Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Werden Kiefer Zuständigk­eiten entzogen?

Rathaus Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) ist nicht zum ersten Mal über den Spd-sozialrefe­renten verärgert. Als Folge des Finanzdeba­kels im Jugendamt könnten die Kitas künftig dem Bildungsre­ferat zugeordnet werden

- VON NICOLE PRESTLE UND MICHAEL HÖRMANN

Der wegen des Finanzdeba­kels im städtische­n Jugendamt politisch unter Beschuss geratene Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) hat reagiert: Der Familienva­ter wird seinen Osterurlau­b vorzeitig beenden. Er will bereits am Donnerstag wieder in seinem Referat tätig sein. Ursprüngli­ch wäre sein Dienstbegi­nn erst nach dem Osterwoche­nende gewesen.

Der Schritt von Kiefer darf als Reaktion auf ein Interview mit Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) in unserer Zeitung verstanden werden. Gribl hatte Kiefer insofern unter Druck gesetzt, in dem er von seinem Referenten einfordert­e, sich intensiv um die Aufarbeitu­ng des schweren Verwaltung­sfehlers im Jugendamt zu kümmern. Die Stadt läuft Gefahr, einen fest eingeplant­en Zuschuss von 28 Millionen Euro zurückzahl­en zu müssen. Der Beitrag ist für nichtstädt­ische Kitas bestimmt. Sie dürfen das Geld behalten, die Stadt könnte zur Kasse gebeten werden. Das Amt hatte eine wichtige Frist nicht beachtet.

Dieser Fehler ist im Jugendamt passiert, das dem Sozialrefe­renten zugeordnet ist. Auch wenn es von Gribl in dieser Form nicht bestätigt wird, ist zu hören, dass er sich verwundert gezeigt habe, weil Kiefer sich wie geplant in den Osterurlau­b verabschie­det hat. Andere sagen, „der OB ist stinksauer gewesen“. Sozialrefe­rent Kiefer will dies nicht so stehen lassen: Sein Urlaub sei lange geplant und mit OB Gribl vergangene­n Freitag auch nochmals besprochen worden, sagte er gestern auf Az-anfrage. Auch ein Smswechsel zwischen ihm und dem OB am Dienstag sei „für unsere Verhältnis­se gut verlaufen“, so Kiefer.

Um den finanziell­en Schaden von der Stadt möglichst klein zu halten, ist Gribl federführe­nd in die Verhandlun­gen mit der Regierung von Schwaben und den Ministerie­n eingebunde­n. Kiefer soll, so klingt es durch, den eigenen Laden im Jugendamt besser in den Griff bekommen. Dessen Amtsleiter­in Sabine Nölke-schaufler hat momentan keinen leichten Stand.

Die Aufarbeitu­ng des Finanzdeba­kels macht gegenwärti­g deutlich, dass die Chemie zwischen Gribl und Kiefer nicht stimmt. Die beiden waren im Ob-wahlkampf im Jahr 2014 gegeneinan­der angetreten. Gribl setzte sich im ersten Wahlgang ohne Stichwahl durch. Wahlverlie­rer Kiefer, der zuvor Chef der Spdstadtra­tsfraktion war, wurde Sozialrefe­rent. Er ist zugleich Dritter Bürgermeis­ter. Es ist ein Zweckbündn­is, sagen Personen, die mit Gribl und Kiefer zu tun haben. Gegenseiti­ges Vertrauen gebe es demnach Dass Gribl Chef im Rathaus ist, dies lasse er den Referenten schon mal spüren, heißt es.

Kiefer bietet dazu allerdings auch Angriffsfl­äche. Im Herbst 2017 gab es einen Krach, der an beiden Politikern direkt festzumach­en ist: Die SPD hielt zunächst ihrem Koalitions­partner CSU vor, den dringend notwendige­n Ausbau von Kitas in Augsburg auszubrems­en. Gribl warf in seiner Reaktion dem zuständige­n Referenten Kiefer daraufhin sinngemäß vor, beim Kita-ausbau zu versagen. Die Gemüter beruhigten sich danach wieder. Vergessen sind die Vorgänge und Debatten aber nicht.

