Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Denkmalschutz für das künstliche Wildwasser?
Gutes Bauen Die Kanustrecke und die Gebäude am Eiskanal gehören zu den herausragenden Bauten aus den 1970er Jahren in Augsburg. Noch sind sie nicht geschützt. Die Bauwerke werden langsam sanierungsbedürftig (Folge 2)
Die Olympischen Spiele 1972 waren das größte Sportereignis, das je in Augsburg stattfand. Und das Ereignis kostete erst einmal. Knapp 16 Millionen Mark mussten für die Kanuslalom-anlage ausgegeben werden. Der Eiskanal wurde dafür in ein künstliches Wildwasser verwandelt. Den Heimvorteil konnten die deutschen Kanuten zwar ausnutzen, die großen Abräumer waren allerdings die Ddr-sportler, die sich alle vier in Augsburg vergebenen Goldmedaillen sicherten. Die Stimmung war bombastisch, an beiden Wettkampftagen kamen je 30 000 Zuschauer an die Strecke. Und im Publikum saß mit Bundeskanzler Willy Brandt die allerhöchste Politikprominenz.
Den Gebäuden von damals sieht man heute an, dass mittlerweile 44 Jahre vergangen sind. Am Turm, in dem die Presse während der Wettkämpfe untergebracht war, wirkt das Holz der Verkleidung sanierungsbedürftig. Die Fensterscheiben sind zugeklebt. Auch am Gebäude am Ende der Wettkampfstrecke, Schallers Hochablass-gaststätte, ist die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Und der dritte Teil dieses von den Architekten Reinhard Bro- ckel und Erich R. Müller angelegten Ensembles steht gar nicht mehr. Das Bundesleistungszentrum für Kanu und Wildwasser wurde 2010 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.
Trotzdem oder gerade deshalb: Der Architekturhistoriker Olaf Gisbertz kommt ins Schwärmen, wenn er über den Eiskanal spricht. „Es ist eine wunderbare Anlage“, sagt er. Er hat dieses Ensemble für unsere Serie ausgewählt, weil es repräsentativ für die 1960er und 70er Jahre steht, als unter anderem mit viel Sichtbeton gearbeitet worden ist. Da sind Bauwerke entstanden, die nicht In der Serie „Gutes Bauen“stellen wir Ihnen immer dienstags ein anderes gelungenes Bauwerk aus Augsburg und der Region vor. Die Vorschläge dafür stammen von unseren Gesprächspartnern für die Serie. überall in gutem Ruf stehen, zum Teil aber sehr viel besser als ihr Image sind.
Zum Beispiel die Kanuslalomstrecke. Entgegen der landläufigen Meinung ist es nicht der Sichtbeton, sondern vor allem das Holz, das bei den Bauwerken ins Auge springt: als Verkleidung an den Gebäuden. Das Ensemble fügt sich perfekt in den zugehörigen Landschaftspark ein. Der Beton dominiert nicht, die Gebäude scheinen organisch mit der Natur verbunden zu sein. Das ursprüngliche Zeitmess-häuschen am Start etwa bemerkt man auf den ersten Blick fast gar nicht. Anders als das Messhaus, das später als Behelfsbau hinzukam.
An dem Beispiel der Kanuslalomstrecke ist gut zu studieren, warum gerade jetzt in Denkmalbehörden über die Bauten aus den 1960er und 70er Jahren gesprochen wird. Sie sind sanierungsbedürftig geworden. Bevor – wie im Bundesleistungszentrum – Abriss und Neubau drohen, soll geprüft werden, ob die Gebäude so bedeutend sind, dass sie auf jeden Fall erhalten werden.
Noch steht die Augsburger Strecke nämlich nicht auf der Liste der geschützten Denkmäler. Allerdings ist das Ensemble bereits vorgemerkt. Intern wird in der Oberen Denkmalschutzbehörde gerade an einem Kriterienkatalog gearbeitet, wie mit Bauten aus den 1960er und 70er Jahren umgegangen werden soll. Sobald der Katalog gültig ist, kann über das Eiskanal-ensemble entschieden werden.
Gisbertz findet, dass die Kanustrecke eine Aufnahme in die Liste verdient hat. Er verweist auf einen interessanten Umstand. Es handelt sich, wie bei der zeitgleich entstandenen Kongresshalle, um eine Freizeitanlage. „Das sind Bauwerke, mit denen versucht wurde, die Stadtgesellschaft zusammenzubringen“, sagt Gisbertz.
Der Wahlaugsburger arbeitet an der Technischen Universität Braunschweig als Architekturhistoriker. Und dort beschäftigt er sich intensiv mit der Architektur aus den 1960er und 70er Jahren. Allerdings hat er die Augsburger Bauten aus dieser Zeit lange so wie jeder andere wahrgenommen – als Spaziergänger im Vorbeigehen. Erst als Gisbertz gemeinsam mit der Regio einen Kongress über Stadt- und Kongresshallen in Augsburg organisiert hat, fanden sich die Augsburger Bauten auch im wissenschaftlichen Koordinatensystem von Gisbertz wieder.
Übrigens war einer der ersten, der die Anlage lobte, der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt: „Eine großartige Anlage, gefällt mir ausgezeichnet“, sagte er am 30. August 1972 dem Reporter unserer Zeitung.