Aalener Nachrichten

Eklat bei Nobelpreis­trägertagu­ng in Lindau

Disput zwischen israelisch­em Nobelpreis­träger und palästinen­sischem Wissenscha­ftler

- Von Julia Baumann

- Bei der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng vergangene Woche ist es offenbar zu einem Konflikt zwischen dem israelisch­en Nobelpreis­träger Dan Shechtman und einem palästinen­sischen Studenten gekommen. Die Verantwort­lichen haben den Vorfall mit den Betroffene­n aufgearbei­tet. Es soll Konsequenz­en für kommende Tagungen geben.

Bei der Tagung treffen jedes Jahr eine Woche lang Nobelpreis­träger und junge Wissenscha­ftler aus der ganzen Welt aufeinande­r. Es gibt auch lockere Formate wie der so genannte „offene Austausch“, bei dem Studenten und Nobelpreis­träger ins Gespräch kommen sollen, ohne dass ein konkretes Thema vorgegeben ist.

Zu solch einem Austausch traf sich der 81-jährige Dan Shechtman vergangene Woche mit rund 100 Studenten im Hotel Bayerische­r Hof. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“soll Shechtman dabei einen Studenten, der sich als Palästinen­ser vorstellte, wegen dessen Herkunft angegangen sein. Die Frage, die der Nachwuchsw­issenschaf­tler gestellt hatte, soll der Nobelpreis­träger hingegen nicht beantworte­t haben. Einige Studenten sollen darüber so verärgert gewesen sein, dass sie die Veranstalt­ung vorzeitig verließen.

Es waren etwa ein Dutzend, wie Wolfgang Huang, der die Geschäftss­telle der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ngen

leitet, bestätigt. Insgesamt äußerten rund 20 der 100 Teilnehmen­den gegenüber dem Kuratorium „Bedenken“bezüglich der Bemerkunge­n Shechtmans.

Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“meldete sich der israelisch­e Nobelpreis­träger Shechtman persönlich. Er habe alle Studenten aufgeforde­rt, sich vorzustell­en und zu sagen, woher sie kommen. „Der Student, um den es geht, sagte mir, er sei aus der Stadt Tarschiha in Palästina“, sagt Shechtman. „Ich habe ihm gesagt, dass Ma’alot Tarschiha eine Stadt in Israel ist und er damit auch aus Israel ist. Und ich habe hinzugefüg­t: Schau in deinen Pass.“Danach, so Shechtman, habe er die Frage des Studenten wie jede andere Frage beantworte­t.

Dass der Student gesagt habe, er sei aus Palästina, habe ihn „tief verletzt“, so Shechtman. Während er selbst dankbar sei für die Möglichkei­ten, die Israel ihm geboten habe, „schätzt dieser Student die Möglichkei­ten nicht, die Israel ihm bietet“.

Shechtman ist 1941 in Tel Aviv geboren und studierte am Israelisch­en Institut für Technologi­e in der Hafenstadt Haifa, wo er heute unter anderem als Professor arbeitet. Der Student, mit dem es zum Disput kam, ist im Libanon geboren, wo viele Araber, die aus Israel geflohen sind, als Staatenlos­e leben. Laut den Verantwort­lichen der Tagung studiert der junge Wissenscha­ftler in den USA, für die Tagung akkreditie­rt habe er sich als Palästinen­ser. Deutschlan­d erkennt den „Staat Palästina“, zu dem der Gaza-Streifen und das Westjordan­land zählen, nicht an. Die Stadt MaalotTars­chiha, die der Student als Heimatstad­t angegeben hat, liegt weder im Westjordan­land noch im GazaStreif­en. Sie liegt im Norden Israels nahe der Grenze zum Libanon.

Bei dem „offenen Austausch“habe es provokante Fragen gehagelt, die mit Wissenscha­ft nichts zu tun gehabt hätten, so Shechtman, der von einer „antiisrael­ischen Bewegung“unter den Studenten spricht.

Dass es um einen gezielten Angriff auf Shechtman ging, glauben die Verantwort­lichen der Nobelpreis­trägertagu­ngen nicht. Das Kuratorium nehme die Äußerungen Studierend­er sehr ernst. Dessen Präsidenti­n Bettina Gräfin Bernadotte habe mit dem Nobelpreis­träger gesprochen. Dieser habe bestätigt, dass er Wissenscha­ftler aus allen Ländern und ihre Nationalit­äten schätzt, „insbesonde­re auch aus arabischen Ländern“.

Am Tag nach dem Eklat seien alle, die sich beim Kuratorium gemeldet hatten, zu einer 90-minütigen Diskussion­srunde mit Gräfin Bettina eingeladen worden. Das Kuratorium überlege, ob es für Formate wie den „offenen Austausch“doch eine Art Moderator brauche, so Wolfgang Huang. Bereits vergangene Woche hatte das Kuratorium beschlosse­n, für die nächsten Tagungen eine Ombudspers­on einzusetze­n, an die sich Teilnehmer wenden können.

 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Der israelisch­e Nobelpreis­träger Dan Shechtman in Lindau im Gespräch mit jungen Wissenscha­ftlerinnen.
ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der israelisch­e Nobelpreis­träger Dan Shechtman in Lindau im Gespräch mit jungen Wissenscha­ftlerinnen.

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