Alessandro Zanardi und der Kampf um sein Leben
Vor 20 Jahren verlor der Rennfahrer nach einem Horrorunfall beide Beine
(SID) - Kurz bevor Alessandro Zanardi in den Rettungshubschrauber gehievt wird, beugt sich in all der Hektik noch ein Priester über ihn. Der Diener Gottes gibt Zanardi die Letzte Ölung – mit Motorenöl aus seinem zerfetzten Rennwagen. Niemand glaubt vor 20 Jahren daran, dass der Italiener diesen Horrorunfall auf dem Lausitzring überleben wird.
15. September 2001, Gastspiel der US-Rennserie Champ Car in der Lausitz: Zanardi gerät nach einem Boxenstopp ins Schleudern, dreht unkontrolliert auf die Strecke, Alex Tagliani kommt mit Tempo 320 angerast, sein Wagen bohrt sich in den von Zanardi, reißt den Boliden in Stücke. Dabei werden Zanardis Beine abgetrennt, eins oberhalb des Knies, eins unterhalb.
Knapp 90 000 Fans an der Strecke halten den Atem an, die ARD bricht die Übertragung ab, Rennarzt Terry Trammell drückt mit Daumen und Zeigefingern verzweifelt Arterien zu. Zanardi verliert literweise Blut, sein Herz bleibt siebenmal stehen.
Doch Zanardi stirbt nicht. Er kämpft sich zurück ins Leben. Über Wochen, Monate, Jahre. Seine Geschichte und sein Wille bewegen die Welt. „Seine Kraft, seine Selbstironie und seine menschliche Tiefe haben einen Sportler zu einer Ikone gemacht“, schrieb einmal der Corriere dello Sport über den heute 54-Jährigen, den das Schicksal am 19. Juni 2020 erneut eingeholt hat.
Zanardi, der schon 2005 wieder Autorennen fährt, 2014 am Ironman Hawaii teilnimmt und mit dem Handbike zu einem ParalympicsChampion aufsteigt, kollidiert vor einem Jahr beim Training für die Paralympics in Tokio mit einem Lastwagen.
Erneut wandelt der ehemalige Formel-1-Fahrer zwischen Leben und Tod, selbst Papst Franziskus nimmt Anteil am Drama um Zanardi, betet für ihn. Noch immer liegt Zanardi in einer Spezialklinik zur Reha.
Die Fans bangen weiter mit ihrem Helden, vor allem für die Italiener ist Zanardi längst mehr als ein Athlet – er gibt ihnen Hoffnung, dass es auch in schweren Stunden weitergeht. Ihm ist das fast ein bisschen peinlich. „Die alleinerziehende Mutter, die jeden Tag früh aufsteht und zur Arbeit geht, um ihre Kinder durchzubringen, auch wenn es ihr überhaupt nicht gut geht – ist die nicht viel mehr Inspiration?“, fragte er einmal.
Zanardi haderte nicht, wenn er auf den 15. September 2001 zurückschaute. „Der Unfall war kein dunkler Moment meiner Karriere. Ich bin sogar dankbar, weil ich durch den Unfall eine ganz neue Welt entdeckt habe“, sagte er: Und: „Seitdem mag ich Bier. Das muss an dem vielen deutschen Blut liegen, das ich bekommen habe.“