Abschied von einem kreativen Träumer
Nachruf Als junger Mann stellte Paul Allen die Weichen für die Entwicklung der heutigen Computer. Das Leben des besten Freundes von Bill Gates war in vieler Hinsicht außergewöhnlich – und von schwerer Krankheit geprägt
Als der Student Paul Allen in den 70er Jahren eine Anzeige für den Altair 8800 entdeckt, einen primitiven Heimcomputer für technikaffine Bastler, hat er eine Idee: Er überredet seinen Kindheitsfreund Bill Gates, mit ihm an einem Betriebssystem für das Gerät zu tüfteln. Ihr Ziel ist es, den Altair einfache Rechenaufgaben lösen zu lassen. Acht Wochen lang werkeln und experimentieren die Studienabbrecher in einer Garage – mit Erfolg. Im April 1975 gründen sie in New Mexico ihr eigenes Unternehmen: Microsoft. Allen ist damals 22 Jahre alt.
Anders als die meisten anderen Computer-Freaks erkennen die beiden früh die kommerziellen Chancen des Programmierens von Computersoftware und bleiben dran: Den endgültigen Durchbruch erzielen sie mit MS-DOS, ein Vorläufer des späteren Windows, das millionenfach auf den immer populärer werdenden Privatcomputern installiert wird. Während Bill Gates über die Jahre zum Gesicht des wachsenden Softwarekonzerns wird, bleibt Allen weitgehend im Hintergrund. Wie er später in seiner Autobiografie schreibt, war er stets der „kreative Träumer“, Gates der „eiskalte Pragmatiker“. Trotz ihrer Verschiedenheit und vereinzelter geschäftlicher Streitereien hält die Freundschaft der Computer-Pioniere ein Leben lang. Doch noch bevor die erste Version des WindowsBetriebssystems erscheint, verlässt Allen 1983 plötzlich die gemeinsame Firma. Denn in das Leben des vollbärtigen Mannes mit der Hornbrille hatte sich überraschend eine neue Herausforderung gedrängt: Krebs.
Zweimal besiegt Allen die Krankheit, die seine Lymphdrüsen befallen hatte. Zuletzt im Jahr 2009. Obwohl er gesundheitlich angeschlagen bleibt, lässt sich Allen nicht den Lebensmut nehmen. Auch sein Unternehmergeist bleibt ungetrübt: So engagiert sich der vielseitig interessierte Multimilliardär als Gründer, Investor und Wohltäter. Schon in den späten 1980er Jahren träumt Allen von einer vernetzten Welt. Mit zahlreichen Firmen, Instituten und Stiftungen fördert er außerdem die private Raumfahrt, Filmindustrie und den Kampf gegen Ebola. Sämtliche Forschungsergebnisse seiner Unternehmen stellt Allen kostenlos zur Verfügung. Das Time-Magazin listet ihn mehrfach als einen der einflussreichsten Menschen.
Und einen der reichsten: Denn der begeisterte Sportfan und Musiker besitzt neben zwei Profiteams im US-amerikanischen Nordwesten auch zahlreiche Sammlerstücke aus Kunst und Kultur – darunter die legendäre Woodstock-Gitarre von Jimi Hendrix. In seiner Heimatstadt Seattle gestaltet er das Stadtbild mit, errichtet futuristische Bürogebäude und eine Straßenbahnlinie. Die beiden weltgrößten Jachten gehören Allen, darunter die 130 Meter lange „Octopus“mit einem eigenen U-Boot. Allens Vermögen wird zwischenzeitlich auf 20 Milliarden Dollar geschätzt, die er sich über die Jahre aus seinen Microsoft-Anteilen aufgebaut hat. Bereits 2010 beschließt er, dass der Großteil seines Geldes nach seinem Tod für wohltätige Zwecke eingesetzt werden solle.
Denn seine Krebserkrankung lässt Allen nicht los. Anfang Oktober 2018 gibt der alleinstehende und kinderlose Unternehmer bekannt, sich erneut wegen eines Lymphoms behandeln zu lassen. Der Tod des 65-Jährigen am vergangenen Montag kommt für seine Familienangehörigen und Freunde dennoch überraschend. Bill Gates erklärte am Montag, die Nachricht vom Tod eines seiner ältesten und liebsten Freunde breche ihm das Herz. Von der gemeinsamen Schulzeit über die Gründung von Microsoft bis hin zu gemeinsamen wohltätigen Projekten sei Paul Allen ein „wahrer Partner“gewesen. Ohne ihn würden Heimcomputer heutzutage nicht existieren. „Er hätte viel mehr Zeit verdient“, fuhr Gates fort. „Wir werden ihn schrecklich vermissen.“