Immer mehr Menschen werden ambulant gepflegt
Zahl der Wohngemeinschaften für Senioren im Wittelsbacher Land steigt. Altenhilfe geht dennoch von zunehmendem Bedarf an Heimplätzen in den nächsten Jahren aus
Aichach Friedberg Seit Januar ist die Pflegereform in Kraft. Ziel des vom Bundesgesundheitsministerium angestoßenen großflächigen Umbaus war es, die Pflegebedürftigkeit neu zu definieren. Nach rund acht Monaten fällt die Bilanz von Alfred Neumeier, Referent für Altenhilfe beim Landratsamt, grundsätzlich positiv aus. Obwohl die Zahl der ambulant und teilstationär Gepflegten stieg, werden die Pflegeheime in einigen Jahren wieder neue Kapazitäten brauchen, ist der Altenhilfereferent überzeugt.
Schon vor fünf Jahren hatte er darauf hingewiesen, dass Bedarf an neuen Heimplätzen bestehe. Damals waren unter anderem die mittlerweile abgeschlossene Erweiterung des Caritas-Pflegezentrums St. Hildegard in Pöttmes sowie der noch laufende Bau eines privaten Pflegeheims auf dem Gelände der ehemaligen Beckmühle in Aichach bereits in Planung. Angesichts dessen sah Neumeier den Bedarf des nächsten Jahrzehnts weitgehend gedeckt.
Als ein Investor zusätzlich im Affinger Ortsteil Iglbach ein Haus mit etwa 85 Pflegeplätzen bauen wollte – Projekt zerschlug sich später –, sprach Neumeier unter anderem aus Sorge vor einem „Sog ins Heim“sogar von einem drohenden Überangebot. Nun aber zeichnet sich ab, dass in einigen Jahren weitere Kapazitäten nötig sind.
Nach wie vor wollen Senioren selbst so lange wie möglich daheim bleiben. Das ist die Erfahrung, die Neumeier immer wieder macht. Diesem Wunsch entspricht die Veränderung des Leistungspaketes im Rahmen der Pflegereform. Um mehr Pflege zu Hause zu ermöglichen, wurde in ihrem Rahmen der Reform die finanzielle Unterstützung hier erhöht. Im Bedarfsfall können individuelle Leistungen von ambulanten Pflegediensten eingekauft werden. Im Landkreis macht die Mehrleistung gegenüber der stationären Pflege beispielsweise beim Pflegegrad zwei rund 11200 Euro aus, beim Pflegegrad drei sind es knapp 20 000 Euro. Die steigenden Umsatzzahlen der Pflegedienste im Landkreis belegen, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen auf die ambulante Pflege zurückgriffen. Von 2015 auf 2016 stieg der Umsatz von 6,9 Millionen auf 7,2 Millionen Euro. Demgegenüber stieg die Zahl der Mitarbeiter bei Pflegediensten im gleichen Zeitraum nur leicht von 99 auf 106 an. Neumeier dazu: „Ich bin überzeugt, dass dieses Jahr die Zahl der Mitarbeiter noch weiter gewachsen ist.“Nicht enthalten sind in der Statistik des Jahres 2016 die Personalkräfte, die in ambulant betreuten Wohngemeinschaften beschäftigt sind.
Die Zahl dieser Wohngemeinschaften steigt laut Neumeier ebenfalls: „Das zeigt, dass es auch andere Angebote als das Pflegeheim gibt.“Der Altenhilfereferent geht davon aus, dass es in absehbarer Zeit sechs Tagespflegeeinrichtungen im Landkreis geben wird. Als Beispiel nennt er das Aichacher Krankenhaus, wo es voraussichtlich ein BRK-Sozialzentrum zur Tagespflege geben wird. Aktuell werde demnächst in Friedberg eine neue Tagespflegeeinrichtung eröffnet. Der Altenhilfereferent dazu: „Wir begrüßen diese Entwicklung, weil der Landkreis immer schon versucht, über die Leistungen der Pflegekassen hinaus den ambulanten Bereich zu stärken.“Unter anderem fördere der Landkreis das Angebot „Essen auf Rädern“.
Um das ambulante Angebot zu stärken, legte das Landratsamt Quadas litätsrichtlinien für betreutes Wohnen fest. Etikettenschwindel sei damit im Landkreis bisher weitgehend vermieden worden, so Neumeier. Die Pflegedienste unterstützt der Landkreis bei den Kosten für den Fuhrpark mit insgesamt 164 000 Euro pro Jahr.
Bei drei Beratungsstellen im Landkreis können sich Angehörige über das Pflegeangebot informieren. Ebenso über die Möglichkeiten, eine ausländische Pflegekraft zu engagieren. Etwa 100 bis 120 ausländische Pflegekräfte sind derzeit laut Neumeier im Landkreis tätig. „Die Leute, die sie in Anspruch nehmen, sind überwiegend sehr zufrieden.“
Das Fazit des Altenhilfereferenten rund acht Monate nach Inkrafttreten der Pflegereform: „Was wir von der Reform erwartet haben, ist auch eingetroffen.“Allerdings: „In fünf bis sechs Jahren werden die Heime neue Kapazitäten brauchen“, sagt Neumeier. Zum einen, weil die Zahl der Pflegebedürftigen, die aus dem Krankenhaus ins Pflegeheim kommen, steigt. Sie liegt laut Neumeier derzeit bei rund 40 Prozent. Zum anderen, weil die Menschen älter werden und es daher mehr Senioren gibt.