Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Werden Kiefer Zuständigkeiten entzogen?
Rathaus Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) ist nicht zum ersten Mal über den Spd-sozialreferenten verärgert. Als Folge des Finanzdebakels im Jugendamt könnten die Kitas künftig dem Bildungsreferat zugeordnet werden
Der wegen des Finanzdebakels im städtischen Jugendamt politisch unter Beschuss geratene Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) hat reagiert: Der Familienvater wird seinen Osterurlaub vorzeitig beenden. Er will bereits am Donnerstag wieder in seinem Referat tätig sein. Ursprünglich wäre sein Dienstbeginn erst nach dem Osterwochenende gewesen.
Der Schritt von Kiefer darf als Reaktion auf ein Interview mit Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) in unserer Zeitung verstanden werden. Gribl hatte Kiefer insofern unter Druck gesetzt, in dem er von seinem Referenten einforderte, sich intensiv um die Aufarbeitung des schweren Verwaltungsfehlers im Jugendamt zu kümmern. Die Stadt läuft Gefahr, einen fest eingeplanten Zuschuss von 28 Millionen Euro zurückzahlen zu müssen. Der Beitrag ist für nichtstädtische Kitas bestimmt. Sie dürfen das Geld behalten, die Stadt könnte zur Kasse gebeten werden. Das Amt hatte eine wichtige Frist nicht beachtet.
Dieser Fehler ist im Jugendamt passiert, das dem Sozialreferenten zugeordnet ist. Auch wenn es von Gribl in dieser Form nicht bestätigt wird, ist zu hören, dass er sich verwundert gezeigt habe, weil Kiefer sich wie geplant in den Osterurlaub verabschiedet hat. Andere sagen, „der OB ist stinksauer gewesen“. Sozialreferent Kiefer will dies nicht so stehen lassen: Sein Urlaub sei lange geplant und mit OB Gribl vergangenen Freitag auch nochmals besprochen worden, sagte er gestern auf Az-anfrage. Auch ein Smswechsel zwischen ihm und dem OB am Dienstag sei „für unsere Verhältnisse gut verlaufen“, so Kiefer.
Um den finanziellen Schaden von der Stadt möglichst klein zu halten, ist Gribl federführend in die Verhandlungen mit der Regierung von Schwaben und den Ministerien eingebunden. Kiefer soll, so klingt es durch, den eigenen Laden im Jugendamt besser in den Griff bekommen. Dessen Amtsleiterin Sabine Nölke-schaufler hat momentan keinen leichten Stand.
Die Aufarbeitung des Finanzdebakels macht gegenwärtig deutlich, dass die Chemie zwischen Gribl und Kiefer nicht stimmt. Die beiden waren im Ob-wahlkampf im Jahr 2014 gegeneinander angetreten. Gribl setzte sich im ersten Wahlgang ohne Stichwahl durch. Wahlverlierer Kiefer, der zuvor Chef der Spdstadtratsfraktion war, wurde Sozialreferent. Er ist zugleich Dritter Bürgermeister. Es ist ein Zweckbündnis, sagen Personen, die mit Gribl und Kiefer zu tun haben. Gegenseitiges Vertrauen gebe es demnach Dass Gribl Chef im Rathaus ist, dies lasse er den Referenten schon mal spüren, heißt es.
Kiefer bietet dazu allerdings auch Angriffsfläche. Im Herbst 2017 gab es einen Krach, der an beiden Politikern direkt festzumachen ist: Die SPD hielt zunächst ihrem Koalitionspartner CSU vor, den dringend notwendigen Ausbau von Kitas in Augsburg auszubremsen. Gribl warf in seiner Reaktion dem zuständigen Referenten Kiefer daraufhin sinngemäß vor, beim Kita-ausbau zu versagen. Die Gemüter beruhigten sich danach wieder. Vergessen sind die Vorgänge und Debatten aber nicht.
