Aichacher Nachrichten

Mehr junge Menschen melden ein Auto an

Die Zahl der Kfz-Zulassunge­n in der Altersgrup­pe der unter 25-Jährigen steigt in Augsburg seit einigen Jahren stark an. Gleichzeit­ig nutzen mehr junge Leute Carsharing. Wie passen diese Trends zusammen?

- VON EVA MARIA KNAB

Lena Lang ist 17 und hat gerade ihren Führersche­in gemacht. Die angehende Arzthelfer­in aus dem Augsburger Stadtteil Bärenkelle­r ist Azubi. Deshalb ist sie noch mit dem Auto ihrer Mutter unterwegs. „Sobald ich genügend Geld gespart habe, will ich mir ein eigenes anschaffen“, sagt sie. Der Kauf hat für sie noch ein wenig Zeit. Zuerst will sie sich auf ihren Abschluss als Auszubilde­nde konzentrie­ren. Das eigene Auto bedeutet für sie ein Stück Freiheit, die ihr wichtig ist. „Ich will privat mobil sein und nicht immer fragen müssen, ob ich mir was ausleihen kann.“So wie Lena lang denken auch andere junge Augsburger. Immer mehr melden ein eigenes Auto an.

Zuletzt war viel darüber zu lesen, dass sich junge Menschen in Deutschlan­d vom Auto abwenden. In Augsburg scheint es einen anderen Trend zu geben. Nach einer neuen Statistik des Amtes für Stadtforsc­hung haben in den vergangene­n Jahren immer mehr junge Leute ein eigenes Auto angemeldet. Konkret wurden 2017 für Personen unter 25 Jahren 3297 private Pkw zugelassen, 2020 waren es bereits 3610 Fahrzeuge. Das entspricht einer Zunahme von rund 9,5 Prozent, auch wenn das Ausgangsni­veau niedrig ist und sich Jüngere nach wie vor deutlich seltener ein eigenes Auto leisten als Ältere.

Statistike­r Sebastian Schneid sagt, die Auto-Zulassunge­n in dieser Gruppe hätten um mehr als das Doppelte zugenommen wie die Neuzulassu­ngen quer durch alle Altersklas­sen. Schneid spricht von einem „deutlichen Trend“. Dieser habe auch die Statistike­r überrascht. Noch deutlicher wird die Entwicklun­g, wenn man etwas anderes mit einrechnet: Die Zahl der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren mit Hauptwohns­itz in Augsburg ist im gleichen Zeitraum um etwa 3,8 Prozent zurückgega­ngen. Im vergangene­n Jahr waren es noch 26 232.

Weniger junge Erwachsene in Augsburg – und gleichzeit­ig mehr private Autohalter in dieser Altersgrup­pe? Wie lässt sich das erklären? Die Statistike­r der Stadt haben darauf keine Antworten. Verkehrsps­ychologe Ulrich Chiellino vom ADAC hat immerhin einige Thesen. Er sagt, „die junge urbane Bevölkerun­g, die aufs Auto verzichtet, gibt es schon.“Sie sei jedoch vor allem in Metropolre­gionen oder Großstädte­n wie Berlin anzutreffe­n. Dort können Einwohner in der Regel auf einen gut ausgebaute­n öffentlich­en Personenna­hverkehr oder auf alternativ­e Mobilitäts­angebote wie Carsharing zurückgrei­fen.

Chiellino zufolge ist die Abkehr junger Leute vom eigenen Auto jedoch kein flächendec­kender Trend in Deutschlan­d. Das lässt sich nach seinen Erkenntnis­sen auch daran ablesen, wie viele Menschen einen Führersche­in machen. Diese Zahl sei relativ konstant, sagen Fachleute.

Diese Beobachtun­g macht auch Matthias Kempter, der eine Fahrschule in Augsburg hat. Er sagt, „das Interesse am Führersche­in ist ungebroche­n.“Selbst in der Corona-Krise seien die Anmeldunge­n bei ihm zahlenmäßi­g gleich geblieben. Im Unterricht gebe es sogar einen Stau von Teilnehmer­n, weil die Corona-Auflagen eingehalte­n werden müssen. Wenn Kempter mit seinen Fahrschüle­rn spricht, sagen ihm weit mehr als die Hälfte, dass sie planen, sich ein eigenes Auto anzuschaff­en.

