Neues Aufenthaltsrecht für Geduldete
Bundesregierung will Fachkräftemangel bekämpfen und Integration verbessern
- Die Bundesregierung nennt es „Chancen-Aufenthaltsrecht“, die Opposition spricht von einer nachträglichen Belohnung für illegale Zuwanderer: Das erste Migrationspaket, das die Ampel-Koalition am Mittwoch beschlossen hat, dürfte im Bundestag nach der Sommerpause hitzig debattiert werden. Denn dabei geht es auch um die Frage, ob Zuwanderer, die nicht politisch verfolgt sind, in Deutschland dauerhaft bleiben können.
Die Bundesregierung hat sich für ein Ja mit Auflagen entschieden. Gut integrierte Migranten sollen die Chance auf einen sicheren Aufenthaltstitel bekommen. Konkret bedeutet das: Wer zum Stichtag 1. Januar 2022 seit fünf Jahren als Geduldeter in Deutschland gelebt hat, bekommt ein „Chancen-Aufenthaltsrecht“, das auf ein Jahr befristet ist. In dieser Zeit muss es dem Migranten gelingen, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu erfüllen – die Sicherung des Lebensunterhaltes, Sprachkenntnisse und einen Identitätsnachweis. Gelingt dies nicht, fällt er in den Duldungsstatus zurück.
„Der Arbeitskräftemangel ist überall spürbar, im Handwerk, an Flughäfen, in Restaurants. Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht können Geduldete, die sich vorbildlich integriert haben, einen Beitrag leisten“, wirbt Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDPFraktion, für den Entwurf.
Rund 136 000 Menschen, die sich am 31. Dezember 2021 länger als fünf Jahr in Deutschland aufhielten, könnten von der Regelung profitieren – Straftäter jedoch nicht. „Wer Straftaten begeht oder hartnäckig Angaben über seine Identität verweigert, bleibt vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Die Abschiebehaft für Straftäter soll von drei auf maximal sechs Monate verlängert werden, um den Behörden mehr Zeit für die Vorbereitung zu geben. Insgesamt hielten sich Ende 2021 rund 242 000 geduldete Ausländer in Deutschland auf.
Auch für Menschen, die nach dem 31. Dezember 2021 ins Land gekommen sind, sollen die Hürden für das Bleiberecht sinken: Gut integrierte Jugendliche könnten künftig nach drei statt bisher vier Jahren eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Bei Erwachsenen und Familien mit Kindern werden die Fristen auf sechs (bislang acht) beziehungsweise vier (bislang sechs) Jahre verkürzt – vorausgesetzt, sie sorgen für ihren Lebensunterhalt.
Der Union gefällt es überhaupt nicht, dass geduldete Geflüchtete künftig leichter in Deutschland bleiben können. Die Ampel belohne „insbesondere Ausländer, die nicht schutzbedürftig sind und sich hartnäckig geweigert haben, Deutschland zu verlassen, obwohl sie nach dem Gesetz dazu verpflichtet wären“, kritisierte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm. So schaffe die Regierung massive Anreize
für illegale Migration nach Deutschland. Das sieht Stephan Thomae anders: „Als Stichtagsregelung ausgestaltet wird das Chancen-Aufenthaltsrecht zu keinem Pull-Effekt führen“, teilte er der „Schwäbischen Zeitung“mit.
Die Ampel hat bei ihren Migrationspaketen nicht nur geflohene Menschen im Blick, sondern auch ausländische Fachkräfte. Deutschland soll für sie attraktiver werden, indem beim Nachzug ihrer Familien künftig auf einen Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet wird.
Gleichzeitig sollen künftig alle Asylbewerber die Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen. Sie können deshalb an einem Integrationskurs teilnehmen, auch wenn ihre Chancen, anerkannt zu werden, gering sind.