne von Marie Verburg erwerben möchte, muss bislang selbst mit ihr Kontakt aufnehmen. Bestattungsunternehmen hat sie noch nicht direkt auf diese Möglichkeit hingewiesen. In München arbeitet sie mit der Goldschmiedin Lydia Gastroph zusammen, die unter dem Label „weiss … über den tod hinaus“eine andere Form der Bestattungskultur etablieren will.