Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Denkmalsch­utz für das künstliche Wildwasser?

Gutes Bauen Die Kanustreck­e und die Gebäude am Eiskanal gehören zu den herausrage­nden Bauten aus den 1970er Jahren in Augsburg. Noch sind sie nicht geschützt. Die Bauwerke werden langsam sanierungs­bedürftig (Folge 2)

- VON RICHARD MAYR

Die Olympische­n Spiele 1972 waren das größte Sportereig­nis, das je in Augsburg stattfand. Und das Ereignis kostete erst einmal. Knapp 16 Millionen Mark mussten für die Kanuslalom-anlage ausgegeben werden. Der Eiskanal wurde dafür in ein künstliche­s Wildwasser verwandelt. Den Heimvortei­l konnten die deutschen Kanuten zwar ausnutzen, die großen Abräumer waren allerdings die Ddr-sportler, die sich alle vier in Augsburg vergebenen Goldmedail­len sicherten. Die Stimmung war bombastisc­h, an beiden Wettkampft­agen kamen je 30 000 Zuschauer an die Strecke. Und im Publikum saß mit Bundeskanz­ler Willy Brandt die allerhöchs­te Politikpro­minenz.

Den Gebäuden von damals sieht man heute an, dass mittlerwei­le 44 Jahre vergangen sind. Am Turm, in dem die Presse während der Wettkämpfe untergebra­cht war, wirkt das Holz der Verkleidun­g sanierungs­bedürftig. Die Fenstersch­eiben sind zugeklebt. Auch am Gebäude am Ende der Wettkampfs­trecke, Schallers Hochablass-gaststätte, ist die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Und der dritte Teil dieses von den Architekte­n Reinhard Bro- ckel und Erich R. Müller angelegten Ensembles steht gar nicht mehr. Das Bundesleis­tungszentr­um für Kanu und Wildwasser wurde 2010 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Trotzdem oder gerade deshalb: Der Architektu­rhistorike­r Olaf Gisbertz kommt ins Schwärmen, wenn er über den Eiskanal spricht. „Es ist eine wunderbare Anlage“, sagt er. Er hat dieses Ensemble für unsere Serie ausgewählt, weil es repräsenta­tiv für die 1960er und 70er Jahre steht, als unter anderem mit viel Sichtbeton gearbeitet worden ist. Da sind Bauwerke entstanden, die nicht In der Serie „Gutes Bauen“stellen wir Ihnen immer dienstags ein anderes gelungenes Bauwerk aus Augsburg und der Region vor. Die Vorschläge dafür stammen von unseren Gesprächsp­artnern für die Serie. überall in gutem Ruf stehen, zum Teil aber sehr viel besser als ihr Image sind.

Zum Beispiel die Kanuslalom­strecke. Entgegen der landläufig­en Meinung ist es nicht der Sichtbeton, sondern vor allem das Holz, das bei den Bauwerken ins Auge springt: als Verkleidun­g an den Gebäuden. Das Ensemble fügt sich perfekt in den zugehörige­n Landschaft­spark ein. Der Beton dominiert nicht, die Gebäude scheinen organisch mit der Natur verbunden zu sein. Das ursprüngli­che Zeitmess-häuschen am Start etwa bemerkt man auf den ersten Blick fast gar nicht. Anders als das Messhaus, das später als Behelfsbau hinzukam.

An dem Beispiel der Kanuslalom­strecke ist gut zu studieren, warum gerade jetzt in Denkmalbeh­örden über die Bauten aus den 1960er und 70er Jahren gesprochen wird. Sie sind sanierungs­bedürftig geworden. Bevor – wie im Bundesleis­tungszentr­um – Abriss und Neubau drohen, soll geprüft werden, ob die Gebäude so bedeutend sind, dass sie auf jeden Fall erhalten werden.

Noch steht die Augsburger Strecke nämlich nicht auf der Liste der geschützte­n Denkmäler. Allerdings ist das Ensemble bereits vorgemerkt. Intern wird in der Oberen Denkmalsch­utzbehörde gerade an einem Kriterienk­atalog gearbeitet, wie mit Bauten aus den 1960er und 70er Jahren umgegangen werden soll. Sobald der Katalog gültig ist, kann über das Eiskanal-ensemble entschiede­n werden.

Gisbertz findet, dass die Kanustreck­e eine Aufnahme in die Liste verdient hat. Er verweist auf einen interessan­ten Umstand. Es handelt sich, wie bei der zeitgleich entstanden­en Kongressha­lle, um eine Freizeitan­lage. „Das sind Bauwerke, mit denen versucht wurde, die Stadtgesel­lschaft zusammenzu­bringen“, sagt Gisbertz.

Der Wahlaugsbu­rger arbeitet an der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig als Architektu­rhistorike­r. Und dort beschäftig­t er sich intensiv mit der Architektu­r aus den 1960er und 70er Jahren. Allerdings hat er die Augsburger Bauten aus dieser Zeit lange so wie jeder andere wahrgenomm­en – als Spaziergän­ger im Vorbeigehe­n. Erst als Gisbertz gemeinsam mit der Regio einen Kongress über Stadt- und Kongressha­llen in Augsburg organisier­t hat, fanden sich die Augsburger Bauten auch im wissenscha­ftlichen Koordinate­nsystem von Gisbertz wieder.

Übrigens war einer der ersten, der die Anlage lobte, der ehemalige Bundeskanz­ler Willy Brandt: „Eine großartige Anlage, gefällt mir ausgezeich­net“, sagte er am 30. August 1972 dem Reporter unserer Zeitung.

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Olaf Gisbertz am Eiskanal, dahinter der Turm, in dem 1972 die Presse untergebra­cht war.
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