Das lange Warten auf die Entschädigung
Erst jetzt bekommen Zensus-Helfer Geld vom Staat für ihre vor Monaten geleistete Arbeit
- Die Arbeit ist getan, Monate später ist immer noch kein Geld auf dem Konto: Wie Hans-Jürgen Schmidt geht es in Baden-Württemberg Hunderten Zensus-Helfern. Er wollte sich nicht länger hinhalten lassen und hat sich an die „Schwäbische Zeitung“gewandt. Nun kommt Bewegung in die Sache.
Alle zehn Jahre will sich der Staat mit dem Zensus ein genaues Bild verschaffen: Wie viele Menschen leben in Deutschland, wie leben sie und wo? Von den Zahlen hängt vieles ab – unter anderem, wie viel Steuergeld wohin fließt. Apropos Geld: Auf das wartet Hans-Jürgen Schmidt noch immer, dabei hat er seine Arbeit im Auftrag des Statistischen Landesamts bereits Ende September vergangenen Jahres abgeschlossen.
Schmidt gehörte zur zweiten Gruppe der Interviewer. Die Volkszählung verläuft nämlich in zwei Stufen: Zunächst waren Ehrenamtliche ab Mitte Mai unterwegs. Sie hatten den Auftrag, 1,7 Millionen BadenWürttemberger und damit rund 15 Prozent der Bürger des Landes zu besuchen und mit ihnen einen Fragebogen durchzugehen. Rund 12.000 Ehrenamtliche waren hierfür landesweit im Einsatz. Schon sie mussten zum Teil Monate darauf warten, bis ihnen ihre Aufwandsentschädigung überwiesen worden war. Verantwortlich waren hierfür die Landratsämter, die den Verzug damit begründet hatten, dass die ausgefüllten Fragebögen händisch ins Computersystem eingepflegt werden mussten. Zu Verzögerungen war es auch in Bayern gekommen, obwohl die Interviewer dort mit einem Tablet statt mit Kugelschreiber und Klemmbrett ausgestattet waren. Denn die Daten, obwohl digital erhoben, konnten nicht einfach ins EDV-System übertragen werden.
Um sicherzustellen, dass die ersten Freiwilligen ihre Arbeit korrekt durchgeführt haben und die erhobenen Daten stimmen, gab es rund 410 weitere Ehrenamtliche wie Schmidt. Im zweiten Schritt haben sie manche der Befragten erneut besucht – diesmal direkt im Auftrag des Statistischen Landesamts. Für diese Kontrollbefragung haben die Ehrenamtlichen laut Statistikamt etwa 29.000 Bürger erneut interviewt.
Seine Kontrollbefragungen hat Schmidt im Allgäu durchgeführt. Er war mit seinem privaten Auto von seinem Heimatort Kißlegg aus im östlichen Landkreis Ravensburg unterwegs – in Amtzell, Wangen, Leutkirch. 600 Kilometer seien so zusammengekommen. „Ich hatte etwa ein bis zehn Kontakte pro Tag, je nachdem,
wo ich unterwegs war und wie viele Menschen ich tatsächlich angetroffen habe“, berichtet er. Ende September war er fertig und hat seine Fahrtkosten zur Erstattung eingereicht. Auf dieses Geld wartet er genauso wie auf seine Aufwandsentschädigung. Bei vier Euro pro Befragung und zwei Euro pro Kontakt, auch wenn niemand die Tür aufgemacht hat, sind rund 700 Euro zusammengekommen – plus Fahrtkosten.
Mitte November hat Schmidt vom Statistikamt eine Mail erhalten. Die Kontrollbefragungen seien abgeschlossen, im Dezember werde das Geld überwiesen. Mitte Dezember hieß es dann, dass es zu Verzögerungen komme – zum einen wegen Wartungen am EDV-System, zum anderen wegen des Kassenschlusses zum Jahresende. Nur etwa ein Viertel der Ehrenamtlichen würden wohl noch 2022 ihr Geld bekommen, der Rest dann bis Mitte Januar.
Statt der Überweisung erhielt Schmidt am 18. Januar aber die nächste Mail vom Statistikamt. Es komme zu weiteren Verzögerungen, die Mitte Dezember noch nicht bekannt gewesen seien. Die Landesverwaltung
habe zum Jahreswechsel auf ein neues EDV-System umgestellt. „Das bisherige System steht seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung.“Und das neue sei noch nicht voll funktionsfähig. „Eine Auszahlung der Entschädigungen ist daher leider momentan nicht möglich“, heißt es in der Mail. Wann das Geld fließe, sei aktuell unklar.
Zu diesem Zeitpunkt hat Schmidt die Geduld verloren und sich an die „Schwäbische Zeitung“gewandt. „Mich interessieren die internen Schwierigkeiten im Landesamt nicht, die zum Zahlungsverzug führen“, sagt er. „Wenn die ihre Sofware austauschen, ist das nicht mein Problem.“Was hier passiere, könne sich kein Unternehmen erlauben.
In Bayern seien den rund 16.000 Ehrenamtlichen bereits 16,8 Millionen Euro ausgezahlt worden, erklärt derweil eine Sprecherin des Statistischen Landesamts in Fürth. „Lediglich bei wenigen Nachzüglern sind noch Abrechnungen ausstehend.“
Seitdem die „Schwäbische Zeitung“vergangene Woche eine Anfrage beim Stuttgarter Amt gestartet hat, gibt es auch Bewegung im Südwesten.
Der Großteil der Zahlungsanweisung sei vergangene Woche erfolgt, die meisten Ehrenamtlichen sollten ihr Geld bereits auf dem Konto haben. Für den Rest sei das am Montag in Auftrag gegeben worden, hier sollte das Geld im Laufe dieser Woche ankommen. „Wir bedauern die verspätete Auszahlung an die Erhebungsbeauftragten der Wiederholungsbefragung und bitten die damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen“, erklärt Anke Rigbers, Präsidentin des Statistischen Landesamts. „Gleichzeitig sind wir froh, dass inzwischen alle Zahlungsanweisungen abgeschlossen werden konnten und nun auch die letzten Erhebungsbeauftragten in den kommenden Tagen ihr Geld erhalten.“
Zu diesen gehört wohl auch HansJürgen Schmidt. Das Geld ist zwar noch nicht da, aber er hat am Montag zumindest eine Abrechnungsübersicht vom Statistikamt geschickt bekommen. Das Finanzministerium habe „eine technische Übergangslösung für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung gefunden“, heißt es in der begleitenden Mail.