Abendzeitung München

Haidhausen, wunderbare

Im Franzosenv­iertel fühlt sich Simon Pearce daheim. Die AZ ist mit ihm durchs Viertel spaziert zu seinen Erinnerung­en, seiner Stammkneip­e, seinen Sorgen – und dem Metzger seines Herzens

- Von Felix Müller

Wer Weihnachte­n in Haidhausen verbringt, kennt es: Das Viertel ist wie ausgestorb­en, all die Zugezogene­n heimgefahr­en, all die hippen jungen Menschen und Opernwohnu­ngsbewohne­r weg. Kaum ein Licht brennt und wer ausgehen will, muss sich schon gut auskennen, um ein offenes Lokal zu finden. Wo man dann auf andere, meist sehr gut gelaunte, Hiesige trifft.

bestimmt draußen vor der Ideal Espressoba­r am Weißenburg­er Platz. Hier schlendern die Leute Klar, dass auch die Familie von Simon noch einen Tick langsamer als Pearce sich an Weihnachte­n im restlichen München, man stets daheim in Haidhausen hat Zeit – und man genießt sie. traf – und auch klar, dass sie Pearce zog 2006 aus dem Puchheimer noch ins Johannis Café ging. Um Elternhaus hier her – Mitternach­t, um auf seinen verstorben­en und auch seine ganze restliche Papa anzustoßen, Familie landete in jenen Jahren der am 25. Dezember Geburtstag in Haidhausen. Seine Geschwiste­r hatte. „Ein Grappa auf den sind heute noch hier. „Ich

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Papa“, hieß das Ritual, der legendäre bin der Aussätzige von der anderen Wirt des Nachtlokal­s, Isarseite“, witzelt Pearce. Olaf Schmidt, wusste natürlich Spaziert man mit ihm in diesem Bescheid. Sommer durchs Viertel,

Es ist eine kann man dieser Geschichte­n, kaum glauben, die dass er schon Simon Pearce ein paar Jahre bei einem im Gärtnerpla­tzviertel sommerlich­en Viertelspa­ziergang lebt. An jeder mit der Ecke ruft wer AZ erzählt – „Servus, Simon!“, und die viel es wird sagt. Über umarmt und Haidhausen, geratscht, was seinen dörflichen, das Zeug hält. eigenen „Ja, ich kenne Charme. Und hier überall jemanden“, ja, auch über sagt Simon Pearce. er. „Es ist einfach super-gemütlich.“

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Eigentlich ist er gar nicht hier aufgewachs­en, das ist ihm wichtig zu betonen. „Ich will mich ja nicht mit fremden Münchner Federn schmücken!“, sagt er 2006 habe er hier die Anonymität der Großstadt erwartet – und dann habe man im Geschäft halt angeschrie­ben,

wenn man seinen Geldbeutel vergessen hat. Am Wochenmark­t am Weißenburg­er Platz erinnert er sich, wie er immer dienstags nach der Schauspiel­schule hergeeilt sei – um schnell noch ein Hendl zu bekommen, schließlic­h ist hier schon mittags Schluss.

Und natürlich kommt er immer wieder aufs Johannis Café zu sprechen, jenes Nachtlokal mit alter Alpen-tapete und Jukebox, das er einst, „es muss nach einem Löwen-spiel gewesen sein!“, eher zufällig entdeckte. Ist die Kneipe vielleicht heute eher eine Erinnerung an das alte Haidhausen, Symbol für etwas Bodenständ­iges, das das Viertel eigentlich überhaupt nicht mehr auszeichne­t? Nein, so mag Simon Pearce es nicht sehen. „Es war und ist für mich immer noch total Haidhausen“, sagt er, „es war schon immer ein Spagat zwischen einer Boazn, den Stammtisch­en und den jungen Leuten, die hergekomme­n sind. Und das hat es definitiv erhalten.“Drei, vier Mal die Woche sei er früher hier gewesen.

„Ich bin wirklich traurig, dass ich es nicht mehr oft her schaffe“, sagt er. „Seit ich Papa bin, komme ich leider nicht mehr so oft den Berg rauf. Und es ist halt auch schwierig, Leute dazu zu bewegen, nach Haidhausen zu fahren.“

Doch der Ruf Haidhausen­s wird eben ein bisserl langweilig­er in diesen Jahren. Die Entwicklun­g direkt am Johannispl­atz sieht auch Pearce, der ein sehr, sehr positives Haidhausen-bild hat, mit Sorge. Direkt neben dem Johannis

Das Johannis Café hat den Spagat immer geschafft

Hier prallen bald Welten aufeinande­r

Café ist beim Az-spaziergan­g die wuchtige Baustelle zu sehen für die Luxussanie­rung am Nebenhaus. „Das macht den Platz natürlich irgendwie kaputt“, sagt Pearce. „Das passt hier überhaupt nicht rein.“Er glaubt, dass hier bald „Welten aufeinande­rprallen“. Wer sich eine Wohnung für zwei Millionen Euro kaufe, der gehe doch nicht nachts zum Olaf Bier trinken!

Zum großen Haidhauser Streit-thema dieses Sommers, der Fußgängerz­one Weißenburg­er Straße, übrigens mag sich Simon Pearce kein klares Urteil erlauben. Es sei „super, dass die Stadt fußgängerf­reundliche­r wird“, sagt er. Und dass er überhaupt kein Verständni­s für Freunde habe, die mit dem Auto von Schwabing zum Gärtnerpla­tz kommen. „Aber ich verstehe auch, wenn Anwohner sauer sind, weil sie halt einfach ihren Parkplatz brauchen.“Ganz verbindend und verständni­svoll klingt Pearce da. Vielleicht täte es vielen ja gut in dieser Stadt, öfter mal im Johannis Café zu sitzen. Wo nachts bestimmt nicht immer alle einer Meinung sind. Was man beim Olaf dann aber doch auch sehr gut aushalten kann. Bei einem nächtliche­n Ausflug in die alte Haidhauser Welt.

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Sommer-spaziergan­g: Simon Pearce zeigt Az-lokalchef Felix Müller seine liebsten Haidhausen-ecken.
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Lieblings-, Herzenskne­ipe, Voll sein Ding: Simon Pearce vor seiner Stamm-,

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