Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie man Sorgen los wird
Neujahrskonzert Noch einmal setzten die Wiener Philharmoniker auf Riccardo Muti
Wien Alle Sorgen, so hatte es Riccardo Muti beabsichtigt, sollten mit beschwingt-lieblichen Stücken der Strauß-dynastie wenigstens für einen Tag „wegdirigiert“werden. Der italienische Dirigent wollte im gestrigen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker stattdessen Schönheit und Leichtigkeit in die Welt tragen. „Die Probleme kommen dann erst am 2. Januar wieder zurück“, so hatte Muti im Vorfeld erklärt.
Und der 76-jährige Maestro schaffte bei seinem fünften Auftritt am Neujahrstag in Wien mit einer so soliden wie unaufgeregten Aufführung die Verdrängung. Das mochte auch an seiner engen Beziehung mit dem Orchester liegen: Seit fast 50 Jahren arbeitet er mit den Wiener Philharmonikern zusammen.
Die Mitglieder der Familie Strauß dominierten – wie es die Tradition verlangt – das Konzertprogramm im Goldenen Musikvereinssaal. Doch für sieben von 16 Stücken kam es zu einer Premiere. Und der Militärkapellmeister Alfons Czibulka erklang mit seiner „Stephanie-gavotte“überhaupt zum ersten Mal in diesem Rahmen. Die Komposition entstand zur Verlobung von Prinzessin Stephanie mit Kronprinz Rudolf im Jahr 1880.
Geschmückt war der Saal mit 30 000 Blüten von Rosen, Amaryllis und Orchideen. Das klassische Musikgroßereignis wurde schätzungsweise von 50 Millionen Menschen weltweit verfolgt. 94 Länder übertrugen das Konzert. Der gut halbstündige Pausenfilm des ORF war eine musikalische Hommage an die Kunstepoche und deren wichtigste Vertreter vor exakt 100 Jahren: Unter dem Titel „Wiener Moderne 1918 – 2018“ging es um den Architekten Otto Wagner sowie um die Maler Gustav Klimt, Egon Schiele und Koloman Moser, deren 100. Todestag sich heuer jährt.
Ob Muti nochmals ein Neujahrskonzert leiten wird, ließ er offen. Seine Rolle findet er ohnehin überbewertet: Das Orchester sei so gut, dass es eigentlich gar keinen Dirigenten brauche. Die Wiener Philharmoniker gehen aber auf Nummer sicher und verkündeten gestern, dass der deutsche Dirigent Christian Thielemann im kommenden Jahr das Neujahrskonzert erstmals leiten werde.