„Querlenker“am Kanzleramt
Wie vor sechs Jahren: Ein Kombi fährt mit handgeschriebenen Botschaften vor. Polizei nimmt den verwirrten Fahrer wieder fest
Berlin Die erste Aufregung war groß. Ein Auto sei ins Eingangstor des Bundeskanzleramtes in Berlin gekracht, hieß es im Internet. Ein Anschlag? Schnell verbreiteten sich Fotos. Direkt am Tor zur Einfahrt in den Amtssitz von Angela Merkel (CDU) stand ein dunkelgrüner Kombi, auf den Seiten standen aufgemalte politische Botschaften. Der Wagen war gegen das Tor gefahren – eher langsam als mit Wucht. Zudem war der Fahrer offenbar verwirrt und vor sechs Jahren schon mal aufgefallen.
Ein Terroranschlag war rasch ausgeschlossen. Mit seinem Golf Kombi, Nummernschild aus dem Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen, war der 54-Jährige gegen das Zufahrtstor gefahren. Zwei Metallstäbe wurden eingedrückt. Bundespolizisten nahmen den Mann fest, der sich leicht verletzt hatte. Berlins Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte später, der Mann sei mit „sehr geringer Geschwindigkeit gefahren, sodass auch nur sehr geringer Sachschaden am Tor und an dem Fahrzeug entstand“. Auf der Fahrerseite des Autos stand aufgemalt: „Ihr verdammten Kinder- und alte Menschen-Mörder“. Auf der Beifahrerseite hieß es: „Stop der Globalisierungs-Politik“. Es stellte sich die Frage, ob die Aktion im Kontext mit den Maßnahmen gegen die CoronaPandemie stehen könnte. Denn der Vorfall ereignete sich während der Sitzung des Bundeskabinetts. Polizeisprecher Cablitz ließ das offen: „Ob es sich um einen psychischen Zustand oder eine andere Motivation handelt, wird aktuell geklärt.“Es könne nur spekuliert werden, „ob es sich um einen symbolischen Akt handelte oder Aufmerksamkeit erregt werden sollte“. Später wurde vom Innenministerium bestätigt, dass der Mann bereits 2014 an der Regierungszentrale eine fast identische Tat beging: Damals war derselbe Mann mit demselben Auto gegen den Zaun gefahren. Auf der linken Autoseite stand damals: „Nicole, ich liebe dich“, auf der anderen Seite: „Schluss mit dem Menschen tötenden Klimawandel“. Auch damals wurde der Mann festgenommen.
Diesmal äußerte sich der Fahrer gegenüber der Polizei. Inhaltlich wurde dazu aber nichts verraten. Er werde vernommen, dann entscheide man, wie weiter mit ihm verfahren werde, so der Polizeisprecher. Merkel, ihre Minister und Mitarbeiter seien durch den Vorfall mit dem alten Golf nicht in Gefahr gewesen, betonten ein Regierungssprecher und die Bundespolizei umgehend. „Die Sicherheitsmaßnahmen am Kanzleramt haben sich bewährt“, twitterte die Bundespolizei.
Viele Reaktionen im Internet fielen eher amüsiert aus: „Einmal alle sechs Jahre“, twitterte einer. Oder: „Bestimmt ein Querlenker“. Andreas