Willkommen im „Trump Land“
Am Sonntag ist der 45. US-Präsident nun schon 100 Tage im Amt und hat einige politische Rückschläge einstecken müssen. In der Öl- und Agrar-Metropole Bakersfield im Herzen Kaliforniens findet man statt Enttäuschung anhaltende Begeisterung für Donald Trump
Javier Reyes schwört darauf, dass es nirgendwo besseres Barbecue gibt als bei Salty’s am Rosedale Highway. Gewiss sei dies kein Lokal für die „veganen Eliten“aus Hollywood, sagt Reyes, während er stolz seine rote Kappe mit dem Aufdruck „Make America Great Again“zurechtrückt – um seine Besucher dann mit einem „Gentlemen, willkommen in Kern County, USA“zu begrüßen. Den theatralischen Empfang könnte der Strahlemann von seinem Idol im Weißen Haus abgeschaut haben. Auch Donald Trump hat wenig für grüne Kost übrig. Noch weniger für grüne Politik. Und schon gar nichts für die Eliten an den Küsten Amerikas.
In der Öl- und Agrar-Metropole am südlichen Ende des Central Valley von Kalifornien trifft der 45. USPräsident damit einen Nerv. Das war schon im Wahlkampf so, als tausende Anhänger die Parteivorderen der Republikaner bei einer Kundgebung in Bakersfield drängten, Trump wegen der sexuellen Übergriffe und Grapschereien nicht fallen zu lassen. Der Guardian spottete, wenn aus der US-Präsidentschaft nichts werde, könne sich der Populist auf jeden Fall zum Bürgermeister der 400 000-EinwohnerStadt wählen lassen. Trump holte in der Heimat des Mehrheitsführers der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, vergangenen November fast 55 Prozent der Stimmen. Und zog ins Weiße Haus ein. Nach 100 Tagen im Amt lässt sich in der republikanischen Hochburg auch jetzt nicht viel von dem Umfragetief finden, das Demoskopen USA-weit festgestellt haben.
Javier Reyes spricht für viele Fans des „America-First“-Präsidenten, wenn er den Medien vorhält, „immer noch nicht zu kapieren, was hart arbeitenden Menschen am Herzen liegt“. Die seien es satt, von den Eliten in Washington ignoriert zu werden. Trump werde mit Mauerbau, Deportationen und Abbau der Bürokratie „endlich wieder Jobs schaffen“. Vor allem habe er mit seinen ersten Dekreten „den unsäglichen Umweltvorschriften den Kampf angesagt“, die den unter einer mehrjährigen Dürre leidenden Farmern das Wasser für ihre Felder verweigert hätten. Die Umweltbehörde EPA sei auch für die Wettbewerbsprobleme der Ölindustrie verantwortlich. „Wir haben ständig Klimawandel“, sagt der Büroangestellte lachend, dessen Urgroßvater aus Mexiko in die USA kam, über Sorgen um die Erderwärmung. „Wir haben jeden Tag eine andere Temperatur. Die Frage ist bloß, ob Menschen dafür verantwortlich sind.“
Eine kurze Fahrt auf der „Panorama Road“heraus aus dem Tal auf ein Hochplateau reicht eigentlich schon, eine Antwort zu finden. Hier oben vernebelt selbst an wolkenfreien Tagen Smog den Blick auf das „Kern River Valley“, wo hunderte „Pumpjacks“, also Bohrtürme, stoisch Öl aus dem Boden pumpen. Mehr als irgendwo sonst in Kalifornien. Der amerikanische „LungenVerband“verlieh der Region Bakersfield 2016 den wenig schmeichelhaften Titel der Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung und der zweithöchsten Ozon-Belastung der USA. Die 70 000 Asthma-Erkrankungen in „Kern County“sind eine Konsequenz daraus. In „Trump-Land“werden solche Fakten als „Fake News“abgetan. Was für die Mehrheit zählt, ist die anhaltend hohe Arbeitslosenquote von über zehn Prozent, die das Ergebnis fallender Weltmarktpreise für Rohöl und einer sechsjährigen Dürre ist.
Die Politologin Jeanine Kraybill, 36, von der California State University in Bakersfield sieht zudem kulturelle Parallelen zu den Industrieregionen im Rostgürtel Amerikas und dem Süden der USA. „Die Kluft zwischen den Küsten und dem Inneren des Landes ist gewaltig.“Diese drückt sich nicht nur in der Begeisterung für Waffen, CountryMusik, Pickup-Trucks, Bibel und Barbecue aus, sondern auch in tiefer Verachtung für die traditionellen Eliten des Landes. „Die Vorhersage einer Amtsenthebung ist genauso falsch wie die Umfragen vor den Wahlen“, meint Politologin Kray- „Es gibt hier viele Menschen, die denken, was er tut, sei genau richtig.“Seine Anhänger identifizierten sich mit der Opferrolle, die Trump trotz seines Wahlsiegs im November weiter kultiviert. Sie fühlen sich dem Milliardärs-Präsidenten nahe, weil „Washington“auf ihn herunterschaue wie auf sie.
