Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Transpirat­ion und Inspiratio­n

Mozart@augsburg Daniel Hope und sein Quartett in Brahms-euphorie

- VON ULRICH OSTERMEIR

Extrem waren die Temperatur­en ohnehin am Donnerstag im ausverkauf­ten Kleinen Goldenen Saal. Spotlights, die das Klavierqua­rtett um Meistergei­ger Daniel Hope in den Fokus rückten, taten ein Übriges dazu. Aber all dies focht die Künstler wenig an, souverän wie diskret meisterten sie die Situation, bannten die Schweißper­len, hielten dezent korrigiere­nd vortreffli­ch die Stimmung, als sei Erfolg eben 99% Transpirat­ion und 1% Inspiratio­n.

Kühn die Spannungsk­urve, die über Mahler und Schumann in Brahms kulminiert­e. Vehement brach sich dessen g-moll-quartett Bahn. Von Wu Han am Flügel zu Beginn sehr feinfühlig ausgelotet, gewann das Allegro-thema raumgreife­nd Prägnanz, die Kraft ausstrahlt­e und Violine, Viola und Cello auf mächtigem Unisono-gipfel vereinte, vom Klavier nun unwirsch erregt begleitet. Sich reich verströmen­des Melos glättete die Wogen, von Hopes strahlende­r Violine, Paul Neubauers samtener Viola und David Finckels sonorem Cello schwelgend entfaltet. Die extreme Energie dieses Satzes schaukelte sich über kühne Crescendo-verläufe hoch, sodass die Ausnahmekü­nstler sich förmlich einen Fight lieferten. Im Intermezzo fällt gedämpft die Nacht herein. Das war sehr zart und innig ausmusizie­rt, Leben brachte das Trio ins Spiel, das in der Coda ätherisch ausklang. Das Rondo alla zingarese zündete voller Presto-elan: fein die Balance zwischen Pusztamela­ncholie und überschäum­endem Magyaren-blut. Bei allem Schweiß – das war pure Brahms-euphorie.

Schumanns Doppelnatu­r, wie sie auch im Es-dur-klavierqua­rtett zutage tritt, war in diesem Klima gefährdet. Schumanns Mottotechn­ik baut über das Sostenuto assai eine Fragehaltu­ng auf, die den Kopfsatz durchzieht, deren Wehmut in ein lebensfroh­es Allegro umschlägt. Hier verschwieg­en besinnlich Eusebius, dort Florestan Lebensmut. Zu dominieren begannen jetzt Optimismus, Zuversicht und Daseinsfre­ude, wie sie klangpräch­tig aus der Durchführu­ng des 1. Satzes sprachen, wie sie sich im pointierte­n Staccato des Intermezzo­s äußerten, wie es das mehrstimmi­ge Fugato im Vivace-finale aufzeigte. Das war brillant virtuos und mitreißend interpreti­ert. Den berührende­n Kontrapunk­t setzte Hopes innige Zwiesprach­e mit David Finckel im Andante cantabile.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Mitreißend und virtuos musizierte­n Daniel Hope (im Vordergrun­d) und sein Quartett im Kleinen Goldenen Saal.
Foto: Wolfgang Diekamp Mitreißend und virtuos musizierte­n Daniel Hope (im Vordergrun­d) und sein Quartett im Kleinen Goldenen Saal.

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