„Wir müssten uns auf das Schlimmste einstellen“
BERLIN - Eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus würde die Dringlichkeit erhöhen, dass Europa sich von den USA unabhängig macht, sagt der Politikberater
Josef Braml (Foto: oh), Generalsekretär der Trilateralen Kommission Deutschland.
Welche Chancen rechnen Sie Donald Trump aus, wenn er 2024 in den USA erneut als Präsidentschaftskandidat der Republikaner antritt?
Zurzeit sieht es in Umfragen so aus, dass sein Hauptwidersacher Ron deSantis die Nase vorn haben würde. Aber das sind nur Momentaufnahmen. Es kann noch viel passieren. Vor allem wird es noch andere geben, die aus der Deckung kommen werden, wie jetzt ExVizepräsident Mike Pence und Ex-Außenminister Mike Pompeo. Und wenn das Feld größer wird, könnten sich die Konkurrenten gegenseitig ausstechen. Zu guter Letzt könnte Trump dank seines harten Kerns von Anhängern doch wieder die Nase vorn haben.
Würde es denn einen Unterschied machen, ob Trump oder ein anderer Kandidat seiner Prägung für die Republikaner antritt?
Falls Trump verlieren sollte, könnte es erneut zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen wie am 6. Januar 2021 kommen. Die USA haben riesige Demokratiedefizite, mit denen sie zu kämpfen haben. Das raubt ihnen Kraft für den Einsatz für die regelbasierte Weltordnung, auf die unsere Sicherheit und unser Wohlstand aufbauen. Außerdem werden die USA die Hinwendung nach Asien forcieren, egal, wer im Weißen Haus sitzt. Das wird uns wichtige Entscheidungen abverlangen, etwa was die Entkopplung der Wirtschaft von China betrifft, die die USA anstreben.
Was würde die Rückkehr des Trumpismus für Deutschland und Europa bedeuten?
Beim nächsten Mal wäre Trump nur noch von Loyalisten umgeben. Die sogenannten Erwachsenen, die Trumps schlimmste Entscheidungen
in der ersten Amtszeit abgemildert haben, werden nicht mehr dabei sein. Da müssten wir uns auf das Schlimmste einstellen. Aber vielleicht hätte das den positiven Effekt, dass wir in einigen Bereichen endlich aufwachen.
Zum Beispiel?
Wir müssen uns unabhängiger von Amerika machen. Wir brauchen endlich das eigene europäische Kampfflugzeug FCAS, das zusammen mit Frankreich gebaut werden soll. Statt US-Rüstungsfirmen Milliarden für atomwaffentaugliche Kampfflugzeuge in den Rachen zu werfen, sollten wir das Angebot Frankreichs annehmen, dessen atomare Abschreckung zu nutzen. Es kann nämlich sein, dass unter Trump der amerikanische Schutzschild nicht mehr viel wert ist.
Wir sollten aus Ihrer Sicht also die nukleare Teilhabe von den USA an Frankreich übergeben?
Ja, im Rahmen der Nato. Die Franzosen können militärisch führen, die Deutschen wirtschaftlich. Und die EU muss darangehen, den Euro als Weltleitwährung aufzubauen.