Aichacher Nachrichten

Kampfansag­e aus Peking

Chinas neuer Außenminis­ter nutzt seinen ersten Auftritt, um den Ton gegenüber den USA zu verschärfe­n. Wie bedrohlich sind seine Vergleiche der Ukraine mit Taiwan?

- Von Fabian Kretschmer

Qin Gangs erste Pressekonf­erenz als neuer Außenminis­ter wird wohl noch lange nachhallen. Die fast zweistündi­ge Veranstalt­ung markiert einen Wendepunkt, an dem die Volksrepub­lik eine zentrale Grundsatze­ntscheidun­g gefällt hat: Peking geht im Umgang mit dem Westen unmissvers­tändlich auf Konfrontat­ionskurs – und verschärft den Tonfall deutlich.

Mit einer völligen Unbekümmer­theit machte der 56-jährige Qin Gang, vormals chinesisch­er Botschafte­r in den USA, deutlich, dass man bei der sogenannte­n Taiwan-Frage nicht vor einer militärisc­hen Eskalation zurückschr­ecken werde – ja sogar per Verfassung dazu gezwungen sei, diese notfalls zu forcieren. Zwar arbeite man auf eine friedliche Wiedervere­inigung hin, sagte Qin Gang, doch man behalte sich den Einsatz sämtlicher Mittel vor.

„Tatsächlic­h macht Chinas Antisezess­ionsgesetz diesen Punkt deutlich. Falls das Gesetz verletzt wird, müssen wir in Übereinsti­mmung mit der Verfassung handeln“, sagte der Diplomat in trockenem Tonfall. Niemand solle die feste Entschloss­enheit der chinesisch­en Regierung unterschät­zen, die nationale Souveränit­ät des Landes zu wahren.

Und auch gegenüber den Vereinigte­n Staaten hat Qin Gang eine indirekte Warnung ausgesproc­hen. Wenn die US-Regierung ihren „falschen Kurs“gegenüber China nicht bremsen werde, dann könnten auch „noch so viele Leitplanke­n“keine „Entgleisun­g“verhindern. Die Folge wären: „Konflikt und Konfrontat­ion.“Wie diese ausschauen werden, ließ Qin Gang offen. Doch kein internatio­naler Beobachter könne mehr behaupten,

nicht im Vorhinein gewarnt worden zu sein.

Die Wolfskrieg­er-Rhetorik der Chinesen scheint wieder zurückgeke­hrt zu sein. Nachdem der scheidende Premiermin­ister Li Keqiang am Sonntag eine eher zurückhalt­ende Rede gehalten hatte, legt Qin Gang nun eine rhetorisch­e Angriffslu­st vor. Seine scharfen Worte gegenüber den USA stechen auch deshalb so deutlich hervor, weil er nur wenige Minuten zuvor die Beziehung zu Russland in den höchsten Tönen lobte. Das Verhältnis gegenüber Moskau sei ein „Modell für neue internatio­nale Beziehunge­n“. Und: „Je turbulente­r die Welt ist, umso beständige­r sollten die russisch-chinesisch­en Beziehunge­n voranschre­iten.“

So dürfte auch nicht überrasche­n, dass sich Qin Gang weigert, die „Ukraine-Krise“überhaupt als Krieg zu bezeichnen. Diese sei das „Resultat europäisch­er Sicherheit­sarchitekt­ur“– Russland hingegen wird weder als Aggressor benannt, noch überhaupt mit einer einzigen Silbe kritisiert.

Zur Überraschu­ng vieler Beobachter hat Qin Gang zwei Themen verglichen, die eigentlich in der chinesisch­en Propaganda nichts miteinande­r zu tun haben: die Situation in Taiwan und der Ukraine. „Warum sprechen die USA so viel von der Achtung der territoria­len

Integrität in der Ukraine, respektier­en aber nicht die territoria­le Integrität Chinas bei der TaiwanFrag­e? Warum haben die USA Waffen an Taiwan verkauft und fordern gleichzeit­ig, dass China keine Waffen an Russland liefert?“, fragte Qin Gang rhetorisch.

Im Westen werden solche Aussagen wohl auf wenig Verständni­s stoßen. Die Konfrontat­ion mit den USA, deren China-Politik in Peking als zunehmend feindlich wahrgenomm­en wird, scheint man bewusst in Kauf zu nehmen. Gleichzeit­ig hofft man, einen Keil zwischen die wieder enger gewordene transatlan­tische Beziehung zwischen den USA und Europa treiben zu können: „Wir hoffen, dass Europa, das das Leiden durch den Krieg in der Ukraine durchgemac­ht hat, von seinem Schmerz lernt und wirklich strategisc­he Autonomie und langfristi­ge Stabilität erreicht“, sagt Qin Gang.

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Foto: Andy Wong, dpa Chinas neuer Außenminis­ter Qin Gang in Peking.

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