Aalener Nachrichten

Baerbock kämpft um ihre Glaubwürdi­gkeit

Kanzlerkan­didatin der Grünen verteidigt sich gegen Plagiatsvo­rwürfe

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Von Dorothee Torebko und dpa

- „80 oder 120 Prozent?“, „Frauen oder Männer?“: Annalena Baerbock sitzt auf der Bühne eingerahmt von zwei Journalist­innen der Zeitschrif­t „Brigitte“und pariert Fragen im Akkord. „Fehler machen oder vermeiden?“, fragt eine der beiden. Baerbock antwortet: „Fehler machen“. Dann geht es um die Fehler, die die grüne Kanzlerkan­didatin in den vergangene­n Wochen gemacht hat. Davon gab es einige.

Zu spät gemeldete Boni, Ungenauigk­eiten im Lebenslauf, und nun hat Baerbock an mehreren Stellen in ihrem Buch von anderen abgeschrie­ben. Die Glaubwürdi­gkeit der Kanzlerkan­didatin hat gelitten. Und die Grünen stehen plötzlich als Dilettante­n in der Kommunikat­ion da. Der Druck auf die Kandidatin und ihre Partei ist enorm. Kein Wunder: Erstmals in ihrer Geschichte nehmen die Grünen das Kanzleramt ins Visier. Erstmals greifen sie nach der Macht.

Der Auftritt beim „Brigitte“-Talk war mit Spannung erwartet worden.

Baerbock sprach zum ersten Mal über die Plagiatsvo­rwürfe. „Ich habe ein Buch geschriebe­n, in dem ich deutlich machen wollte, wer ich bin, was mich antreibt und was ich verändern möchte.“Sie habe „viele Gespräche geführt und auch Ideen von anderen sind mit eingefloss­en“, sagte sie. Es sei kein Sachbuch, keine wissenscha­ftliche Arbeit. Deswegen gebe es auch keine Fußnoten. Damit war das Thema erledigt – zumindest für den Moment. Die Frage, wie sich die auffällige­n Passagen in ihrem Buch erklären, bleibt unbeantwor­tet. Stattdesse­n betont Baerbock erneut, es gebe keine Urheberrec­htsverletz­ungen. Was sie nicht sagt: Ob sie abgeschrie­ben hat. Stattdesse­n weist sie auf strittige Vorwürfe hin und lenkt den Blick so weg von Formulieru­ngen, die ins Auge springen. Doch im Internet brodelte es am Freitag weiter.

Die „Bild“veröffentl­ichte weitere Stellen, bei denen Baerbock angeblich von ihrem Parteifreu­nd Jürgen Trittin abgeschrie­ben haben soll. Die Twitter-Gemeinde nahm das auf und fragte, wann denn Partei-Co-Chef Robert Habeck an die Stelle Baerbocks treten werde und verwies auf eine Umfrage zur fehlenden Glaubwürdi­gkeit der grünen Parteichef­in.

Spitzen aus Partei und Fraktion hatten sich schützend vor Baerbock gestellt. „In der Partei herrscht das Gefühl einer entschloss­enen Gegenreakt­ion. Im Sinne von: So lassen wir nicht mit uns umgehen“, sagte Fraktionsv­ize Oliver Krischer der

„Schwäbisch­en Zeitung“. Angst, dass Baerbock die Erwartunge­n nicht erfüllen und die Partei eine krachende Niederlage in drei Monaten einfahren könne, habe er nicht. Im Gegenteil. Die Situation sei eine ganz andere als vor den Bundestags­wahlen 2013 und 2017, als die Grünen nur magere Zustimmung­swerte einfuhren. „Die Menschen sind der Großen Koalition überdrüssi­g. Sie wollen den Wechsel“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e.

Doch wie künftig auf solche Attacken reagieren? Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner sprach im ZDF davon, dass man dem Vorwurf der Urheberrec­htsverletz­ung ein „Stoppschil­d setzen“wolle. „Das lassen wir uns nicht gefallen“, sagte er. In den vergangene­n Wochen seien „bewusst Falschbeha­uptungen“in die Welt gesetzt worden. Baerbock hat kein Interesse daran, selbst mit Schmutz um sich zu werfen. „Lasst uns streiten – aber mit Respekt“– das sei ihr Motto, sagte sie. Wie lange sie das durchhält, werden die kommenden Wochen zeigen.

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FOTO: MACDOUGALL/AFP Annalena Baerbock

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