Endlich wieder im großen Stil musizieren
Eineinhalb Jahre lang waren die Zusammenkünfte des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters wegen Corona nicht möglich. Erstmals probt das von Carolin Nordmeyer geleitete Ensemble nun wieder ein Konzertprogramm
Vor drei Jahren hat Carolin Nordmeyer die Leitung des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters übernommen, eine Aufgabe, die eine durchaus stolze Tradition fortführen sollte. Steuerte doch seinerzeit das Auswahlorchester auf sein 60-jähriges Jubiläum zu, und Carolin Nordmeyer war die erste Frau an der Spitze des Ensembles, das trotz der im Namen mitgeführten „Jugend“sich regelmäßig und unter professioneller Führung die ganz großen Werke des sinfonischen Repertoires erarbeitet. Sieht man einmal ab von der noch unbeschadet absolvierten Jubiläums-Saison 2019, hat sich Carolin Nordmeyer ihre ersten Jahre beim Schwäbischen Jugendsinfonieorchester – kurz SJSO genannt – aber doch völlig anders vorgestellt, als sie sich letztlich darboten. Und das lag, man ahnt es schon, an Corona.
Als ausgewachsenes Sinfonieorchester, das stets um die 60, 70 junge Musikerinnen und Musiker aus ganz Schwaben und darüber hinaus vereinigt, ist das SJSO seit jener letzten Jubläums-Arbeitsphase im Herbst 2019 zwei Jahre lang nicht in gewohnter Stärke zusammengekommen. Voller Schwung vom Jubiläum, erinnert sich Carolin Nordmeyer im Gespräch, sei man ins Jahr 2020 gegangen, für die neu aufzunehmenden Instrumentalisten seien sogar noch Probespiele abgehalten worden vor der traditionellen Frühjahrs-Arbeitsphase, die in der Woche nach Ostern hätte stattfinden sollen. Dann kam Corona, kam der erste Lockdown: „Wir wurden in vollem Lauf gestoppt.“Der Bezirk als Träger des SJSO verschickte Absagen an die jungen Musiker, allenthalben war die Enttäuschung riesig. Und doch, sagt die 46-Jährige heute, sei das damals noch gut verschmerzbar, weil ohne Alternative gewesen, und die Pandemie würde ja bald wieder vorüber sein. Dachte man …
Der Sommer 2020 kam, die Lockerungen setzten ein, die Vorfreude stieg empor auf einen Herbst, der wie alle vorigen voller Kultur sein würde und in dem auch das Jugendorchester zu seiner Herbst-Probenphase mitsamt Konzerten zusammenfinden würde. Eine Hoffnung, die mit den täglich steigenden Inzidenzen aber rasch wieder zerstob. Da war die Gefühlslage dann schon anders als noch im Frühjahr, „Ich spürte“, sagt Carlin Nordmeyer, „einen fast schon körperlichen Schmerz.“Da aber war die Reihe der Corona-bedingten Absagen noch nicht zu Ende.
Noch im Spätsommer des vergangenen Jahres war beschlossen worden, in den Herbstferien im November 2020 eine Sonder-Arbeitsphase zu veranstalten, mit deutlich verkleinerter Orchesterbesetzung und verkürztem Programm. Keine Chance, die Infektionszahlen stiegen weiter und weiter, ein Impfstoff war noch nicht freigegeben. „Damals bin ich in ein tiefes Loch gefallen“, erinnert sich Nordmeyer. Das quirlige Miteinander mit den jungen Musikbegeisterten fehlte ihr ebenso wie der Austausch mit den erfahrenen Dozenten der einzelnen Instrumentengruppen. Der Jahreswechsel 2020/21, eine Zeit der nicht zustande kommenden Pläne – auch der Termin für die Frühjahrs-Phase an Ostern musste preisgegeben werden.
Doch jetzt, endlich, hat die Corona-Lage die Zusammenkunft der Musiker in voller Stärke wieder zugelassen – seit dem Wochenende probt das Orchester in der Schwäbischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte in Babenhausen Wagner, Beethoven und ein Werk des 20. Jahrhunderts. Natürlich unter Einhaltung der üblichen Hygieneregeln, mit eng getakteten Tests und mit größeren Abständen zumindest zwischen den Bläsern des Orchesters.
Auf die Frage, ob Corona an der Musikbegeisterung der jungen Instrumentalisten einen nicht wiedergutzumachenden Schaden hinterlassen hat, antwortet Nordmeyer differenziert. „Dramatische Folgen“sehe sie derzeit noch nicht; die Dirigentin will solche aber auch nicht ausschließen. Dass etwa der Instrumentalunterricht nur online erfolgen konnte, könne durchaus noch Nachwirkungen haben. Dass die Pandemie den klassikbegeisterten jungen Leuten aber in einer wichtigen Phase ihrer Selbstfindung einen Strich durch die Rechnung machte, das hält sie für ebenso ausgemacht wie bedenklich – weil Nordmeyer zufolge eben nur ein „schmales Zeitfenster“bestehe, „in dem junge Menschen darüber entscheiden, ob sie die Musik zum Beruf machen sollen oder eben nicht.“Ein Zeitraum, in dem zur Entscheidungsfindung eben auch ein Auswahlorchester einen Beitrag leisten könne als „riesiger Motivationsfaktor“.
Nordmeyer hofft, dass das nun in Babenhausen wieder möglich sein wird, wenn die Musikerinnen und Musiker sich mit der romantischen Klangwelt von Wagners „Rienzi“-Ouvertüre vertraut machen, bei Maurizio Kagels „Zehn Märschen, um den Sieg zu verfehlen“lernen, kunstvoll aus dem Gleichschritt zu kommen, und in Beethovens 5. Sinfonie – Reminiszenz an das verpasste Beethoven-Jahr 2020 – ein „Durch Nacht zum Licht“-Konzept zum Klangereignis werden lassen. „Ich freu’ mich unbändig darauf“versichert Orchesterleiterin Nordmeyer und strahlt dabei dermaßen, dass man der früheren 2. Kapellmeisterin des Theaters Augsburg auch bedingungslos glaubt, wenn sie sagt, das SJSO sei für sie auch weiterhin „eine Herzensangelegenheit“.