Der Ski für den perfekten Schwung
Messe Auf der Ispo in München präsentieren Hersteller auch die neuesten Innovationen für die Piste. Der Markt für den Wintersport ist klein und umkämpft. Doch gegen einen Konkurrenten muss die Branche gemeinsam eine Lösung finden
München Es sind eigentlich perfekte Bedingungen momentan in Bayern – zum Skifahren und für die Hersteller von Wintersportartikeln, die derzeit auf der weltgrößten Sportmesse in München präsentieren. Hilmar Bolle, Deutschlandchef des französischen Skiherstellers Rossignol, ist jedenfalls überzeugt, dass sich das Wetter auch positiv auf die Verkaufszahlen auswirken kann. Skifahren habe etwas mit Emotionen zu tun, und wenn vor den Messehallen der Schnee glitzert, dann versetze das die Einkäufer direkt in deren letzten Urlaub auf der Piste. Eine Neuerung auf der diesjährigen Ispo, die am heutigen Mittwoch zu Ende geht, gefällt Bolle besonders: Erstmals sind alle großen Skihersteller gemeinsam in einer Halle. „Wir sind ein kleiner Markt und müssen zusammenhalten“, sagt er.
Eine Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln kam 2018 zu dem Ergebnis, dass rund acht Millionen Deutsche Ski fahren. Doch trotz dieser Zahlen sieht Bolle ein Problem: „Die Pisten sind überaltert. Wir müssen die Kinder auf die Ski bringen und die Jugendlichen dort halten“, sagt er. Die Antwort von Rossignol: Sponsoring im Nachwuchsbereich. Ausrüstung bedruckt mit Disneyfiguren, Einhörnern oder einer als Batman verklei- deten Katze. Einen Grund für den Trend sieht er darin, dass immer mehr Menschen in den Städten wohnen. Nur noch wenige Schulen würden mit den Jugendlichen Skireisen unternehmen.
David Primozic ist Produktmanager beim slowenischen Skihersteller Elan. Er sagt: „Unsere größte Konkurrenz sind nicht Atomic oder Head. Es ist das Smartphone.“Die Herausforderung für die Hersteller sei, die Menschen für den Sport zu begeistern. Eine interessante Zielgruppe sind Erwachsene, die das Skifahren neu lernen. So stellt Elan auf der Ispo das Modell „Element“vor, das dank einer Technologie namens Groove für eine bessere Balance auf den Brettern sorgen soll. Die Preise für das Modell starten bei rund 400 Euro. Wirklich bahnbrechende Innovationen im Skibereich erwartet Primozic nicht. Der Sport sei sehr spezifisch, den letzten großen Durchbruch habe es vor über 20 Jahren mit Skiern aus Carbon gege- ben. An einer Sache feilt die Branche aber ganz beständig: Am perfekten Schwung bei ganz unterschiedlichen Pistenbedingungen.
Eine weitere Erkenntnis der Studie aus dem Jahr 2018 war, dass sich die acht Millionen deutschen Skifahrer immer weniger Ausrüstung kaufen. Möglicherweise liege das daran, dass es für die Aktiven immer weniger wichtig werde, alle zwei bis drei Jahre und für jede Gelegenheit neue Skier zu kaufen, so die Interpretation der Studienautoren.
Viele Hersteller präsentieren deshalb auf der Ispo quasi die eierlegende Wollmilchsau in Bretterform: Allround-Skier für möglichst viele Pisten und Leistungsniveaus. Ein Trend, der aus den Vereinigten Staaten und Skandinavien kommt und allmählich auch in die Alpenregion vordringt. Andreas Mann, der beim deutschen Skihersteller Völkl für die Produktentwicklung zuständig ist, sagt über seine hiesigen Kunden: „Deutsche sind Pistenfahrer und legen Wert auf Image.“Doch auch immer mehr deutsche Kunden greifen zum Allround-Ski. „Ski ist eine Outdoor-Sportart. Die Situationen ändern sich ständig“sagt er. Dazu könnten die wenigsten Fahrer ihre Fähigkeiten richtig beurteilen. „Männer überschätzen sich, bei Frauen ist es umgekehrt“, so Mann. Völkl stellt bei der Ispo deshalb zum ersten Mal eine Wei- terentwicklung des Modells „Deacon“vor. Die rund 750 Euro teuren Skier sollen Mann zufolge 80 Prozent des Leistungsniveaus abdecken.
Einen Ski möglichst perfekt an einen einzigen Kunden anzupassen, wie es manche Hersteller versprechen, davon hält Mann wenig: „Individualisierung macht da Sinn, wo Sportgeräte direkten Kontakt zum Nutzer haben.“Beim Skifahren sind das die Schuhe. Ähnlich sieht das wohl auch der Hersteller Head: Auf der Ispo präsentiert das Unternehmen mit Sitz in Österreich die Technologie „Liquid Fit“: In Taschen im Knöchelbereich des Innenschuhs wird mit einem kleinen Schlauch und einer Spritze ein Gel eingefüllt. Je nachdem, wie der Schuh sitzt, kann der Verkäufer mit der Spritze wieder etwas von der Flüssigkeit herausziehen oder nachfüllen. Der österreichische Hersteller Fischer bietet seit einigen Wochen eine App an, mit deren Hilfe man die eigene Schuhgröße ermitteln kann. Dazu stellt der Nutzer seinen nackten Fuß auf ein Blatt Papier und fotografiert ihn aus drei verschiedenen Winkeln. Für Produktmanager Christian Heise ist das der erste Schritt hin zu mehr Individualisierung: Vier von fünf Kunden könne man mit einer passenden Größe von der Stange optimal versorgen.
Ganz ohne digitale Innovationen werden auch die Skihersteller nicht auskommen. Hilmar Bolle von Rossignol Deutschland ist sich sicher: „Wir müssen in diesem Bereich weitergehen.“Elan forscht an einem Smart-Ski, den das Unternehmen auf der Ispo 2018 vorgestellt hatte. Weiter ist das Schweizer Start-up Snowcookies. Der diesjährige Finalist bei der Verleihung der Ispo Brandnew Awards hat Sensoren und eine Software entwickelt, die jeden Schwung ins Detail analysieren. Je einen Sensor befestigt der Fahrer auf seinen Skiern, den dritten an seinem Oberkörper. Letzter misst, ob sich der Fahrer zu weit nach vorn oder nach hinten lehnt. Über die
Erwachsene Einsteiger sind eine wichtige Zielgruppe
Besser Ski fahren dank Analyse per Smartphone
Skier zeichnen die kleinen Geräte unter anderem Geschwindigkeit und Winkel auf. Die Sensoren senden die Daten an das Smartphone des Nutzers. Und der kann nach der Abfahrt jeden Schwung und seine Körperhaltung ganz genau unter die Lupe nehmen. Das Set kostet 350 Euro.
Während es in anderen Sportarten inzwischen ganz normal ist, die eigene Leistung mithilfe von Sensoren zu verbessern, hinke der Wintersport nach, erklärt SnowcookiesGründer Martin Kawalski. Er hat dafür eine einfache Erklärung: Für elektronische Geräte bieten Schnee und Eis schlechte Bedingungen. Batterien zum Beispiel mögen keine Kälte. Kawalski berichtet, dass die Entwicklung der Sensoren vier Jahre gedauert hat. Geht es nach Snowcookie, dann liegt die Aufgabe der Branche also nicht darin, die Nutzer von ihrem Smartphone weg auf die Bretter zu locken. Sondern die Technologie so zu integrieren, dass der Fahrer einen Mehrwert hat.