Crash-Gefahr beim Auto-Gipfel
Umweltschützer, Politik und Industrie streiten über Art von Kaufprämien
München/Stuttgart/Hannover Es gibt viele Videokonferenzen in Deutschland in diesen Tagen, aber eine am Mittwoch hat es besonders in sich. Wenn die Ministerpräsidenten der „Autoländer“Bayern, BadenWürttemberg und Niedersachsen beratschlagen, geht es um die deutsche Kernindustrie, rund 800000 Arbeitsplätze – und gleich zwei Fragen: Soll der Staat in der CoronaKrise helfen? Und vor allem: wie?
Für Deutschlands Schlüsselbranche ist das Rezept klar, es soll vor allem sehr viel Geld fließen. Ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) sagte, es müssten sich „Nachfrageimpulse in der breiten Wirkung entfalten“. VW-Chef Herbert Diess hat für Kaufprämien geworben, BMW-Chef Oliver Zipse auch. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder brachte eine „Innovationsprämie“ins Spiel, um den Absatz alternativ angetriebener Autos zu fördern.
Aber Elektroautos sind immer noch ein Nischenprodukt, erzielt man damit Wirkung in der Breite? Oder müssten auch Verbrenner und Diesel gefördert werden, um den Markt anzukurbeln? Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sagt: „Den modernen Verbrennungsmotor jetzt ganz auszuklammern, hieße, bestehende Strukturen und Arbeitsplätze massiv zu gefährden.“
Hier entlang wird die Konfliktlinie verlaufen – und Klimaschützer verfolgen diesen Streit ganz genau. Sie warnen vor einer Kopie der „Abwrackprämie“, durch die der Staat nach der Weltfinanzkrise 2008 mit rund fünf Milliarden Euro den Kauf neuer Autos bezuschusste. Die Prämie von 2500 Euro für jeden Neukauf war umstritten, weil viele Bürger Autos ausländischer Hersteller erwarben oder nur den Zuschuss einstrichen, obwohl sie ohnehin ein neues Auto hätten kaufen müssen – und dieser unabhängig von Größe oder Verbrauch des Autos gezahlt wurde. Die „Initiative Neues Wirtschaftswunder für eine sozial-ökologische Transformation“warnte gerade in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel explizit, nach der Finanzkrise seien Milliarden in „klar ökologisch kontraproduktive Maßnahmen“geflossen, „wie etwa die sogenannte Abwrackprämie“.
Eigentlich hat die deutsche Automobilindustrie die Notwendigkeit eines Strukturwandels – Stichworte: Abgasskandal, E-Mobilität und Digitalisierung – immer wieder beteuert. Doch wird die Corona-Not dafür einfach zu groß? Laut VDA wurden in Deutschland im März 38 Prozent weniger Autos zugelassen, der höchste Rückgang auf dem Automarkt in einem Monat seit der Wiedervereinigung. Bertram Brossardt kennt als Hauptgeschäftsführer der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände die Zwänge der Autoindustrie und sagt: „Wir erwarten, dass sich die Automobilländer auf einen gemeinsamen Standpunkt zu staatlichen Rahmenbedingungen verständigen, um aus coronabedingten, aber zugleich länger bestehenden strukturbedingten Problemen herauszukommen. Dazu gehören innovative Anreizsysteme.“Auch die Klimabeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Anja Weisgerber, wehrt sich nicht gegen Hilfsbegehren, warnt jedoch: „Es muss gelten: Je niedriger die Emissionen, je nachhaltiger das Auto – desto höher die Prämie.“Der „kleine Auto-Gipfel“der drei Ministerpräsidenten soll ein Treffen von Kanzlerin Merkel mit den Chefs der Autokonzerne am 5. Mai vorbereiten. Dann könnte es neben der Kaufprämie um weitere Steuererleichterungen gehen, etwa für Dienstwagen. Umweltschützer sehen solche Pläne kritisch, weil Dienstwagen wegen ihrer Größe meist viel verbrauchen.