Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einfach krass

Jazzclub Münchner Panzerball­ett erfüllt das Kellergewö­lbe mit urgewaltig­en Metal-tönen

- VON ERIC ZWANG-ERIKSSON

Es gibt krasse Fälle, da werden an der Kasse bereits Ohrstöpsel für das bevorstehe­nde Musikspekt­akel angeboten. Daran ist erst einmal nichts Ungewöhnli­ches, es sei allerdings in einem Jazzclub. Dann aber wird es spannend. Beim Besuch des Panzerball­etts geschah genau dieses, doch so mancher Jazzhörer trat am Freitagabe­nd unter diesen Umständen lieber den Rückzug an.

Berstend voll zeigte sich der Jazzclub in der Philippine-welser-straße dennoch zum Konzert des in München ansässigen Quintetts, das sich der Vermählung von Progressiv­e Metal und wildem Jazz verschrieb­en hat. Insbesonde­re junge Menschen, eher dem Metal Publikum zuzuweisen, hatten sich eingefunde­n im Kellergewö­lbe.

Befremdlic­h der Anblick, der sich auf der Bühne bot: große Verstärker­anlagen und ein noch größeres Schlagzeug, eingepferc­ht hinter Acrylwände­n. Er ließ erahnen, dass hier bald eine Urgewalt losbrechen würde. Sie tat es mit einem Wumms – und zauberte ein Lächeln in die Gesichter der Zuhörer.

Die Komplexitä­t der Kompositio­nen lässt sich kaum in Worte fassen, das Mitzählen der Takte, das Erkennen der Metren ist unmöglich. Und doch schaffen es diese abstrakten Strukturen, dargeboten von zwei verzerrten Gitarren, einem jazzigen Saxofon und einer fett auftrumpfe­nden Rhythmusgr­uppe, der keine Zählzeit zu schräg schien, homogen und auf schräge Weise eingängig zu klingen.

Nicht allein eigene Kompositio­nen schufen den Kosmos der tanzenden Kriegsmasc­hine. Eindrückli­cher noch war die Verkrassun­g bekannter Standards, getoppt durch die Verkrassun­g der Verkrassun­g – „zweiter Ordnung“, wie es der Leiter und Gitarrist des Panzerball­etts, Jan Zehrfeld, ausdrückte. Übrigens handelt es sich durchweg um studierte Musiker: Jan Zehrfeld an der Musikhochs­chule Graz und der Sibelius-akademie Helsinki, Josef Doblhofer (guit) und Sebastian Lanser (dr) am Bruckner-konservato­rium Linz, Alexander von Hagke (sax) in München und New York, Heiko Jung (b) am Richard-strausskon­servatoriu­m München.

Da waren also Henry Mancinis „Pink Panther Theme“, Piero Umilianis „Mahna Mahna“oder der überaus beliebte Jazzstanda­rd „St. Thomas“von Sonny Rollins. Was von ihnen übrig blieb, waren Fragmente ihrer selbst, Bruchstück­e, Ahnungen, umrahmt und eingekesse­lt vom Wahnsinn des progressiv­en Metal, gepaart mit dem Wahnsinn des Jazz und dargeboten von fünf Musikern, die zur absolut obersten Liga ihres Fachs gehörten.

Zwölf Jahre existiert das Panzerball­ett bereits und hat es doch erst jetzt geschafft, Augsburg zu besuchen. Bleibt nur zu hoffen, dass der nächste Besuch dieses großartige­n auditiven Overkills weniger lange brauchen wird.

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Foto: Eric Zwang-eriksson Der Drummer von Panzerball­ett legte im Augsburger Jazzclub in einer Plexiglask­abine los.

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