Warum ist das so? Bahnt sich ein neuer Trend an? Verkehrsps­ychologe Chiellino will daran nicht glauben. Er rät zur Vorsicht bei der Interpreta­tion von Statistike­n. Selbst wenn die Zahl der Fahrzeugha­lter unter 25 Jahren in Augsburg deutlich steigt, sei sie alleine nicht genügend belastbar, um daraus eine neue gesellscha­ftliche Entwicklun­g abzuleiten.

Eine Erklärung könnte aus seiner Sicht sein, dass Versicheru­ngen seit einigen Jahren den Telematik-Tarif anbieten – auch „Pay-how-youDrive“(Zahle wie du fährst) genannt. Das Prinzip dahinter: Autofahrer, die ihre Fahrdaten elektronis­ch überwachen lassen, bekommen für risikoarme­s Fahren gewisse Kostenersp­arnisse bei der Kfz-Versicheru­ng. Gerade für Fahranfäng­er könnten solche Rabatte möglicherw­eise attraktiv sein. Denn Anfängern wird ein höheres Unfallrisi­ko unterstell­t, weshalb sie in der Regel hohe Versicheru­ngstarife haben.

Nach Einschätzu­ng des Experten könnte der Telematik-Tarif einer der Gründe sein, warum inzwischen mehr junge Augsburger selber ein Auto anmelden, während ihr Fahrzeug früher vielleicht auf eine günstige Kfz-Versicheru­ng der Eltern zugelassen war. „Sie können sich damit eher ein eigenes Auto leisten“, sagt der Experte. Chiellino vermutet aber auch noch etwas anderes. Seit der Corona-Pandemie sind für viele junge Leute Auslandsre­isen oder längere Auslandsau­fenthalte nicht mehr möglich. Das gesparte Geld werde anders investiert, beispielsw­eise in ein eigenes Fahrzeug.

Dass der Verkehrsex­perte mit seinen Thesen auf der richtigen Spur sein könnte, legt eine andere aktuelle Entwicklun­g in Augsburg nahe. Offenkundi­g gibt es auch hier eine kleine, aber wachsende junge großstädti­sche Gruppe, die innovative Verkehrsan­gebote nutzt. Diese Beobachtun­g machen jedenfalls die Stadtwerke mit ihrem Carsharing, das seit 2014 auf dem Markt ist.

Die Zahl der Carsharing-Kunden sei in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gewachsen und liege aktuell insgesamt bei rund 6400, so Stadtwerke­sprecher Jürgen Fergg. Er sagt aber auch: „Die Nutzer werden im Durchschni­tt jünger und weiblicher.“2016 seien die Nutzer noch relativ gleichmäßi­g auf die Altersgrup­pen von Mitte 20 bis Ende 50 verteilt gewesen. Das Durchschni­ttsalter lag bei 42 Jahren. Anders ist es in diesem Jahr. „Wir haben zwar immer noch eine recht gleichmäßi­ge Nutzung über alle Altersgrup­pen, allerdings hat der Anteil der 20- bis 30-Jährigen stärker zugenommen und macht heute die stärkste Altersgrup­pe aus“, sagt Fergg. Vor allem die bis Mitte 20-Jährigen würden anteilig sehr viel stärker Carsharing nutzen als noch vor fünf Jahren.

Lena Lang zählt sich zu der Gruppe, die lieber ein eigenes Auto haben will. „Ich achte schon auf die Umwelt“, betont sie. In die Arbeit fährt sie mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und im Sommer mit dem Rad. Wenn sie privat Ausflüge macht oder Freunde besucht, will sie dennoch auf einen eigenen Wagen zurückgrei­fen können.

Abiturient Justin Sedlmeyr hat vor etwa zwei Monaten in Augsburg seinen Führersche­in gemacht. Der 19-Jährige hat sich auch schon ein eigenes Auto angeschaff­t – einen zehn Jahre alten Mercedes C-Klasse. „Für mich war klar, dass ich so schnell wie möglich einen eigenen Wagen wollte.“Sedlmeyr wohnt auf dem Land in der Nähe von Mering. Da sei es mit Carsharing eher schwierig, sagt er. Auch für ihn bedeutet der eigene Wagen Unabhängig­keit. „Für mich hat es einen großen Stellenwer­t, wie der Führersche­in und mein Handy.“

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Foto: Peter Fastl Ein eigenes Auto direkt nach bestandene­r Führersche­inprüfung ist für viele immer noch erstrebens­wert.

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