Jetzt ist wieder der Bereich Kindertagesstätten betroffen. Noch ist es zu früh, so sagt ein Insider, über personelle Konsequenzen infolge des Finanzdebakels zu reden. Im Vordergrund stehen Aufklärung und das Ziel, den Schaden möglichst gering zu halten. Allerdings wird bereits spekuliert, ob Referent Kiefer womöglich selbst von Konsequenzen betroffen ist. Denkbar wäre, dass Gribl dem Referenten die Verantwortung für den Kita-bereich entzieht und ins Bildungsreferat verlagert. Die Möglichkeit dazu hätte Gribl. Im Interview mit unserer Zeitung hatte der Oberbürgernicht. meister gesagt: „Ich gehe davon aus und erwarte, dass Angaben und Empfehlungen zu Konsequenzen von Herrn Dr. Stefan Kiefer gemacht werden. Er ist verantwortlicher Leiter des Sozialreferats – und dem dort zugeordneten Amt für Kinder, Jugend und Familie ist der fatale Fehler passiert.“
Kiefer kann diese Forderung nachvollziehen: „Dass von mir erwartet wird, dass wir im zuständigen Referat Konsequenzen ziehen und Lösungsvorschläge unterbreiten, weiß ich und betrachte das auch als eine Selbstverständlichkeit“, sagt er.
Das reich verzierte Gignoux-palais im Augsburger Lechviertel ist über 250 Jahre alt. Das Bauwerk aus dem Rokoko zählt zu den hochrangigen Augsburger Denkmälern. Jahrelang war es unter wechselnden Besitzern immer mehr verfallen. Jetzt hat der neue Eigentümer, ein Münchner Privatmann, mit der Sanierung begonnen. Doch die Art und Weise, wie das Gebäude modernisiert werden soll, sorgt für Protest. Zehn renommierte Experten haben sich in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Kurt Gribl gewandt. Sie kritisieren einen „unangemessenen Umgang“mit dem Baudenkmal und appellieren an die Stadtspitze, weit reichende Zugeständnisse an den Investor zu überprüfen.
Anlass der massiven Kritik ist eine Entscheidung im Bauausschuss des Stadtrates. Er hatte sich Mitte Dezember mit einer Gegenstimme (Volker Schafitel, Freie Wähler) über Bedenken der bayerischen Denkmalschutzbehörde hinweggesetzt und dem Münchner Investor umfangreiche bauliche Änderungen von Innenräumen im Gebäude am Vorderen Lech genehmigt. Diese Genehmigung hatte die Firma FE Immo Projekt Gmbh als Bauherr beantragt.
Konkret geht es um den Abbruch von Innenwänden im Südteil des Hauptflügels des Gignoux-hauses. Hier sollen mehrere Wände entfernt werden, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Ziel ist es, jeweils einen großen Raum im ersten und im zweiten Obergeschoss zu gewinnen. Die Denkmalschutzbehörde hatte den Erhalt der historischen Wände gefordert. Baureferent Gerd Merkle (CSU) machte damals in der Sitzung geltend, dass das bröckelnde Gebäude dringend saniert werden müsse und weitere Verzögerungen ein Problem seien. Auch der Augsburger Stadtheimatpfleger, Architekt Hubert Schulz, hatte sich in der Sitzung nicht auf die Seite des Denkmalschutzes geschlagen. Er wies darauf hin, dass die ursprüngliche Form der Räume wieder hergestellt werde.
Der Beschluss im Bauausschuss hatte schon im Dezember für Kritik unter Denkmalschützern gesorgt. Nun melden sich zehn Wissenschaftler und Experten gemeinsam zu Wort – in einem offenen Brief an die Stadtspitze. Das Schreiben des Augsburger Kunsthistorikers Gregor Nagler ist unter anderem von dem deutschen Architekturhistoriker Winfried Nerdinger, von Barbara Wolf vom Architekturmuseum Schwaben und mehreren Wissenschaftlern der Universität Augsburg unterzeichnet. Sie haben sich genauer mit der Bausubstanz des Gignoux-hauses beschäftigt und kommen zu einem ganz anderen Ergebnis als der Bauausschuss.
