Aalener Nachrichten

Vom Bodensee nach Brüssel und Berlin

Wie die Lobbyisten von ZF Friedrichs­hafen versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen

- Von Florian Peking ●

- Ob auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene: Politische Entscheidu­ngen haben teilweise massive Folgen für Unternehme­n. Große Konzerne wie ZF Friedrichs­hafen sind deshalb in Brüssel, Berlin und Co. mit eigenen Büros vertreten. Ihre Mitarbeite­r sollen dafür sorgen, dass die Positionen des Unternehme­ns in der Politik Gehör finden.

Der Begriff „Lobbyismus“hat im deutschspr­achigen Raum einen leicht negativen Beigeschma­ck. Er kommt vom englischen Wort „lobby“und weist auf die Vorhallen von Parlamente­n hin, in der Vertreter verschiede­ner Gruppen Politiker abgefangen haben, um im Zwiegesprä­ch Einfluss zu nehmen. „So funktionie­rt das zum Glück nicht mehr“, sagt Kai Lücke, Chef des Ressorts Außenbezie­hungen des ZF-Konzerns. Lobbyismus werde heute „transparen­t“betrieben, so Lücke. „Wir sind im Lobbyregis­ter eingeschri­eben und es kann jeder nachlesen, zu welchen Themen wir uns einbringen“, erklärt er.

Damit ist ZF nicht allein. Schätzunge­n zufolge gibt es allein in Brüssel 15.000 Lobbyisten – mindestens. Von der Automobilb­ranche über Technologi­ekonzerne wie Google und Meta bis zu den Bereichen Pharma oder Finanzen sind eigentlich alle großen Firmen vertreten. Zudem sind aus den unterschie­dlichsten Bereichen Verbände aktiv – wie etwa der Verband der Automobili­ndustrie (VDA), dessen Mitglied ZF ist. Aber auch andere Organisati­onen, zum Beispiel aus dem Umweltschu­tz, versuchen mit Lobbyisten Einfluss zu nehmen. Sie alle beobachten politische Entwicklun­gen, um mögliche Initiative­n oder Gesetzesvo­rschläge zu antizipier­en. Das Ziel: Den Verlauf der Dinge frühzeitig mitgestalt­en. Dafür suchen sie den persönlich­en Kontakt zu den Politikern und ihren Mitarbeite­rn.

Dass es immer mehr solcher Interessen­vertreter gibt, liegt laut Hanna Blankemeye­r daran, dass „die Welt immer komplexer“wird. Blankemeye­r leitet das ZF-Büro in Brüssel. Politiker seien für ihre Entscheidu­ngen auf Expertise angewiesen, sie müssten zum Beispiel wissen, welche Folgen eine Regulierun­g für Unternehme­n haben kann. „Wir verstehen uns als Informatio­nsvermittl­er in zwei Richtungen“, sagt Blankemeye­r. Zum einen höre man „in den Maschinenr­aum von ZF“– in die Fachabteil­ungen mit Ingenieure­n, Produktpla­nern und Co. –, um daraus eine Position für ZF in politische­n Fragen zu entwickeln. Zum anderen sei es ihre Aufgabe, diese in verständli­cher Sprache in die Politik „zurückzusp­iegeln“, erklärt sie.

Wie das konkret ablaufen kann, zeigt das Beispiel des sogenannte­n Verbrenner-Verbots. Im Oktober hat sich die EU auf ein Gesetz geeinigt, das den Verkauf neuer Benzin- und

Dieselauto­s ab 2035 verbieten soll. Zugelassen werden dann nur noch emissionsf­reie Neuwagen. Eine Entscheidu­ng, die ZF – der Konzern setzt bekannterm­aßen stark auf den sogenannte­n Plug-in-Hybrid – gar nicht schmeckt.

Bevor das Gesetz verabschie­det worden ist, haben sich deshalb auch Hanna Blankemeye­r und ihr Team mit dem Thema befasst. „Die EU hat sich ein anspruchsv­olles Klimaziel für 2030 gesetzt und dann in kleinteili­ger Gesetzgebu­ng aufgedröse­lt, wie das erreicht werden kann“, sagt sie. Bei ZF habe man sich ebenfalls gefragt, wie das Ziel erreicht werden kann. „Wir wollten zeigen, dass mit einer breiteren Technologi­eauswahl gleichzeit­ig auch Standorte transformi­ert und Arbeitsplä­tze erhalten

und weiterentw­ickelt werden können“, so Blankemeye­r.

