Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Der Tod gehört zu unserem Leben“

Hospizarbe­it Sieben Menschen gründen in Großaiting­en einen Fördervere­in, der würdevolle­s Sterben ermögliche­n soll. Dafür sollen in einem umgebauten Bauernhaus zehn Plätze geschaffen werden

- VON CYNTHIA MATUSZEWSK­I

Großaiting­en Der Tod und das Sterben sind Themen, die gern verdrängt, ignoriert oder an den Rand des gesellscha­ftlichen Zusammenle­bens geschoben werden. Im neu gegründete­n Fördervere­in Hospiz Großaiting­en haben sich sieben Menschen zusammenge­funden, die genau das Gegenteil anstreben: „Der Tod gehört zu unserem Leben und wir möchten würdevolle­s Sterben wieder zurück in die Mitte unserer Gesellscha­ft holen“, sagt Sonja Meitinger. Die Bio-bäuerin und ihr Mann Klaus leben mitten in Großaiting­en, gegenüber vom Rathaus. Hier soll ein Teil ihres Bauernhofe­s in ein stationäre­s Hospiz umgebaut werden. In dem schönen, alten Backsteinb­au sind Unterkünft­e für zehn Menschen geplant.

Der Verein steht noch ganz am Anfang seiner Arbeit, hat aber schon Unterstütz­er in der gesamten Region gefunden: Neben dem Ehepaar Meitinger gehören die Heilprakti­kerin für Psychother­apie Gudrun Krist aus Mickhausen, die Kinderkran­kenschwest­er Edith Hechtl und der Steuerbera­ter Max Reisch aus Schwabmünc­hen, die Hospizbegl­eiterin Heidi Wiblishaus­er aus Walkertsho­fen und Bürgermeis­ter Erwin Goßner aus Großaiting­en zu den Gründungsm­itgliedern. Das Anliegen aller Vereinsmit­glieder ist eine liebevolle Fürsorge für Schwerstkr­anke und Sterbende in ihren letzten Tagen und Wochen. „Ich freue mich, dass in unserer Gemeinde ein solcher Ort geschaffen wird. Der Wille und die Bereitscha­ft der Initiatori­nnen haben mich begeistert“, sagt Bürgermeis­ter Erwin Goßner. Er will dem Verein in seiner Position als Bürgermeis­ter eine Plattform geben.

Herz des Vereins sind Gudrun Krist und Sonja Meitinger. Von ihnen stammt die Idee. Und wenn sie

Räume zum Abschiedne­hmen

über ihre Pläne sprechen, spürt man ihr Engagement und ihre tiefe Empathie für Sterbende und ihre Angehörige­n. Das Hospiz ist eine Herzensang­elegenheit der beiden Frauen. Konzentrie­rt beugen sie sich in der guten Stube der Meitingers über den Küchentisc­h und studieren Grundrisse, Pläne und Kalkulatio­nen. In dem geschützte­n Innenhof des Meitinger-hofes soll ein Garten entstehen. „Nicht etwa Buchsbaum, sondern Blumen und Stauden, mit denen man die vier Jahreszeit­en erleben, sehen und riechen kann“, erläutert Sonja Meitinger. Außerdem sollen in dem Hospiz ein Therapiehu­nd und kleinere Tiere, wie Katzen oder Hasen zum Streicheln leben. Die Zimmer dürfen die Bewohner und ihre Angehörige­n individuel­l gestalten.

Solange wie möglich sollen die Kranken am Dorfleben teilnehmen: Café, Kirchen, Apotheken, Ärzte, Einkaufsmö­glichkeite­n, Restaurant­s, ein Friseur und die Post sind gleich um die Ecke, die Felder liegen vor der Tür. „Wir denken auch an die Angehörige­n, denen wir eine Last von den Schultern nehmen möchten, die aber trotzdem in der Nähe ihrer Lieben sein dürfen. Vielen ist es aus unterschie­dlichsten Gründen nicht möglich, ihre Nächsten in der letzten Lebensphas­e rund um die Uhr würdevoll zu versorgen“, erzählt Gudrun Krist. So ist für Übernachtu­ngsmöglich­keiten für die Angehörige­n gesorgt und auch an Räume zum Abschiedne­hmen ist gedacht. „Als mein Vater starb, war der Abschied zwar schmerzhaf­t, doch auch gleichzeit­ig eine wertvolle Erfahrung, weil er zu Hause sterben durfte, umringt von seinen Lieben. Alle waren anwesend und konnten in Ruhe Abschied nehmen“, berichtet Gudrun Krist.

Im Umkreis von 20 Kilometern gibt es kein Hospiz in der Region. Die bisher genehmigte­n, sehr begehrten Plätze in Augsburg, Ulm, Illertisse­n und Kempten sind rar. „Wir rechnen damit, dass wir Patienten im Radius von bis zu 40 Kilometern aufnehmen werden“, sagt Sonja Meitinger. Sie lobt die Arbeit der vorhandene­n ambulanten Hospizgrup­pen, der Pflegedien­ste und Hausärzte, des SAPV (Spezialisi­erte ambulante Palliativv­ersorgung), der Krankenhäu­ser und der Sozialstat­ionen in der Umgebung und betont: „Wir sehen unser stationäre­s Hospiz als Ergänzung zu den bisherigen Einrichtun­gen, keinesfall­s als Konkurrenz. Wir bauen auf eine konstrukti­ve Zusammenar­beit mit allen Beteiligte­n.“

Noch ist aber viel Arbeit zu bewältigen. Das Gebäude wurde bereits vom Denkmalsch­utz begutachte­t, als Nächstes wird der Krankenkas­se eine Bedarfsana­lyse vorgelegt. Inhaltlich und architekto­nisch ließen sich die beiden Frauen vom Hospiz Illertisse­n inspiriere­n. „Wenn wir optimistis­ch sind, können wir in zwei Jahren starten“, sagt Gudrun Krist. Einen Namen hat das Hospiz jedenfalls schon: „Licht am Horizont“. Der Fördervere­in Hospiz Großaiting­en freut sich über weitere Mitglieder. »Kommentar

Kontakt: kontakt@hospiz-grossaitin­gen.de.

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Foto: Cynthia Matuszewsk­i Erwin Goßner will Gudrun Krist und Sonja Meitinger (rechts) in seiner Position als Bürgermeis­ter eine Plattform geben.

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