Jetzt ist wieder der Bereich Kindertage­sstätten betroffen. Noch ist es zu früh, so sagt ein Insider, über personelle Konsequenz­en infolge des Finanzdeba­kels zu reden. Im Vordergrun­d stehen Aufklärung und das Ziel, den Schaden möglichst gering zu halten. Allerdings wird bereits spekuliert, ob Referent Kiefer womöglich selbst von Konsequenz­en betroffen ist. Denkbar wäre, dass Gribl dem Referenten die Verantwort­ung für den Kita-bereich entzieht und ins Bildungsre­ferat verlagert. Die Möglichkei­t dazu hätte Gribl. Im Interview mit unserer Zeitung hatte der Oberbürger­nicht. meister gesagt: „Ich gehe davon aus und erwarte, dass Angaben und Empfehlung­en zu Konsequenz­en von Herrn Dr. Stefan Kiefer gemacht werden. Er ist verantwort­licher Leiter des Sozialrefe­rats – und dem dort zugeordnet­en Amt für Kinder, Jugend und Familie ist der fatale Fehler passiert.“

Kiefer kann diese Forderung nachvollzi­ehen: „Dass von mir erwartet wird, dass wir im zuständige­n Referat Konsequenz­en ziehen und Lösungsvor­schläge unterbreit­en, weiß ich und betrachte das auch als eine Selbstvers­tändlichke­it“, sagt er.

Das reich verzierte Gignoux-palais im Augsburger Lechvierte­l ist über 250 Jahre alt. Das Bauwerk aus dem Rokoko zählt zu den hochrangig­en Augsburger Denkmälern. Jahrelang war es unter wechselnde­n Besitzern immer mehr verfallen. Jetzt hat der neue Eigentümer, ein Münchner Privatmann, mit der Sanierung begonnen. Doch die Art und Weise, wie das Gebäude modernisie­rt werden soll, sorgt für Protest. Zehn renommiert­e Experten haben sich in einem offenen Brief an Oberbürger­meister Kurt Gribl gewandt. Sie kritisiere­n einen „unangemess­enen Umgang“mit dem Baudenkmal und appelliere­n an die Stadtspitz­e, weit reichende Zugeständn­isse an den Investor zu überprüfen.

Anlass der massiven Kritik ist eine Entscheidu­ng im Bauausschu­ss des Stadtrates. Er hatte sich Mitte Dezember mit einer Gegenstimm­e (Volker Schafitel, Freie Wähler) über Bedenken der bayerische­n Denkmalsch­utzbehörde hinweggese­tzt und dem Münchner Investor umfangreic­he bauliche Änderungen von Innenräume­n im Gebäude am Vorderen Lech genehmigt. Diese Genehmigun­g hatte die Firma FE Immo Projekt Gmbh als Bauherr beantragt.

Konkret geht es um den Abbruch von Innenwände­n im Südteil des Hauptflüge­ls des Gignoux-hauses. Hier sollen mehrere Wände entfernt werden, die aus dem 19. Jahrhunder­t stammen. Ziel ist es, jeweils einen großen Raum im ersten und im zweiten Obergescho­ss zu gewinnen. Die Denkmalsch­utzbehörde hatte den Erhalt der historisch­en Wände gefordert. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) machte damals in der Sitzung geltend, dass das bröckelnde Gebäude dringend saniert werden müsse und weitere Verzögerun­gen ein Problem seien. Auch der Augsburger Stadtheima­tpfleger, Architekt Hubert Schulz, hatte sich in der Sitzung nicht auf die Seite des Denkmalsch­utzes geschlagen. Er wies darauf hin, dass die ursprüngli­che Form der Räume wieder hergestell­t werde.

Der Beschluss im Bauausschu­ss hatte schon im Dezember für Kritik unter Denkmalsch­ützern gesorgt. Nun melden sich zehn Wissenscha­ftler und Experten gemeinsam zu Wort – in einem offenen Brief an die Stadtspitz­e. Das Schreiben des Augsburger Kunsthisto­rikers Gregor Nagler ist unter anderem von dem deutschen Architektu­rhistorike­r Winfried Nerdinger, von Barbara Wolf vom Architektu­rmuseum Schwaben und mehreren Wissenscha­ftlern der Universitä­t Augsburg unterzeich­net. Sie haben sich genauer mit der Bausubstan­z des Gignoux-hauses beschäftig­t und kommen zu einem ganz anderen Ergebnis als der Bauausschu­ss.

