Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Kampf um Augsburgs Mittelalte­rfeste

Hintergrun­d Die historisch­en Vereine liegen seit Jahren im Clinch. Dies hat Konsequenz­en für die jährlichen Spektakel und deren Besucher. Es wäre höchste Zeit für eine Neuausrich­tung, doch die ist komplizier­t

- VON NICOLE PRESTLE

Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen: Als Augsburg im Jahr 1985 sein erstes historisch­es Bürgerfest feierte, dauerte es drei (!) Wochen. Die halbe Innenstadt wurde zur Festzone – und das, ohne dass sich die Stadt allzu viele Gedanken um die Sicherheit der Besucher hätte machen müssen. Damals war die Freude an Großereign­issen noch nicht durch die Eindrücke eines Love-parade-unglücks oder terroristi­scher Anschläge getrübt.

Die 2000-Jahr-feier – bezahlt und organisier­t von der Stadt – war der Auslöser für alle weiteren historisch­en Feste in Augsburg. Die Menschen hatten Lust bekommen auf Zeitreisen ins Mittelalte­r. Es gab auch kaum andere in der Region. Selbst das berühmte Kaltenberg­er Ritterturn­ier war damals erst sechs Jahre alt. Die Augsburger Stadtverwa­ltung nahm den Wunsch der Bürger auf: 1988 entschied sie sich für die regelmäßig­e Ausrichtun­g eines Bürgerfest­es; es sollte im Dreijahres-rhythmus stattfinde­n.

Die Idee „funktionie­rte“zunächst gut: Die Festzone wurde ausgeweite­t – unter anderem auf die Grünanlage am Königsplat­z. 1991 wurden Orffs „Carmina Burana“aufgeführt, nach einem weiteren, eigenveran­tworteten Fest übergab die Stadt die Organisati­on 1997 an den Verein „Augsburger Reichstage“. Damit begannen die Probleme, die dieses Jahr im vorläufige­n Aus fürs Wertachbru­cker Thorfest gipfeln.

Zwar kamen zum Festzug 1997 15000 Menschen, doch anstatt der geplanten 100000 Festabzeic­hen verkauften die Veranstalt­er in zehn Tagen nur 19000. Wegen schlechten Wetters und organisato­rischer Mängel endete das Innenstadt-fest im finanziell­en Chaos: Die Stadt bezahlte eine Ausfallbür­gschaft in Höhe von 250 000 Mark. Trotzdem blieb der Verein noch auf einem Minus von 60 000 Mark sitzen.

Zudem zeichnete sich bereits damals ab, was bis heute Realität ist: Die Akteure der historisch­en Gruppierun­gen sind heillos zerstritte­n. Die Interessen­gemeinscha­ft (IG) Historisch­es Augsburg – inzwischen fürs Bürgerfest am Roten Tor fürs Wertachbru­cker Thorfest verantwort­lich

Es wird schwierige­r, Geld damit zu verdienen

– gründete sich überhaupt erst wegen eines Streits. Er war während der Vorbereitu­ngen für die Reichstage entstanden. In der Folge kehrten 13 Aktive aus neun Gruppen dem Verein „Augsburger Reichstage“den Rücken und gründeten die IG. Ironie des Schicksals, dass eben diese Akteure Jahre später wieder eine Spaltung provoziert­en: Aus Ärger über den Vorstand der Interessen­gemeinscha­ft warfen einige den Bettel hin und gründeten den Stadtmauer­verein.

Beide Organisato­ren buhlen seitdem um die Veranstalt­ung der historisch­en Feste am Roten und am Wertachbru­cker Tor. Das verwundert, schließlic­h ist mit diesen Projekten nicht viel Geld verdient. Die IG Historisch­es Augsburg schlittert­e im Jahr 2014 sogar beinahe in die Insolvenz: Sie blieb nach dem Wertachbru­cker Thorfest auf 40 000 Euro sitzen. Nur weil die Stadt mit einer Sofortüber­weisung von 20 000 Euro aushalf, wurde das finanziell­e Aus des Vereins abgewendet.

Warum also sind Stadtmauer­verein und Interessen­gemeinscha­ft so versessen auf die Ausrichtun­g dieser Feste? Die Verantwort­lichen selbst schweigen sich aus, doch Kritiker vermuten, es geht um „Geltungssu­cht“. „Hätten nicht nur ein paar wenige im Verein das Sagen, sondern würde man die Feste als ein Miteinande­r sehen, wären viele Probleme gelöst“, sagt ein Insider. Im Vorstand der Interessen­gemeinscha­ft rumple es schon lange. Regelmäßig kündigten Mitglieder an, beim nächsten Mal nicht mehr in der ersten Reihe stehen zu wollen – nur, um es dann doch wieder zu tun.

Die Besucher der historisch­en Feste müssen das mit ausbaden: Der IG fiel es zuletzt schwer, ausreichen­d Gruppen fürs Fest am Roten Tor zu engagieren. Offiziell wurde argumentie­rt, dass das Geld nicht ausreiche, um mehr Gaukler, Ritter und fahrendes Volk zu engagieren. Die, die als Aktive dabei waren, beklagen, dass ihr Engagement quasi zum Nulltarif stattfinde. Nur ihrem hohen Einsatz sei es zu verdanken, dass überhaupt noch Lagerleben stattfinde. Dennoch beklagten Besucher zuletzt, dass der Eintritt zu den Festen zwar hoch sei, auf dem Gelände aber zum Großteil Essensbude­n stünden. Unterhaltu­ng, so die Kritik, sehe anders aus.

Es wird also höchste Zeit zum Umdenken für die historisch­en Vereine in Augsburg. Wenn es ihnen nicht gelingt, das Kriegsbeil zu begraben und sich stattdesse­n auf eine Neuausrich­tung der Feste zu konzentrie­ren, könnte das über kurz oder lang das Aus der hiesigen Historiens­pektakel bedeuten. Die Besucher sind, böse formuliert, ja auch nicht auf die Augsburger angewiesen. In der Region gibt es andere Mittelalte­rfeste, die funktionie­ren. Die „Friedberge­r Zeit“, die alle drei Jahre in Friedberg stattfinde­t, ist mit 15 000 Besuchern ein Beispiel.

Vielleicht macht es auch in Augsburg Sinn, ein solches Fest nur noch alle zwei Jahre auszuricht­en. Können sich Interessen­gemeinscha­ft und Stadtmauer­verein nicht einigen, sollte die Stadt, die die IG mit der Durchführu­ng beauftragt hat, in Archivfoto: Alexander Kaya Zukunft deutliche Vorgaben machen. Es ist zwar schade, wenn freiwillig­es Engagement auf diese Weise geregelt werden muss. Die Vereine haben zuletzt aber nicht die Absicht gezeigt, ihre Probleme vernünftig selbst zu regeln...

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