Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Küken sind geschlüpft
Tiere Dem Traum von Hühnern im Garten ist Evi ein Stück näher gekommen. Ein Sommer-abenteuer (Teil 2)
Evi träumt von Hühnern im eigenen Garten. Vergangene Woche habe ich beschrieben, wie sie zwölf Eier in eine neue Brutmaschine gelegt hat. 21 Tage lang war Evi aufgeregt wie früher ihre Tochter Mia, bevor das Christkind kam. Nachschauen, enttäuscht weggehen, sich ablenken, wieder nachschauen – so ging es im Stundentakt. Der Brutapparat mit den zwölf Eiern hatte eine magnetische Wirkung. Ab Tag 18 bewachte sie ihn beinahe rund um die Uhr. Wer will schon das erste Piepsen verpassen? Jetzt ist die Geduldsprobe überstanden, die Küken sind da.
Eine herausfordernde Grundregel bei der Hühnerzucht lautet, dass der Deckel des Brutapparats in den letzten drei Tagen auf keinen geöffnet werden darf. Hintergrund: Mit dem Eindringen von frischer Luft sinkt die Luftfeuchtigkeit im Gerät. Dadurch trocknet die Eierschale leicht an und Küken, die sich gerade den Weg in die Welt freipicken, können unter Umständen stecken bleiben. Bei den wenigen Rassen, die noch auf natürlichem Weg brüten, sorgt die Hen- ne für das perfekte Schlupfklima, indem sie Körper und Flügel fest auf den Boden drückt. Jedenfalls: Nachdem ich die leidende Evi gesehen habe, lautet meine Empfehlung für Nachahmer: Nehmen Sie unbedingt ein Modell mit durchsichtigem Deckel!
Binnen 24 Stunden waren die Küken da. Diese Schlupfsynchrofall nisation klappt, weil man befruchtete Eier bis zu einer Woche lang bei 12 Grad Celsius lagern kann. Mit dem Start des Ausbrütens bei 38 Grad im Apparat beginnt in allen Eiern gleichzeitig die Entwicklung des Bibberle. So schlüpfen am Ende alle am selben Tag.
Küken haben einen spitzen Eizahn, mit dem sie am 20. Tag ein Loch in die Schale bohren. Dann picken sie einmal rundherum und perforieren die Schale. Das ist anstrengend und zeitaufwendig. Beatrice Grafl von der Universitätsklinik für Geflügel an der Veterinärmedizinischen Uni Wien weiß: „Der Schlupfvorgang kann bis zu 24 Stunden und mehr dauern. Generell wird davon abgeraten den Küken zu helfen. Das Tier kann aufgrund traumatischer Dottersackverletzungen zugrunde gehen oder bakterielle Infektionen bekommen.“
Seit Freitag sitzen Evis kleine Hühner im Kükenstall in der Wohnung. Sie bekommen „Kükenstarter“und Mehlwürmer zum Fressen, haben Versteckmöglichkeiten, ein Sandbad und etwas Grünzeug. Und eine Wärmelampe für notwendige 32 Grad Umgebungstemperatur. Evi hat beobachtet: Das Erstgeschlüpfte fängt schon mit der Hackordnung an. Es ist mutiger als die anderen, drängt sich beim Fressen vor und gibt mit aufgeregtem Getschilpe sogenannte „Entdeckungspiepser“von sich. Ob das im Herbst die Leithenne sein wird? Ihre Chancen stehen gut.
Und während sich Evi von ihrem Beobachtungsposten kaum losreißen kann, trauert ihr Mann Andi um seine Rolle als Hahn im Korb.