Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gefährliche Avocados
DVON SARAH SCHIERACK er Mensch neigt zum Pessimismus. Der Alltag scheint ihm oft trüb und grau, voller Gefahren, die sein Herz immer schneller schlagen lassen. Weil er tagein und tagaus schwarzmalt, vergisst er aber, dass das Leben früher noch viel trüber war, randvoll mit tatsächlichen Gefahren, schwärzer als schwarz sozusagen.
Zum Beispiel die Steinzeit. Der Mensch als solcher war damals noch vergleichsweise grün hinter den Knubbelohren, die Welt jenseits seiner Höhle ein Ort der unbekannten Wunder, hinter jedem Hinkelstein eine neue Überraschung. Anders als der moderne Verbraucher musste der Steinzeitmann die Geheimnisse des Alltags selbst lüften, ohne Bedienungsanleitung, ohne Youtube und ohne Siegel auf der Packung.
Man darf deshalb davon ausgehen, dass das Steinzeit-leben kein Spaß war. Sondern wohl eher eine Aneinanderreihung von Unfällen: beim Feuermachen die Haarspitzen angesengt, beim Steineschleifen den Daumen abgesäbelt und beim Apfelstampfen die Handfläche durchstochen. Aua.
Gut, dass unsere moderne Gesellschaft derartigen Bedrohungen den Kampf erklärt hat. Es gibt kaum noch etwas, das nicht vor Verzehr oder Benutzung untersucht, durchleuchtet und mit einem Warnaufkleber versehen wurde. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Schicksal auch die Avocado ereilt, jene grüne Frucht, die gerade extrem beliebt ist – und offenbar auch extrem gefährlich.
Britische Ärzte warnen, dass immer mehr Patienten mit einer sogenannten „Avocado-hand“ins Krankenhaus kämen. So nennen die Mediziner die Verletzungen, die sich die Menschen beim Aufschneiden der grünen Frucht zuziehen. Die Lösung der Experten: Warnhinweise auf der Verpackung. Denkbar, so heißt es, sei ein Cartoon mit einer Avocado, einem Messer und einem roten Kreuz. Der Steinzeit-mensch, er hätte sich damit vermutlich viele üble Verletzungen erspart.