Das Haus der Kunst bleibt Baustelle
Als Kriegskind geboren, wurde der britischen Bildhauerin Phyllida Barlow der Aufbau im Land zur Inspirationsquelle. Nun zeigt sie eine Werkschau in München
München Wer diese Ausstellung besucht – und viele Tage dürften dafür bei den steigenden Inzidenzzahlen nicht unbedingt zur Verfügung stehen –, der sollte ein wenig Vertrauen in die statischen Erfahrungen der britischen Künstlerin Phyllida Barlow (*1944 in Newcastle upon Tyne) mitbringen. Das Labile oder scheinbar Labile der Skulpturen dieser einstigen Professorin der Slade School of Fine Art in London geht nicht selten Hand in Hand mit einer sich regelrecht auftürmenden Monumentalität. Behelfsmäßig sieht das an der einen Stelle aus und an einer anderen einsturzgefährdet; windig wirkende Lattenkonstruktionen treffen auf schwere, überhängend balancierende Betongüsse.
Dann wieder scheinen sich in die große Halle des Münchner Hauses der Kunst Steinplatten und Steinklötze zu ergießen, ein massiver Schwall, der überlastete Säulen und Stützen mitzureißen droht. Und aneben haben sich quasi durch die Wand Granitplatten gebohrt, die überworfen sind mit Stoffbahnen, Fahnen nicht unähnlich.
Wenn Phyllida Barlow bei der venezianischen Biennale 2017 den kleinen britischen Pavillon mit ihrer großen Kunst geradezu planvoll abfüllte, so abfüllte, dass die Betrachter sich ab-, weg- und rausgedrängt vorkommen konnten, so füllt sie nun das Haus der Kunst zwar wieder raum(höhen)greifend, kompakt, dicht – aber auch in einem stärker ausgeglichenen Verhältnis von Masse und Raumvolumen. An Präsenz mangelt es ihren Raumkörpern gewiss nicht; und sollte die vielleicht bizarr-schönste Skulptur beim Namen genannt werden, so lautet ihr Titel „towerholder“(2020). Auch hier lässt sich sprachlich kaum festhalten, was sie sein könnte.
Dabei ist die Grundinspirationsquelle der Phyllida Barlow, die erfolgreiche Schüler wie Rachel Whiteread, Douglas Gordon und Bill Woodrow ausbildete, durchaus offengelegt. Auf das Kriegskind machten die Baustellen der Nachkriegszeit großen Eindruck, und so findet manches an skulpturalen Gebilden der Baubranche bis heute überhöhten Eingang in ihre (archi)tektonische Großkunst von einst kunstunwürdigen Materialien: Auffangnetze, Bauschutthaufen, Armaturenlager, Paletten, Verschalungen, Gerüste.
Es entsteht eine ganz eigene Welt, ein ganz eigener (Ent-)Wurf von Ruine, Provisorium, Reparatur, Wiederaufbau. Ja, doch, das Haus der Kunst bleibt vorerst eine Baustelle ...
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Ausstellung lineTickets
Bis 25. Juli, nur mit On