Aichacher Nachrichten

Zugfahren war ihm „zu doof“

25-Jähriger nutzt ohne zu fragen mehrmals Firmenwage­n, obwohl er keinen Führersche­in hat. Wie er auffliegt

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Er hatte keinen Führersche­in und fuhr mit einem Auto, das ihm nicht gehörte. Und das nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals. Bei der Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t Aichach gab der 25-Jährige aus dem Nachbarlan­dkreis NeuburgSch­robenhause­n alles zu. Seine Begründung: „Zugfahren war mir zu doof.“Das brachte ihm eine Anklage wegen vorsätzlic­hen Fahrens ohne Führersche­in und unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges ein.

Einen Führersche­in hatte der Angeklagte nie besessen. Zuerst habe ihm dafür das nötige Kleingeld gefehlt, dann sei er bei der Fahrschule aufgrund seiner Vorstrafen zu den Praxisstun­den nicht zugelassen worden, erzählte der 25-Jährige ganz offen. Fahren konnte er trotzdem. Das habe er während seiner Zeit als Automechan­iker auf dem Hof des Betriebs gelernt, sagte der Angeklagte aus. Als er im Oktober vergangene­n Jahres eine neue Arbeitsste­lle in Augsburg antrat, fuhr er mit dem Zug dorthin. Rund 50 Minuten, einschließ­lich zweimal umsteigen, dauerte die Fahrt. Nach rund drei Wochen hatte der 25-Jährige genug davon und nutzte die Gelegenhei­t, dass er bei seinem Arbeitgebe­r so leicht an die Schlüssel für die Firmenwage­n kam.

Er nahm sich, ohne seinen Arbeitgebe­r zu fragen, ein Auto aus dem Fuhrpark und fuhr damit rund 40 Kilometer nach Hause – über die Autobahn und die Bundesstra­ße. Nachts fuhr er die gleiche Strecke wieder zurück, tankte das Auto auf dem Firmengelä­nde auf und fuhr wieder heim. Noch zwei weitere Male war er laut Anklage mit dem Auto in die Arbeit und nach Hause gefahren, bevor er aufflog.

Ausgerechn­et das Tanken brach dem 25-Jährigen das Genick. Weil er knapp bei Kasse war, wollte er mit der Firmentank­karte, die er im Auto gefunden hatte, im Landkreis Aichach-Friedberg tanken. Die Tankstelle akzeptiert­e die Karte jedoch nicht. Als der Angeklagte seine Schulden von rund 50 Euro auch am nächsten Tag nicht beglichen hatte, wandte sich der Tankstelle­nbetreiber mit einem Foto des 25-Jährigen an dessen Arbeitgebe­r.

„Fast eine gewisse Komik“hatte die ganze Geschichte für Staatsanwä­ltin Beate Christ. Überhaupt nicht lustig fand sie jedoch, dass der

Angeklagte im Laufe der vergangene­n zehn Jahre mehrmals vor allem wegen Diebstahls vor Gericht gestanden hatte. Obwohl er, wie im aktuellen Fall, unter offener Bewährung handelte, hatte er immer wieder Richter gefunden, die ihn erneut zu Bewährungs­strafen verurteilt­en und nicht ins Gefängnis schickten.

Vielleicht sei das das Problem des Angeklagte­n, dass er zu oft eine zweite und dritte Chance bekommen habe, überlegte die Staatsanwä­ltin. Die Aussage des 25-Jährigen, er habe sich mit der Autofahrt Zeit sparen wollen, ließ sie nicht gelten. Er hatte damit nur rund zehn Minuten eingespart. Christ plädierte für eine achtmonati­ge Haftstrafe sowie eine Führersche­insperre von 18 Monaten.

Verteidige­r Klaus Rödl wies darauf hin, dass sein Mandant „freimütig

und ohne rumzulavie­ren“alles eingeräumt habe. Außerdem habe der junge Mann jetzt einen Arbeitspla­tz in seinem Wohnort und komme nicht mehr in Versuchung, Auto zu fahren. Rödl ging davon aus, dass bei seinem Mandanten „eine gewisse Reifung“eingetrete­n war, und bat um eine milde Strafe. Die Höhe stellte der Verteidige­r ins Ermessen des Gerichts.

Obwohl der Angeklagte auf ihn einen guten Eindruck machte, verurteilt­e Amtsrichte­r Walter Hell ihn zu der von Christ geforderte­n Haftstrafe und der Führersche­insperre. „Bewährung kann ich nicht mehr geben“, sagte der Richter mit Blick auf die Vorstrafen des 25-Jährigen. Er war überzeugt: „Sie wären weitergefa­hren, wenn man Sie nicht erwischt hätte.“

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