Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Kampf um Augsburgs Mittelalterfeste
Hintergrund Die historischen Vereine liegen seit Jahren im Clinch. Dies hat Konsequenzen für die jährlichen Spektakel und deren Besucher. Es wäre höchste Zeit für eine Neuausrichtung, doch die ist kompliziert
Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen: Als Augsburg im Jahr 1985 sein erstes historisches Bürgerfest feierte, dauerte es drei (!) Wochen. Die halbe Innenstadt wurde zur Festzone – und das, ohne dass sich die Stadt allzu viele Gedanken um die Sicherheit der Besucher hätte machen müssen. Damals war die Freude an Großereignissen noch nicht durch die Eindrücke eines Love-parade-unglücks oder terroristischer Anschläge getrübt.
Die 2000-Jahr-feier – bezahlt und organisiert von der Stadt – war der Auslöser für alle weiteren historischen Feste in Augsburg. Die Menschen hatten Lust bekommen auf Zeitreisen ins Mittelalter. Es gab auch kaum andere in der Region. Selbst das berühmte Kaltenberger Ritterturnier war damals erst sechs Jahre alt. Die Augsburger Stadtverwaltung nahm den Wunsch der Bürger auf: 1988 entschied sie sich für die regelmäßige Ausrichtung eines Bürgerfestes; es sollte im Dreijahres-rhythmus stattfinden.
Die Idee „funktionierte“zunächst gut: Die Festzone wurde ausgeweitet – unter anderem auf die Grünanlage am Königsplatz. 1991 wurden Orffs „Carmina Burana“aufgeführt, nach einem weiteren, eigenverantworteten Fest übergab die Stadt die Organisation 1997 an den Verein „Augsburger Reichstage“. Damit begannen die Probleme, die dieses Jahr im vorläufigen Aus fürs Wertachbrucker Thorfest gipfeln.
Zwar kamen zum Festzug 1997 15000 Menschen, doch anstatt der geplanten 100000 Festabzeichen verkauften die Veranstalter in zehn Tagen nur 19000. Wegen schlechten Wetters und organisatorischer Mängel endete das Innenstadt-fest im finanziellen Chaos: Die Stadt bezahlte eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 250 000 Mark. Trotzdem blieb der Verein noch auf einem Minus von 60 000 Mark sitzen.
Zudem zeichnete sich bereits damals ab, was bis heute Realität ist: Die Akteure der historischen Gruppierungen sind heillos zerstritten. Die Interessengemeinschaft (IG) Historisches Augsburg – inzwischen fürs Bürgerfest am Roten Tor fürs Wertachbrucker Thorfest verantwortlich
Es wird schwieriger, Geld damit zu verdienen
– gründete sich überhaupt erst wegen eines Streits. Er war während der Vorbereitungen für die Reichstage entstanden. In der Folge kehrten 13 Aktive aus neun Gruppen dem Verein „Augsburger Reichstage“den Rücken und gründeten die IG. Ironie des Schicksals, dass eben diese Akteure Jahre später wieder eine Spaltung provozierten: Aus Ärger über den Vorstand der Interessengemeinschaft warfen einige den Bettel hin und gründeten den Stadtmauerverein.
Beide Organisatoren buhlen seitdem um die Veranstaltung der historischen Feste am Roten und am Wertachbrucker Tor. Das verwundert, schließlich ist mit diesen Projekten nicht viel Geld verdient. Die IG Historisches Augsburg schlitterte im Jahr 2014 sogar beinahe in die Insolvenz: Sie blieb nach dem Wertachbrucker Thorfest auf 40 000 Euro sitzen. Nur weil die Stadt mit einer Sofortüberweisung von 20 000 Euro aushalf, wurde das finanzielle Aus des Vereins abgewendet.
Warum also sind Stadtmauerverein und Interessengemeinschaft so versessen auf die Ausrichtung dieser Feste? Die Verantwortlichen selbst schweigen sich aus, doch Kritiker vermuten, es geht um „Geltungssucht“. „Hätten nicht nur ein paar wenige im Verein das Sagen, sondern würde man die Feste als ein Miteinander sehen, wären viele Probleme gelöst“, sagt ein Insider. Im Vorstand der Interessengemeinschaft rumple es schon lange. Regelmäßig kündigten Mitglieder an, beim nächsten Mal nicht mehr in der ersten Reihe stehen zu wollen – nur, um es dann doch wieder zu tun.
Die Besucher der historischen Feste müssen das mit ausbaden: Der IG fiel es zuletzt schwer, ausreichend Gruppen fürs Fest am Roten Tor zu engagieren. Offiziell wurde argumentiert, dass das Geld nicht ausreiche, um mehr Gaukler, Ritter und fahrendes Volk zu engagieren. Die, die als Aktive dabei waren, beklagen, dass ihr Engagement quasi zum Nulltarif stattfinde. Nur ihrem hohen Einsatz sei es zu verdanken, dass überhaupt noch Lagerleben stattfinde. Dennoch beklagten Besucher zuletzt, dass der Eintritt zu den Festen zwar hoch sei, auf dem Gelände aber zum Großteil Essensbuden stünden. Unterhaltung, so die Kritik, sehe anders aus.
Es wird also höchste Zeit zum Umdenken für die historischen Vereine in Augsburg. Wenn es ihnen nicht gelingt, das Kriegsbeil zu begraben und sich stattdessen auf eine Neuausrichtung der Feste zu konzentrieren, könnte das über kurz oder lang das Aus der hiesigen Historienspektakel bedeuten. Die Besucher sind, böse formuliert, ja auch nicht auf die Augsburger angewiesen. In der Region gibt es andere Mittelalterfeste, die funktionieren. Die „Friedberger Zeit“, die alle drei Jahre in Friedberg stattfindet, ist mit 15 000 Besuchern ein Beispiel.
Vielleicht macht es auch in Augsburg Sinn, ein solches Fest nur noch alle zwei Jahre auszurichten. Können sich Interessengemeinschaft und Stadtmauerverein nicht einigen, sollte die Stadt, die die IG mit der Durchführung beauftragt hat, in Archivfoto: Alexander Kaya Zukunft deutliche Vorgaben machen. Es ist zwar schade, wenn freiwilliges Engagement auf diese Weise geregelt werden muss. Die Vereine haben zuletzt aber nicht die Absicht gezeigt, ihre Probleme vernünftig selbst zu regeln...