Für Darrell, 55, und Carol Feil, 52, ging es um ihr Unternehmen, das in den Abwärts-Strudel der Ölund Agrar-Wirtschaft geraten war. „Wir konnten keine Leute einstellen und mussten die Löhne kürzen, um über die Runden zu kommen“, sagen die Besitzer von „Abatea-Weed“, einem Betrieb, der seit einem halben Jahrhundert Ausrüstung und Dienstleistungen in beiden Branchen anbietet. Als typische „Country-Club“-Republikaner sprangen die Feils eher spät auf den Trump-Zug auf. Nun hoffen sie, der Bau-Magnat könne seine Erfahrung als Unternehmer irgendwie zunutze machen, die Wende für Bakersfield zu bringen. Was Darrell Feil in den ersten 100 Tagen sah, stimmt ihn optimistisch. „Die Kürzungen bei der Umweltbehörde EPA gehen in die richtige Richtung.“
Auch Cathy Abernathy, 62, gehörte bei den Vorwahlen zu dem Establishment, das sich mit dem Rechtspopulisten eher schwertat. Die republikanische Strategin, die Mehrheitsführer McCarthy in Washington berät und in der Republikaner-Zentrale von Bakersfield einund ausgeht, zählt heute zu den Gläubigen. Die ersten 100 Tage Trumps im Weißen Haus seien ein Erfolg gewesen. Er habe kompetente Leute in die Regierung geholt und setze um, was er versprochen habe. „Wir vertrauen Trump.“
Dass die Gerichte den Muslimenbill. Bann gestoppt, der Kongress die Abschaffung der Gesundheitsreform „Obamacare“nicht geschafft und der Präsident wegen der Russland-Affäre unter Dauerbeschuss steht, quittieren seine Anhänger in „Trump-Land“mit Schulterzucken. Noch weniger scheren sie sich um die außenpolitischen Kehrtwenden in Syrien, bei der Nato oder anderen Themen, die von hier aus gesehen, weit weg sind.
Die Wahrnehmung der Trumpers steht im klaren Gegensatz zu der Zufriedenheit der US-Bürger insgesamt. Nie zuvor startete ein Präsident mit so niedrigen Zustimmungsraten. In der täglich aktualisierten Gallup-Umfrage waren die Amerikaner am Tag der Amtseinführung mit 45 Prozent in ihrer Sicht gespalten. Heute liegen diese Werte etwa fünf Prozent darunter.
Strategin Abernathy macht „die Medien“für das schlechte Image des Präsidenten verantwortlich. „Die blockieren ihn, wo es nur geht“, meint die freundliche Dame in der mit einem riesigen „Trump-forPresident“-Banner dekorierten Parteizentrale. „Er macht wirklich einen guten Job.“Glücklicherweise wehre sich Trump gegen die negative Presse. „Vielleicht sollten AP, die New York Times, CNN und ein paar andere nicht mehr in der ersten Reihe sitzen“, stimmt Abernathy mit Trumps Taktik überein, die missliebigen Reporter der Leitmedien im Weißen Haus zu sanktionieren. „Wie wäre es, wenn der Bakersfield Californian stattdessen dort Platz nähme?“
Ein kniffliges Thema in Bakersfield bleibt der Umgang mit den Einwanderern, die ohne Papiere über die Grenze kamen und zurzeit rund 60 Prozent der Feldarbeiter ausmachen. Trump unterzeichnete in der ersten Woche seiner Amtszeit einen Exekutivbefehl, der die oft über Jahrzehnte geduldeten Migranten über Nacht der Willkür der Einwanderungspolizei aussetzte.
Justizminister Jeff Sessions sprach kürzlich „von einer neuen Ära“in der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze. In Bakersfield sorgt eine mögliche Abschiebewelle für große Unsicherheit bei Migranten und Farmern gleichermaßen. Ohne die Erntehelfer aus Mexiko bleiben die Früchte auf den Feldern. Vielen Farmern droht das Aus. „Massendeportationen machen die Wirtschaft noch unsicherer“, warnt Politologin Kraybill vor einem Bumerang für die lokale Ökonomie. „Einheimische werden diese Jobs für noch so viel Geld nicht annehmen.“Dabei ist auch die Professorin nicht sicher, wie ernst es der Präsident mit den Abschiebungen meint.
Schon als Kandidat setzte Trump auf maßgeschneiderte Botschaften. Alberto Llamas, 54, hilft, sie in Bakersfield zu verbreiten. In seiner
Gewaltige Kluft zwischen Küsten und Landesinnerem Am schlechten Image sind „die Medien“schuld
spanischsprachigen Radio-Show „Mi America“am Samstagmorgen warnt der gebürtige Mexikaner seine Landsleute, den „MainstreamMedien“nicht zu glauben: „Die lügen euch an.“Via Knister-Funk impft er seinen Hörern ein, Trump wolle „nur Kriminelle deportieren, die niemand hier haben will“. Wer für das Mittelwelle-Programm des Bauarbeiters zahlt, bleibt sein Geheimnis. Woher die falsche Botschaft stammt, nicht. Denn die hat auch der Mann mit der roten „Make America Great Again“-Mütze bei Salty’s Barbecue internalisiert. Javier Reyes glaubt nach den ersten 100 Tagen, Donald Trump habe das Zeug, „ein neuer Ronald Reagan werden“. Der habe zwar „Illegale“amnestiert, würde aber heute bestimmt auch Muslime draußen halten und eine Mauer bauen.
Javier erzählt, wie er als Kind in der texanischen Grenzstadt El Paso von seinem Haus einen Baseball über die Grenze nach Mexiko schlagen konnte. Genauso einfach könnten Mitglieder der Drogenkartelle Kugeln über die Grenze feuern. „Mit einer Mauer würde das nicht passieren.“Er sei nicht gegen Fremde, versichert der freundliche Trumper, der zum Abschied bei Salty’s dazu rät, die Schweinerippen zu bestellen. „Aber ich möchte Leute hier haben, die unser Land lieben.“Dazu gehöre auch, in die Kirche gehen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, „von radikalen islamischen Terroristen erschossen zu werden“. Willkommen in Kern County, USA.