Frauen arbeiten häufiger als Männer unentgeltlich
Die Unterschiede in der Bezahlung gehen auch auf sogenannte Sorgearbeit zurück – Lücke im Süden besonders groß
- Alle Jahre wieder: Pünktlich zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, fällt es Politikern, Wissenschaftlern – und folglich auch den Medien – auf, dass Frauen nicht gleichberechtigt sind. In einigen Ländern wie beispielsweise Afghanistan und Iran sogar noch sehr viel weniger als in den meisten westlichen Ländern. Aber auch hierzulande ist nicht alles eitel Sonnenschein, vor allem mit Blick auf die Einkommensverteilung. Woran es liegt, dass in Deutschland Frauen im Schnitt immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Haben Männer höhere Bildungsabschlüsse als Frauen?
Nein. Frauen sind an den Universitäten genauso stark vertreten wie Männer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 52,4 Prozent der Studienanfänger im Jahr 2021 weiblich, ebenso 52,9 Prozent der Absolventen. Es gibt allerdings Studienfächer, mit denen sich absehbar im Arbeitsleben ganz gut Geld verdienen lässt. Dazu gehören beispielsweise Informatik und Elektrotechnik. Frauen sind in diesen sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) unterdurchschnittlich vertreten, wie das bayerische Landesamt für Statistik am Dienstag mitteilte. Nur ein Viertel der Studentinnen habe ein Studium in diesen Fächern abgeschlossen.
Werden sogenannte Frauenberufe schlechter bezahlt als die Jobs in männlich dominierten Branchen?
Ja. Die Durchschnittseinkommen in frauentypischen Jobs sind geringer, belegen Studien. So erzielte im Jahr 2021 ein in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie laut
Statista durchschnittlich 4458 Euro im Monat. Im Einzelhandel hingegen liegen die Monatslöhne bei etwa 3000 Euro. Auch solche Faktoren tragen dazu bei, dass Frauen in Deutschland im vergangenen Jahr 18 Prozent weniger verdienten als Männer.
Wirken sich Familie und Kinder auf die Einkommenssituation von Frauen aus?
Auf jeden Fall. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kommt auf der Basis von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) zu folgendem Ergebnis: Die unbezahlte Sorgear
beit, die Frauen nach der Geburt von Kindern in der Familie leisten, beeinflusst das Einkommen im ganzen weiteren Erwerbsleben. Selbst wenn Frauen wieder weniger Zeit in Hausarbeit und Kinderbetreuung investieren, schaffen sie es nicht mehr, die Unterschiede zu den Männern auszugleichen. Offensichtlich sind die Jahre zwischen 30 und 40 in Deutschland entscheidend für die weiteren Verdienstchancen.
Lässt sich das mit Zahlen belegen?
Ja. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren liegen die Einkommen von
Frauen und Männer laut DIW noch nicht so weit auseinander (etwa sieben Prozent). Vom 30. Lebensjahr investieren Frauen viel Zeit in die sogenannte Care Arbeit, während sich die Männer derweil um ihren Job kümmern. Der Gender Pay Gap steigt bei den 35- bis 39-jährigen Beschäftigten auf 106 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit leisten als abhängig beschäftigte Männer. Diese Lücke schließt sich ab dem 40. Lebensjahr zwar etwas, doch die Einkommenslücke beträgt dann weiterhin mehr als 22 Prozent. Auf diesem hohen Niveau
verbleibe der Gender Pay Gap bis zum Ende des Erwerbslebens, heißt es im DIW-Bericht.
Gibt es da regionale Unterschiede?
Durchaus. In Ostdeutschland beträgt der Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt nur sieben Prozent. Das liegt daran, dass dort viele Frauen trotz Kindern voll erwerbstätig sind und Männer und Frauen sich die unbezahlte Sorgearbeit zu Hause gerechter aufteilen. Im Süden und Südwesten der Republik sieht die Lage anders aus. In Baden-Württemberg werden laut Statistischem Landesamt nur 29,9 Prozent der Kinder unter drei Jahren außer Haus betreut – bundesweit sind es 35,5 Prozent. Entsprechend groß ist die Lohnlücke im Südwesten: 23 Prozent. Auch in Bayern ist die Lohnlücke mit 21 Prozent größer als im Bundesdurchschnitt.
Wie wirken sich die Einkommensunterschiede im Alter aus?
Für Frauen wenig überraschend zum Negativen. Sie erhalten ab 65 Jahren durchschnittlich 17.814 Euro brutto pro Jahr, Männer der gleichen Altersgruppe kommen hingegen auf 25.407 Euro. Damit macht der geschlechtsspezifische Unterschied nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 30 Prozent aus. Was viele Frauen vor Altersarmut bewahrt, sind die Rentenansprüche ihrer verstorbenen Ehemänner. Wenn diese Hinterbliebenenrenten nicht berücksichtigt würden, würde der Gender Pension Gap laut Statistik sogar 42,6 Prozent betragen.
Was kann die Politik tun, damit sich die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließt?
Sie könnte an einigen Stellschrauben drehen, die zu einer gerechteren Aufteilung von Familienarbeit und Lohnarbeit zwischen Frau und Mann führen. Die Soziologin Jutta Allmendinger empfiehlt, das Ehegattensplitting abzuschaffen, weil es noch immer die Versorgerehe fördere. Auch über eine Erhöhung der Partnermonate beim Elterngeld wird diskutiert. Derzeit kann ein Paar insgesamt 14 Monate Elterngeld bekommen, wenn einer der Partner mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt. Laut Koalitionsvertrag soll dieser Anteil auf drei Monate steigen. Wirtschaftswissenschaftler empfehlen sogar sieben Monate, um eine gleichmäßige Aufteilung der Sorgearbeit in Familien zu erreichen.