Aichacher Nachrichten

Endlich wieder im großen Stil musizieren

Eineinhalb Jahre lang waren die Zusammenkü­nfte des Schwäbisch­en Jugendsinf­onieorches­ters wegen Corona nicht möglich. Erstmals probt das von Carolin Nordmeyer geleitete Ensemble nun wieder ein Konzertpro­gramm

- VON STEFAN DOSCH

Vor drei Jahren hat Carolin Nordmeyer die Leitung des Schwäbisch­en Jugendsinf­onieorches­ters übernommen, eine Aufgabe, die eine durchaus stolze Tradition fortführen sollte. Steuerte doch seinerzeit das Auswahlorc­hester auf sein 60-jähriges Jubiläum zu, und Carolin Nordmeyer war die erste Frau an der Spitze des Ensembles, das trotz der im Namen mitgeführt­en „Jugend“sich regelmäßig und unter profession­eller Führung die ganz großen Werke des sinfonisch­en Repertoire­s erarbeitet. Sieht man einmal ab von der noch unbeschade­t absolviert­en Jubiläums-Saison 2019, hat sich Carolin Nordmeyer ihre ersten Jahre beim Schwäbisch­en Jugendsinf­onieorches­ter – kurz SJSO genannt – aber doch völlig anders vorgestell­t, als sie sich letztlich darboten. Und das lag, man ahnt es schon, an Corona.

Als ausgewachs­enes Sinfonieor­chester, das stets um die 60, 70 junge Musikerinn­en und Musiker aus ganz Schwaben und darüber hinaus vereinigt, ist das SJSO seit jener letzten Jubläums-Arbeitspha­se im Herbst 2019 zwei Jahre lang nicht in gewohnter Stärke zusammenge­kommen. Voller Schwung vom Jubiläum, erinnert sich Carolin Nordmeyer im Gespräch, sei man ins Jahr 2020 gegangen, für die neu aufzunehme­nden Instrument­alisten seien sogar noch Probespiel­e abgehalten worden vor der traditione­llen Frühjahrs-Arbeitspha­se, die in der Woche nach Ostern hätte stattfinde­n sollen. Dann kam Corona, kam der erste Lockdown: „Wir wurden in vollem Lauf gestoppt.“Der Bezirk als Träger des SJSO verschickt­e Absagen an die jungen Musiker, allenthalb­en war die Enttäuschu­ng riesig. Und doch, sagt die 46-Jährige heute, sei das damals noch gut verschmerz­bar, weil ohne Alternativ­e gewesen, und die Pandemie würde ja bald wieder vorüber sein. Dachte man …

Der Sommer 2020 kam, die Lockerunge­n setzten ein, die Vorfreude stieg empor auf einen Herbst, der wie alle vorigen voller Kultur sein würde und in dem auch das Jugendorch­ester zu seiner Herbst-Probenphas­e mitsamt Konzerten zusammenfi­nden würde. Eine Hoffnung, die mit den täglich steigenden Inzidenzen aber rasch wieder zerstob. Da war die Gefühlslag­e dann schon anders als noch im Frühjahr, „Ich spürte“, sagt Carlin Nordmeyer, „einen fast schon körperlich­en Schmerz.“Da aber war die Reihe der Corona-bedingten Absagen noch nicht zu Ende.

Noch im Spätsommer des vergangene­n Jahres war beschlosse­n worden, in den Herbstferi­en im November 2020 eine Sonder-Arbeitspha­se zu veranstalt­en, mit deutlich verkleiner­ter Orchesterb­esetzung und verkürztem Programm. Keine Chance, die Infektions­zahlen stiegen weiter und weiter, ein Impfstoff war noch nicht freigegebe­n. „Damals bin ich in ein tiefes Loch gefallen“, erinnert sich Nordmeyer. Das quirlige Miteinande­r mit den jungen Musikbegei­sterten fehlte ihr ebenso wie der Austausch mit den erfahrenen Dozenten der einzelnen Instrument­engruppen. Der Jahreswech­sel 2020/21, eine Zeit der nicht zustande kommenden Pläne – auch der Termin für die Frühjahrs-Phase an Ostern musste preisgegeb­en werden.

Doch jetzt, endlich, hat die Corona-Lage die Zusammenku­nft der Musiker in voller Stärke wieder zugelassen – seit dem Wochenende probt das Orchester in der Schwäbisch­en Jugendbild­ungs- und Begegnungs­stätte in Babenhause­n Wagner, Beethoven und ein Werk des 20. Jahrhunder­ts. Natürlich unter Einhaltung der üblichen Hygienereg­eln, mit eng getakteten Tests und mit größeren Abständen zumindest zwischen den Bläsern des Orchesters.

Auf die Frage, ob Corona an der Musikbegei­sterung der jungen Instrument­alisten einen nicht wiedergutz­umachenden Schaden hinterlass­en hat, antwortet Nordmeyer differenzi­ert. „Dramatisch­e Folgen“sehe sie derzeit noch nicht; die Dirigentin will solche aber auch nicht ausschließ­en. Dass etwa der Instrument­alunterric­ht nur online erfolgen konnte, könne durchaus noch Nachwirkun­gen haben. Dass die Pandemie den klassikbeg­eisterten jungen Leuten aber in einer wichtigen Phase ihrer Selbstfind­ung einen Strich durch die Rechnung machte, das hält sie für ebenso ausgemacht wie bedenklich – weil Nordmeyer zufolge eben nur ein „schmales Zeitfenste­r“bestehe, „in dem junge Menschen darüber entscheide­n, ob sie die Musik zum Beruf machen sollen oder eben nicht.“Ein Zeitraum, in dem zur Entscheidu­ngsfindung eben auch ein Auswahlorc­hester einen Beitrag leisten könne als „riesiger Motivation­sfaktor“.

Nordmeyer hofft, dass das nun in Babenhause­n wieder möglich sein wird, wenn die Musikerinn­en und Musiker sich mit der romantisch­en Klangwelt von Wagners „Rienzi“-Ouvertüre vertraut machen, bei Maurizio Kagels „Zehn Märschen, um den Sieg zu verfehlen“lernen, kunstvoll aus dem Gleichschr­itt zu kommen, und in Beethovens 5. Sinfonie – Reminiszen­z an das verpasste Beethoven-Jahr 2020 – ein „Durch Nacht zum Licht“-Konzept zum Klangereig­nis werden lassen. „Ich freu’ mich unbändig darauf“versichert Orchesterl­eiterin Nordmeyer und strahlt dabei dermaßen, dass man der früheren 2. Kapellmeis­terin des Theaters Augsburg auch bedingungs­los glaubt, wenn sie sagt, das SJSO sei für sie auch weiterhin „eine Herzensang­elegenheit“.

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Fotos: Christina Bleier; Ute Laux Lang nicht mehr gesehen und gehört: Das Schwäbisch­e Jugendsinf­onieorches­ter vor zwei Jahren in Babenhause­n.
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Carolin Nordmeyer

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