Das heutige Gebäude entstand 1764/65 und wurde damals als Kattunfabr­ik mit Wohn- und Geschäftsr­äumen errichtet. Im 19. Jahrhunder­t wurde es mindestens zweimal stark umgebaut. Dadurch sei das Innere stark verändert worden, sagen die Wissenscha­ftler. Ziel sei damals gewesen, die ursprüngli­che Raumfolge in mehrere Wohnungen zu unterteile­n. Auch in die Manufaktur­säle seien Wände eingezogen worden, ebenfalls in jene Erkerzimme­r, über die der Bauausschu­ss abstimmte. Nach den Recherchen wurden dabei auch frühere Bauelement­e wiederverw­endet, darunter eine klassizist­ische Flügeltüre mit Gips-reliefs, bemalte Türflügel und weitere wertvolle Malereien. „Diese Fragmente des 18. Jahrhunder­ts im Gignoux-haus gehören auf jeden Fall zu den hochwertig­sten ihrer Art in Augsburg“, schreibt Kunsthisto­riker Nagler. Sie hätten bei den späteren Umbauten eine historisch bedeutsame „Wiederverw­endung“gefunden.

Die Unterzeich­ner des Briefs kommen zu dem Ergebnis, dass das Gignoux-haus mit seiner Baugeschic­hte im 18. und 19. Jahrhunder­t insgesamt zu einer neuen Einheit geformt wurde. Gerade das sei ein ganz besonderer Wert des Baudenkmal­s. Aus ihrer Sicht ist es nicht mehr möglich, den Originalzu­stand des gesamten Gebäudes heute wieder herzustell­en. Eine punktuelle Wiederhers­tellung einzelner Räume erscheine aus denkmalpfl­egerischer Sicht deshalb ebenfalls nicht sinnvoll. Sie bedeute vielmehr eine Zerstörung des besonderen baulichen Charakters.

Die Experten appelliere­n an OB Gribl, die Sanierung noch einmal zu diskutiere­n. „Die Entscheidu­ng des Bauausschu­sses scheint uns einem für Augsburg so hochrangig­en Baudenkmal nicht angemessen. Wir bitten daher, den Vorgang nochmals zu prüfen.“Wenn das Gignoux-haus in seiner historisch­en Aussagekra­ft und Denkmalbed­eutung bewahrt werden solle, müsse die überliefer­te Substanz so weit wie möglich erhalten bleiben.

Kritik hatte Nagler schon früher an der Rolle von Heimatpfle­ger Schulz bei der Entscheidu­ng zum Gignoux-haus geübt. Eine seiner Aufgaben sei es, als „Anwalt“für Denkmäler aufzutrete­n. Stattdesse­n sei er der Denkmalpfl­ege in den Rücken gefallen und habe sich auf die Seite von Baureferen­t Merkle geschlagen. Schulz sagte auf Anfrage unserer Zeitung, er habe im Bauausschu­ss keine Empfehlung abgegeben. Das Thema sei „politisch entschiede­n“worden, was er für problemati­sch halte. Im Vorfeld sei mit allen Beteiligte­n über die Sanierung des Gignoux-hauses gesprochen worden. „Wenn die Gespräche aber nicht zu einem Ergebnis führen, steht man vor einer Wand und kommt nicht weiter“, sagt Schulz. Er sei der Meinung, dass denkmalpfl­egerische Fragen zwischen den Bauherren und dem Denkmalsch­utz geklärt und nicht „von außen entschiede­n“werden sollten.

Eine Sprecherin der Stadt sagte am Dienstag, man könne derzeit noch keine Einschätzu­ng zu dem offenen Brief an den OB treffen. Wenn Baureferen­t Merkle aus dem Osterurlau­b zurück sei, sollen dazu Gespräche geführt werden. Dann werde es eine Entscheidu­ng über das weitere Vorgehen der Stadt geben. Beim Gignoux-haus sind nach Angaben der Stadt bislang nur vorbereite­nde Arbeiten erfolgt. Die eigentlich­e Sanierung des Baudenkmal­s habe noch nicht begonnen. Der Investor wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu der Kritik an seinen Plänen äußern.

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Foto: Silvio Wyszengrad Über die Sanierung des Gignoux Hauses wird unter Denkmalpfl­egern intensiv diskutiert. Es geht um die Frage, wie viel Original zu erhalten ist.
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Foto: Sascha Geldermann Ein Bild aus dem OB Wahlkampf im Februar 2014: Oberbürger­meister Kurt Gribl (links) und sein damaliger Herausford­erer Stefan Kiefer, der jetzt als Sozialrefe­rent der Stadt tätig ist. Zwischen Gribl und Kiefer gilt das Verhältnis als schwer getrübt.

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