Aalener Nachrichten

Frauen arbeiten häufiger als Männer unentgeltl­ich

Die Unterschie­de in der Bezahlung gehen auch auf sogenannte Sorgearbei­t zurück – Lücke im Süden besonders groß

- Von Claudia Kling

- Alle Jahre wieder: Pünktlich zum 8. März, dem Internatio­nalen Frauentag, fällt es Politikern, Wissenscha­ftlern – und folglich auch den Medien – auf, dass Frauen nicht gleichbere­chtigt sind. In einigen Ländern wie beispielsw­eise Afghanista­n und Iran sogar noch sehr viel weniger als in den meisten westlichen Ländern. Aber auch hierzuland­e ist nicht alles eitel Sonnensche­in, vor allem mit Blick auf die Einkommens­verteilung. Woran es liegt, dass in Deutschlan­d Frauen im Schnitt immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Haben Männer höhere Bildungsab­schlüsse als Frauen?

Nein. Frauen sind an den Universitä­ten genauso stark vertreten wie Männer. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s waren 52,4 Prozent der Studienanf­änger im Jahr 2021 weiblich, ebenso 52,9 Prozent der Absolvente­n. Es gibt allerdings Studienfäc­her, mit denen sich absehbar im Arbeitsleb­en ganz gut Geld verdienen lässt. Dazu gehören beispielsw­eise Informatik und Elektrotec­hnik. Frauen sind in diesen sogenannte­n Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) unterdurch­schnittlic­h vertreten, wie das bayerische Landesamt für Statistik am Dienstag mitteilte. Nur ein Viertel der Studentinn­en habe ein Studium in diesen Fächern abgeschlos­sen.

Werden sogenannte Frauenberu­fe schlechter bezahlt als die Jobs in männlich dominierte­n Branchen?

Ja. Die Durchschni­ttseinkomm­en in frauentypi­schen Jobs sind geringer, belegen Studien. So erzielte im Jahr 2021 ein in Vollzeit beschäftig­ter Arbeitnehm­er in der Metall- und Elektroind­ustrie laut

Statista durchschni­ttlich 4458 Euro im Monat. Im Einzelhand­el hingegen liegen die Monatslöhn­e bei etwa 3000 Euro. Auch solche Faktoren tragen dazu bei, dass Frauen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr 18 Prozent weniger verdienten als Männer.

Wirken sich Familie und Kinder auf die Einkommens­situation von Frauen aus?

Auf jeden Fall. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin kommt auf der Basis von Daten des Sozio-ökonomisch­en Panels (SOEP) zu folgendem Ergebnis: Die unbezahlte Sorgear

beit, die Frauen nach der Geburt von Kindern in der Familie leisten, beeinfluss­t das Einkommen im ganzen weiteren Erwerbsleb­en. Selbst wenn Frauen wieder weniger Zeit in Hausarbeit und Kinderbetr­euung investiere­n, schaffen sie es nicht mehr, die Unterschie­de zu den Männern auszugleic­hen. Offensicht­lich sind die Jahre zwischen 30 und 40 in Deutschlan­d entscheide­nd für die weiteren Verdienstc­hancen.

Lässt sich das mit Zahlen belegen?

Ja. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren liegen die Einkommen von

Frauen und Männer laut DIW noch nicht so weit auseinande­r (etwa sieben Prozent). Vom 30. Lebensjahr investiere­n Frauen viel Zeit in die sogenannte Care Arbeit, während sich die Männer derweil um ihren Job kümmern. Der Gender Pay Gap steigt bei den 35- bis 39-jährigen Beschäftig­ten auf 106 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen mehr als doppelt so viel unbezahlte Sorgearbei­t leisten als abhängig beschäftig­te Männer. Diese Lücke schließt sich ab dem 40. Lebensjahr zwar etwas, doch die Einkommens­lücke beträgt dann weiterhin mehr als 22 Prozent. Auf diesem hohen Niveau

verbleibe der Gender Pay Gap bis zum Ende des Erwerbsleb­ens, heißt es im DIW-Bericht.

Gibt es da regionale Unterschie­de?

Durchaus. In Ostdeutsch­land beträgt der Gender Pay Gap laut Statistisc­hem Bundesamt nur sieben Prozent. Das liegt daran, dass dort viele Frauen trotz Kindern voll erwerbstät­ig sind und Männer und Frauen sich die unbezahlte Sorgearbei­t zu Hause gerechter aufteilen. Im Süden und Südwesten der Republik sieht die Lage anders aus. In Baden-Württember­g werden laut Statistisc­hem Landesamt nur 29,9 Prozent der Kinder unter drei Jahren außer Haus betreut – bundesweit sind es 35,5 Prozent. Entspreche­nd groß ist die Lohnlücke im Südwesten: 23 Prozent. Auch in Bayern ist die Lohnlücke mit 21 Prozent größer als im Bundesdurc­hschnitt.

Wie wirken sich die Einkommens­unterschie­de im Alter aus?

Für Frauen wenig überrasche­nd zum Negativen. Sie erhalten ab 65 Jahren durchschni­ttlich 17.814 Euro brutto pro Jahr, Männer der gleichen Altersgrup­pe kommen hingegen auf 25.407 Euro. Damit macht der geschlecht­sspezifisc­he Unterschie­d nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s knapp 30 Prozent aus. Was viele Frauen vor Altersarmu­t bewahrt, sind die Rentenansp­rüche ihrer verstorben­en Ehemänner. Wenn diese Hinterblie­benenrente­n nicht berücksich­tigt würden, würde der Gender Pension Gap laut Statistik sogar 42,6 Prozent betragen.

Was kann die Politik tun, damit sich die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließt?

Sie könnte an einigen Stellschra­uben drehen, die zu einer gerechtere­n Aufteilung von Familienar­beit und Lohnarbeit zwischen Frau und Mann führen. Die Soziologin Jutta Allmending­er empfiehlt, das Ehegattens­plitting abzuschaff­en, weil es noch immer die Versorgere­he fördere. Auch über eine Erhöhung der Partnermon­ate beim Elterngeld wird diskutiert. Derzeit kann ein Paar insgesamt 14 Monate Elterngeld bekommen, wenn einer der Partner mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt. Laut Koalitions­vertrag soll dieser Anteil auf drei Monate steigen. Wirtschaft­swissensch­aftler empfehlen sogar sieben Monate, um eine gleichmäßi­ge Aufteilung der Sorgearbei­t in Familien zu erreichen.

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