Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Grube steigt aus
Konflikt Warum der Bahn-chef überraschend seinen Posten aufgibt. Was dabei interessant ist: Es liegt nicht daran, dass der 65-Jährige keine Gehaltserhöhung bekommt Kommentar
Berlin „Ich bin noch nie hinter meinem Vertrag hergelaufen.“Diesen Satz hat Rüdiger Grube seit dem Frühjahr 2016 auffällig oft gesagt, wenn er nach seiner Zukunft als Bahn-chef gefragt wurde. Ein bisschen ist der Langstreckenläufer dann wohl doch gejoggt, um länger an der Spitze bleiben zu dürfen. Aber ans Ziel kam er nicht.
Dabei hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), anfangs eher auf Distanz zu Grube, als Vertreter des Eigentümers Bund zuletzt seinen Frieden mit dem Bahn-chef gemacht. Gemeinsam zogen beide stolz eine erste Bilanz des neuen, schnellen Wlan-internetzugangs in den Ice-zügen. Er freue sich darauf, mit Grube „in den nächsten Jahren noch viele gemeinsame Termine machen zu können“, sagte Dobrindt erst vor wenigen Tagen.
Nach Grubes Rücktritt erweckte Dobrindt den Eindruck, als habe er damit nichts zu tun. Er sprach von einer „nicht zu erwartenden Wendung“. Und: „Dass es am Schluss offensichtlich wenig Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten gegeben hat, war so nicht direkt abzusehen.“Dobrindt ließ offen, wer genau da gegen Grube opponierte.
Der 65-Jährige hatte auf eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent, die ihm vorschwebte, verzichtet und auf eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Weggangs, hieß es nach dem großen Knall am Montag aus Kreisen des Aufsichtsrats. Dafür sei ihm zugesichert worden, dass sein Dienstvertrag um drei Jahre bis Ende 2020 verlängert wird. Im Jahr 2015 hat Grube einschließlich Bonuszahlungen 1,4 Millionen Euro verdient.
Doch nun verzichtet der 65-Jährige auf sein Millionengehalt. Denn mehrere Aufsichtsräte haben wohl darauf bestanden, Grube doch nur zwei und nicht die gewünschten drei Extrajahre einzuräumen, aus welchen Motiven auch immer. Das habe Grube dazu gebracht hinzuschmeißen. Weiter hinterherlaufen wollte er dann nicht mehr. Ob hinter den Geschehnissen Kalkül stand oder sie das emotionale, ungewollte Ergebnis einer Kraftprobe waren, blieb zunächst ungeklärt.
Dobrindt sagte, jetzt gelte es, ei-
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Als Kanzler machte Schröder auf ungewöhnliche Weise Mehdorn das Amt des Bahn-chefs schmackhaft. Es sei nach seiner Tätigkeit der „zweitverrückteste Job“der Republik. Mehdorn biss an. Bahn-chef wurde zu seinem Vornamen. Doch der unruhige Geist scheiterte an der Komplexität des Berufs. Mittendrin zwischen den Wünschen der Fahrgäste, des Personals, knallharter Gewerkschafter und des Bundes als Anteilseigner wird ein Bahn-chef zerrieben.
Diesem Schicksal konnte sich Mehdorns Nachfolger Grube nur phasenweise entziehen. Der 65-Jährige brachte mehr Ruhe in den Riesen, musste jedoch immer wieder Prügel einstecken, zum Teil berechtigt. Denn dass es so lange gedauert hat, bis auch Ice-kunden in der zweiten Klasse eine kostenlose, stabile Wlan-verbindung haben, nen Nachfolger zur finden. Gefragt nach Ronald Pofalla, wich Dobrindt aus. Er wolle erst einmal keinen Namen nennen. Der ehemalige Kanzleramtschef Pofalla, seit Januar wichtiges Vorstandsmitglied für den Bereich Infrastruktur, wird schon länger als Kronprinz Grubes gehandelt. In seinem Umfeld hieß es stets, der nächste Schritt nach ganz oben sei noch zu früh für ihn. Andere ernsthafte Bewerber wurden kurz nach Grubes Rücktritt nicht genannt. „Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt“, sagte etwa Spd-fraktionsvize Sören Bartol. Grube hinterlässt ein Unternehmen im Umbruch, dem zuletzt zumindest in Teilen wieder ein Aufbruch gelungen war. Im Personenfernverkehr, der prestigeträchtigsten Sparte, kamen wieder mehr Züge pünktlich ans Ziel. Die Fahrgastzahlen zeigten auch dank einer Reihe von Rabattangeboten deutlich nach oben. Mit einem ordentlich funktionierenden WLAN auch in der zweiten Klasse konnte Grube gleich zu Jahresbeginn punkten. Die Bahn habe sich unter Grubes Führung modernisiert und Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht, bilanzierte Dobrindt. Nach dem Verlustjahr 2015 hat die Bahn wohl 2016 wieder die Gewinnzone erreicht. Zumindest das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) ist wieder positiv, es sind wie 2014 rund 1,8 Milliarden Euro. Sorgenkind ist nach wie vor die defizitäre Güterbahn, für die bislang kein Konzept gefunden ist, das auch von Betriebsrat und Gewerkschaft akzeptiert wird.
Der Nachfolger Grubes wird den digitalen Wandel der Bahn weiterführen müssen und das Programm „Zukunft Bahn“, das Grube zur Chefsache machen wollte. Ein heißes Thema dürften die Trassenpreise werden. Nur eine deutliche Reduzierung dieser Schienenmaut, so die Überzeugung des Bahn-vorstands, würde der Güterbahn DB Cargo helfen, weil sie dann im Wettbewerb mit dem Lkw Chancen hätte. Die Einnahmen würden jedoch der Infrastruktur-tochter DB Netz fehlen. Das müsste der Bund ausgleichen. Von dieser Idee müsste der neue Bahnchef den Finanzminister und die Haushaltsexperten des Bundestags überzeugen.