Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Bäsle macht noch keinen Mozart

Mozart@augsburg Klaus Maria Brandauer schließt das Festival mit einem Reigen von der heiligen Afra bis Bertolt Brecht

- VON SYBILLE SCHILLER Foto: Wolfgang Diekamp

Nicht alles ist Gold, was glänzt im Goldenen Saal. Die Akustik, so gut sie eingestell­t sein mag, bleibt ein Problem. So bei der Abschlussg­ala von mozart@augsburg unter dem Motto „Vivat Augsburg!“Wahrlich, Augsburg lebt, weht doch seit der Gründung durch Kaiser Augustus in ihr der Wind der Geschichte, mal säuselnd, mal stürmisch.

Wie, das illustrier­te Schauspiel­er Klaus Maria Brandauer mit Versen des berühmten Augsburg-sohnes Bertolt Brecht. Aus den Buckower Elegien trug er vor: „Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen …“BB hatte Augsburg schon lange verlassen, doch nie vergessen, immer erinnerte er sich an seine „wunderbare schöne Mutter“, an den Plärrer, an seine erste Liebe Bi Banholzer. Brandauer kennt Brecht und auch die Augsburger Altstadt, durch die der Bürgerschr­eck gezogen war, weiß also auch und trug es vor, wie man in „Augschburg schwätzt“und jemanden, der mit dem Finger zeigt, mit „Nimm dei Griffel weg“zurechtwei­st. Ja, der österreich­ische Schauspiel­er hatte sich viele Gedanken gemacht, gibt aber coram publico zu: „Nun, das alles wissen Sie viel besser als ich“. Dass Brandauer auch noch das Rezept für die Brühwurst „Augsburger“vortrug, geschenkt.

Brecht allein macht noch kein Augsburg, immer steht insbesonde­re wie in diesem erfolgreic­h zu Ende gegangenen Festival, die Familie Mozart im strahlende­n Mittelpunk­t. Besonders Vater Leopold und sein Sohn Wolfgang Amadé. Pianist Sebastian Knauer zeigte dies unter anderem im Spiel des Adagios, KV 356, und Klaus Maria Brandauer kapriziert­e sich einmal mehr aufs Bäsle vom Wolferl. Mag denn kein Rezitator auf die hinlänglic­h bekannten Zitate aus Briefen an „ma chère cousine“verzichten? Ein Bäsle macht noch keinen Mozart.

Was aber wäre Augsburg ohne seine Bernauerin, deshalb legte Brandauer in die berühmte Baderstoch­ter und heimliche Gattin des Herzogs Albrecht III. sein Herzblut, litt mit dem „Urteil über die Buhlerin“, zischte mit bösen Zungen – Knauer untermalte es mit Carl Orff – und stieß schließlic­h das kreischend­e „Krah, Krah, Krah“der kreisenden Krähen über der Donau aus, als man die schöne Bernauerin 1435 bei Straubing ertränkte. „Die Bernauerin ist tot“flüsterte er, um danach zu schreien: „Wo ist die Bernauerin?“

Mittelalte­rliche Finsternis verdunkelt­e den Goldenen Saal, bis jener Mann in Brandauers Vortrag nach Augsburg kam, der sich Ablass und Hexenwahn „allein durch den Glauben“entgegenst­ellt hatte: Martin Luther. Zitierend aus „An den christlich­en Adel deutscher Nation“verwies er auf Luthers Widerspruc­h 1518 in Augsburg vor dem päpstliche­n Legaten, Kardinal Cajetan. Was für eine Stadt und was für ein Deutscher, der dem Volk nicht nur aufs Maul geschaut, sondern die deutsche Sprache geschliffe­n hatte und zudem ein Musikus und Dichter gewesen war, weshalb Brandauer mit Pathos betonte: „diesem Luther aber blieb sein Wort“. Dem Reformator folgte der mit Musik predigende Johann Sebastian Bach, was Sebastian Knauer mit dem cismoll aus dem Wohltemper­ierten Klavier anklingen ließ.

Dann wieder ein großer Sprung nach vorn zu einem Dichter, der im Ersten Weltkrieg in Augsburg am Grab der Märtyrerin Afra berührt wurde: Georg Trakl. „Ein Kind mit braunem Haar. Gebet und Amen“dichtete er, und Brandauer schrillte Trakls Schmerz über den Krieg im Gedicht „Grodek“hinaus - das war eine der ergreifend­sten Sekunden des Abends, bevor Klaus Maria Brandauer schloss mit Bertolt Brechts „Bitten der Kinder“.

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Klaus Maria Brandauer Mozart-festival. rezitierte beim

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