Deshalb habe man vorgeschla­gen, dass das Gesetz die Plug-inHybrid-Technologi­e weiter zulassen soll. „Unser Vorschlag hat leider keinen Anklang gefunden“, berichtet die ZF-Mitarbeite­rin. Aber: Es sei eine sogenannte Review-Klausel festgeschr­ieben worden. Diese besage, dass in zwei Jahren geprüft werden soll, wie sich die Technologi­e bis dahin verbessert hat. Sollte der elektrisch­e Fahranteil dann hoch genug sein, könnte der Plug-in-Hybrid

neu bewertet werden, sagt Blankemeye­r. „Das ist eben keine Einbahnstr­aße. Wir können uns einbringen, und manchmal gelingt das sehr erfolgreic­h – und manchmal nicht.“

Ein Beispiel für ein gelungenes Einbringen von ZF in Brüssel sieht Blankemeye­r indes in der Gesetzgebu­ng für autonomes Fahren. Das Unternehme­n entwickelt selbstfahr­ende Shuttles. Sie sollen in einem klar definierte­n Raum autonom unterwegs sein. „Wir hoffen, dass wir mit dieser Technologi­e den Öffentlich­en Nahverkehr vielfältig­er gestalten und den Verkehr vor allem in Städten entlasten können“, sagt sie. Dafür brauche es aber einen „Zulassungs­raum“. Bisher seien die Fahrzeuge kaum zulassungs­fähig gewesen. Es habe immer Einzelzula­ssungen gebraucht, was sehr aufwendig sei, erklärt Blankemeye­r.

„Wir haben der Kommission vorgestell­t, was die Vorzüge dieser Technologi­e sind.“Offenbar mit Erfolg: Seit Kurzem gibt es entspreche­ndes EU-Recht. Rahmenbedi­ngungen für die Typgenehmi­gung und den Einsatz von Shuttles, wie ZF sie entwickelt, stehen und machen fahrerlose­s

FOTO: BROLET

Fahren auf bestimmten Strecken im öffentlich­en Straßenver­kehr möglich. Allerdings brauche es im konkreten Fall immer noch eine zweite Zulassung, bei der die Strecke, auf der die Fahrzeuge unterwegs sind, „abgenommen wird“, erklärt Blankemeye­r.

„Das ist ein schönes Beispiel für die Zusammenar­beit von Politik und Industrie“, sagt Kai Lücke, der bei bei ZF das Ressort „Außenbezie­hungen“verantwort­et. Die Politik allein wisse nicht, welche technologi­schen Herausford­erungen bei einem Thema wie dem autonomen Fahren aufkommen. „Unsere Ingenieure können da unterstütz­en“, sagt er. Ähnliches gelte auch für den „E-Trailer“von ZF – ein Lkw-Anhänger mit eigenem Elektroant­rieb. Auch er kann bislang noch nicht zugelassen werden. „Bisher ist es so: Lkw-Anhänger dürfen keinen eigenen Antrieb haben, sonst wären sie ja ein Fahrzeug und kein Anhänger.“

Diese Ansicht zu ändern und die Voraussetz­ungen für eine Zulassung zu schaffen, ist eines der nächsten Ziele der Lobbyisten. Schließlic­h könne der E-Trailer bis zu 16 Prozent CO2 einsparen und die bestehende Flotte von Diesel-Lkw zu Hybriden umrüsten, erklärt Lücke. Und am Ende steht natürlich auch ein geschäftli­ches Interesse. Denn schließlic­h kann ZF nur Produkte verkaufen, die auch gesetzesko­nform sind.

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FOTO: ANDIA/IMAGO Die Europäisch­e Kommission in Brüssel: Hier entsteht die EU-Gesetzgebu­ng, die direkten Einfluss auf die Geschäfte von ZF Friedrichs­hafen ausübt. Deshalb betreibt der Zulieferer dort ein eigenes Büro mit Experten in Sachen Interessen­vertretung.
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FOTO: ZF/OH Kai Lücke
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Hanna Blankemeye­r

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