Nötig ist eine gezielte Strategie
Deutschland fehlen Flughafenmitarbeiter, Busfahrer, Lokomotivführer, Kellner, Köche, Programmierer, Pfleger, Ingenieure. Der Mangel ist nicht überraschend, doch der drohende Ausfall des Sommerurlaubs hat das Problem so deutlich gemacht, dass es keiner mehr ignorieren kann, weil Menschen fehlen, die Koffer tragen, Tickets entgegennehmen, Handgepäck kontrollieren oder Flugzeugtüren schließen.
Die Regierung reagiert mit einem Anwerbeprogramm für ausländische Kräfte in der Luftfahrtbranche, das in Zukunft auf die Gastronomie ausgeweitet werden soll, die unter ähnlicher Personalnot leidet. Klar ist aber, dass diese befristet angelegte Lösung das eigentliche Problem nicht lösen wird. Denn die Bundesrepublik hat nicht nur viel zu wenig ausgebildete Facharbeiter, sondern insgesamt zu wenige Arbeitskräfte. Und diese Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich verschlimmern, wenn bald die Babyboomer in Rente gehen.
Wie verheerend sich die Situation darstellt, zeigt ein Blick auf den „Karrieretag Familienunternehmen“in Künzelsau. Dort haben 51 vorwiegend baden-württembergische Unternehmen 500 Arbeitssuchende eingeladen – und bei ihnen Jobinterviews angefragt. Der Wind hat sich gedreht: Inzwischen müssen sich Unternehmen bei Bewerbern bewerben.
Dass die Not zurzeit in den Branchen am eklatantesten ist, deren Ruf im Hinblick auf Arbeitszeiten, berufliches Image und Bezahlung nicht der beste ist, verwundert nicht. Aus dem Arbeitsmarkt, auf dem die Unternehmen am längeren Hebel saßen, ist ein Markt geworden, in dem die Arbeitnehmer ihre Macht zu nutzen wissen und sich bessere Jobs suchen.
Nötig ist deshalb eine umfassende Strategie, die einerseits die Einwanderung in den Arbeitsmarkt durch Anerkennung von Abschlüssen und Sprachunterricht gezielt fördert und andererseits alle Ressourcen im Inland hebt. Dazu gehören verbesserte Betreuungsmöglichkeiten von Kindern arbeitswilliger Eltern, die stärkere Einbeziehung von Schul- und Studienabbrechern – und höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedinungen in den Problembranchen.