Haitis Präsident Moïse in seinem Haus erschossen
Premierminister ruft Ausnahmezustand aus – Hintergründe der Attacke zunächst unklar
(dpa) - Unbekannte sind in die Residenz des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse eingedrungen und haben ihn erschossen. Seine Ehefrau Martine Moïse sei bei dem Angriff am Rande der Hauptstadt Port-au-Prince in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) verletzt worden, teilte der Außenminister des Karibikstaats, Claude Joseph, mit. In einer Ansprache an die Nation rief Joseph den Belagerungszustand im ganzen Land aus. Die Lage sei aber unter Kontrolle.
Die Angreifer hätten Spanisch und Englisch gesprochen, sagte Joseph, der zuletzt auch ÜbergangsPremierminister war und sich weiterhin als solcher bezeichnete. Die Hintergründe waren zunächst unklar. „Obwohl noch Details herauskommen, kann zum jetzigen Zeitpunkt bestätigt werden, dass es sich um einen wohl koordinierten Angriff durch eine gut ausgebildete und schwer bewaffnete Gruppe handelte“, teilte Haitis Botschaft in den USA mit.
In sozialen Medien wurden Videos verbreitet, die um die Präsidentenresidenz im wohlhabenden Vorort Pétion-Ville entstanden sein sollen. In einem Video soll einer der Angreifer auf Englisch rufen, es handle sich um einen Einsatz der US-Antidrogenbehörde DEA. Nach Medienberichten schloss die spanischsprachige Dominikanische Republik, die sich die Insel Hispaniola mit Haiti teilt, ihre Grenze zum Nachbarland.
Haiti steckte schon zuvor in einer tiefen politischen Krise. Da eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moïse ausgefallen war, hat das Land seit Beginn der neuen Legislaturperiode im Januar 2020 kein Parlament mehr. Moïse regierte seither per Dekret. Erst am Montag hatte er Ariel Henry zum siebten Premierminister seiner Amtszeit ernannt – und damit zum Nachfolger von Joseph.
Proteste gegen Moïse haben Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption und Verbindungen zu gewalttätigen Banden vorgeworfen. Am 26. September stehen Präsidentenund Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum an. Mit dem Referendum wollte Moïse die Rolle des Staatschefs stärken.