Das heutige Gebäude entstand 1764/65 und wurde damals als Kattunfabrik mit Wohn- und Geschäftsräumen errichtet. Im 19. Jahrhundert wurde es mindestens zweimal stark umgebaut. Dadurch sei das Innere stark verändert worden, sagen die Wissenschaftler. Ziel sei damals gewesen, die ursprüngliche Raumfolge in mehrere Wohnungen zu unterteilen. Auch in die Manufaktursäle seien Wände eingezogen worden, ebenfalls in jene Erkerzimmer, über die der Bauausschuss abstimmte. Nach den Recherchen wurden dabei auch frühere Bauelemente wiederverwendet, darunter eine klassizistische Flügeltüre mit Gips-reliefs, bemalte Türflügel und weitere wertvolle Malereien. „Diese Fragmente des 18. Jahrhunderts im Gignoux-haus gehören auf jeden Fall zu den hochwertigsten ihrer Art in Augsburg“, schreibt Kunsthistoriker Nagler. Sie hätten bei den späteren Umbauten eine historisch bedeutsame „Wiederverwendung“gefunden.
Die Unterzeichner des Briefs kommen zu dem Ergebnis, dass das Gignoux-haus mit seiner Baugeschichte im 18. und 19. Jahrhundert insgesamt zu einer neuen Einheit geformt wurde. Gerade das sei ein ganz besonderer Wert des Baudenkmals. Aus ihrer Sicht ist es nicht mehr möglich, den Originalzustand des gesamten Gebäudes heute wieder herzustellen. Eine punktuelle Wiederherstellung einzelner Räume erscheine aus denkmalpflegerischer Sicht deshalb ebenfalls nicht sinnvoll. Sie bedeute vielmehr eine Zerstörung des besonderen baulichen Charakters.
Die Experten appellieren an OB Gribl, die Sanierung noch einmal zu diskutieren. „Die Entscheidung des Bauausschusses scheint uns einem für Augsburg so hochrangigen Baudenkmal nicht angemessen. Wir bitten daher, den Vorgang nochmals zu prüfen.“Wenn das Gignoux-haus in seiner historischen Aussagekraft und Denkmalbedeutung bewahrt werden solle, müsse die überlieferte Substanz so weit wie möglich erhalten bleiben.
Kritik hatte Nagler schon früher an der Rolle von Heimatpfleger Schulz bei der Entscheidung zum Gignoux-haus geübt. Eine seiner Aufgaben sei es, als „Anwalt“für Denkmäler aufzutreten. Stattdessen sei er der Denkmalpflege in den Rücken gefallen und habe sich auf die Seite von Baureferent Merkle geschlagen. Schulz sagte auf Anfrage unserer Zeitung, er habe im Bauausschuss keine Empfehlung abgegeben. Das Thema sei „politisch entschieden“worden, was er für problematisch halte. Im Vorfeld sei mit allen Beteiligten über die Sanierung des Gignoux-hauses gesprochen worden. „Wenn die Gespräche aber nicht zu einem Ergebnis führen, steht man vor einer Wand und kommt nicht weiter“, sagt Schulz. Er sei der Meinung, dass denkmalpflegerische Fragen zwischen den Bauherren und dem Denkmalschutz geklärt und nicht „von außen entschieden“werden sollten.
Eine Sprecherin der Stadt sagte am Dienstag, man könne derzeit noch keine Einschätzung zu dem offenen Brief an den OB treffen. Wenn Baureferent Merkle aus dem Osterurlaub zurück sei, sollen dazu Gespräche geführt werden. Dann werde es eine Entscheidung über das weitere Vorgehen der Stadt geben. Beim Gignoux-haus sind nach Angaben der Stadt bislang nur vorbereitende Arbeiten erfolgt. Die eigentliche Sanierung des Baudenkmals habe noch nicht begonnen. Der Investor wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu der Kritik an seinen Plänen äußern.