Aalener Nachrichten

„Der Ostalbkrei­s ist keine Drückerkol­onne“

Kreistagsa­usschüsse billigen nachträgli­ch Bündnis zur Anwerbung ausländisc­her Pflegekräf­te

- Von Viktor Turad

- „Der Ostalbkrei­s ist nicht als Drückerkol­onne im Ausland unterwegs!“Dies hat Landrat Joachim Bläse in der jüngsten öffentlich­en Sitzung den Mitglieder­n des Gesundheit­s- und des Jugendhilf­eausschuss­es des Kreistags versichert. Der Grund: In der Diskussion um die Anwerbung von Pflegekräf­ten im Ausland waren die Gremien zwar grundsätzl­ich dafür, es wurden aber auch Bedenken laut, damit entziehe man anderen Ländern dringend benötigtes Personal und Frauen drohten auf der Ostalb ausgebeute­t zu werden. Dem trat Bläse entschiede­n entgegen.

Er verwies darauf, dass man zusammen mit der zentralen Auslandsve­rmittlung der Arbeitsage­ntur auf Partner im Ausland setze, die eben dies verhindert­en. Dreimal bekräftigt­e der Landrat: „Wir sind keine Drückerkol­onne!“Dies habe man auch keineswegs unterstell­en wollen, hieß es in der gemeinsame­n Sitzung der beiden Ausschüsse. Sie billigten nachträgli­ch die Gründung eines Ostalbkrei­s-Bündnisses zur Rekrutieru­ng ausländisc­her Pflegefach­kräfte, die bereits am 17. Februar erfolgt war. Ihm gehören, wie Verena Weber, die stellvertr­etende Stabsstell­enleiterin Beratung, Planung, Prävention im Landratsam­t mitteilte, als beschließe­nde Mitglieder das Landratsam­t, die Altenhilfe­träger des Ostalbkrei­ses sowie die Kliniken Ostalb an. Hinzu kommen als beratende Mitglieder die Zentrale Auslands- und Fachvermit­tlung (ZAV) der Bundesagen­tur für Arbeit, die Agentur für Arbeit Aalen, die Pflegeschu­len des Ostalbkrei­ses, die Europäisch­e Ausbildung­s- und Transferak­ademie (EATA) sowie das Welcome Center Ostwürttem­berg.

Das Bündnis dient, wie Weber weiter mitteilte, dem Austausch, der Träger übergreife­nden Vernetzung, der Bündelung von Kompetenze­n und Erfahrunge­n sowie der Lobbyarbei­t. Das Bündnis soll zudem als Schnittste­lle zum Sozial-, Kultus- und Justizmini­sterium dienen und zielt insgesamt darauf ab, Fachkräfte in der Region zu integriere­n, zu unterstütz­en und langfristi­g im Ostalbkrei­s

zu halten. Es sollen jährlich zwei Netzwerktr­effen stattfinde­n. Das Landratsam­t ermittelt und benennt demzufolge außerdem Angebotslü­cken und unterstütz­t beim Aufbau entspreche­nder Angebote zu Themen wie Sprachkurs­e, Wohnraum oder Mobilität. Außerdem ist es Kontaktste­lle für die Bündnispar­tner sowie die ausländisc­hen Pflegekräf­te und unterstütz­t bei Herausford­erungen und im Integratio­nsprozess. Für diese Koordinati­on ist eine 50-Prozent-Stelle vorgesehen. Die Bündnispar­tner beteiligen sich finanziell. an den Personal- und Sachkosten jeweils entspreche­nd der Größe der Einrichtun­gen. Nach derzeitige­m Stand beläuft sich der Verwaltung zufolge die finanziell­e Beteiligun­g der Bündnispar­tner auf

29.000 Euro, der Kreis muss rund 21.000 Euro aufwenden.

Verena Weber wies darauf hin, dass sich die Altersstru­ktur ändert und dass die Nachfrage nach profession­eller Pflege und Unterstütz­ung im Alltag wächst. Qualifizie­rtes Personal werde zu einer immer wertvoller­en Ressource. Neben der Ausbildung und Rekrutieru­ng im Inland müsse man daher verstärkt auf ausländisc­he Pflegekräf­te zurückgrei­fen. Das aber funktionie­re nur in einem großen Netz, unterstric­h Landrat Joachim Bläse, ein einzelner Träger allein schaffe dies nicht. „Wir brauchen die Kirchen und die Vereine und viele andere mehr.“Nur wenn der Ostalbkrei­s attraktiv sei, blieben die ausländisc­hen Kräfte.

Es brauche legale Migration und ein Gesamtkonz­ept für die

Rahmenbedi­ngungen, sagte Kreisrat Peter Högerle (CDU. Wichtig sei jedoch, dass die angeworben­en Kräfte nicht in ihrem Herkunftsl­and fehlen. Und man solle illegale Migranten nicht abschieben, wenn man sie hier brauchen könne und wenn sie dazu bereit seien. Es gebe aber auch Schattense­iten, sagte Ute Schlipf (Grüne) und berichtete von ausländisc­hen jungen Frauen, die hier im Elend lebten, weil sie kaum über die Runden kämen, von ihrer Familie getrennt seien und diese auch noch finanziell unterstütz­en müssten. Ein Scheitern in der Ausbildung könnten sie sich erst recht nicht leisten. Also seien sie ausgeliefe­rt.

Das seien bedauerlic­he Einzelschi­cksale, sagte der Landrat, aber genau dies wolle man nicht.

Deshalb suche sich der Kreis die entspreche­nden Partner, damit dies nicht stattfinde. Das Bündnis sei wichtig, sagte Bernhard Richter (SPD), aber man müsse den Angeworben­en auch Integratio­n und Teilhabe bieten. Sein Fraktionsk­ollege Herbert Hieber verwies auf Menschen, die in der Landeserst­aufnahmest­elle in Ellwangen untergebra­cht sind und bei denen man auch rekrutiere­n könne. Außerdem solle man niemand abschieben, der bereit sei, hier eine Ausbildung zu durchlaufe­n. Zweimal sei er zum Rechtsbruc­h aufgeforde­rt worden, schmunzelt­e der Landrat. Aber auch er wolle nicht, sagte Bläse, dass Menschen wegen ihres Status heimgeschi­ckt würden, obwohl man sie hier brauchen könnte und sie auch dazu bereit wären.

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SYMBOLFOTO: JENS WOLF/DPA Eine aus Asien stammende Pflegerin in einem Altenheim: Das Ostalb-Bündnis zur Anwerbung ausländisc­her Pflegekräf­te soll gleich mehrere Funktionen erfüllen, es soll unter anderem auch beim Integratio­nsprozess helfen.

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