„Schwangere haben höheres Risiko für Komplikationen“
Noch keine Impfempfehlung für werdende Mütter – Virologe Mertens erklärt die Gründe
- Schwangere werden in Deutschland bislang lediglich in Ausnahmefällen geimpft – dabei gab es zuletzt in dieser Gruppe eine steigende Zahl an schweren Corona-Erkrankungen. Warum eine Impfung für werdende Mütter bislang noch nicht generell empfohlen wird, erklärt Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) am RobertKoch-Institut, im Gespräch mit Ulrich Mendelin.
Inwieweit ist eine Infektion für eine schwangere Frau
– und für das ungeborene Kind – ein besonderes Risiko?
Im Gegensatz zu Daten, die am Anfang der Pandemie erhoben wurden, hat sich in den letzten Monaten klar gezeigt, dass Schwangere bei einer Covid-19-Erkrankung ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf und Schwangerschaftskomplikationen haben. Das Risiko für die Notwendigkeit einer Behandlung auf der Intensivstation und künstliche Beatmung war je nach Vorerkrankungen der Schwangeren – Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck – um den Faktor 1,6 bis 4,5 höher als bei nicht infizierten Schwangeren. Die Rate der Fehl- und Frühgeburten war je nach Schwere der Erkrankung um den Faktor 1,8 bis 4,3 höher. Auch die gefürchtete Präeklampsie trat bei den mit Sars-CoV-2 infizierten Frauen häufiger auf. Letztlich waren auch die Neugeborenen häufiger krank und mussten selbst stationär behandelt werden.
In den USA wurden bereits deutlich mehr Schwangere geimpft als in Deutschland. Was lässt sich aus den dort erzeugten Daten ablesen?
Die derzeit verfügbaren Daten aus den USA werden derzeit häufig überinterpretiert und zum Beweis für die Sicherheit der Impfung in der Schwangerschaft angegeben. Es sind zwar in einem Selbstmeldeverfahren über eine App mittlerweile circa 100 000 geimpfte Schwangere erfasst worden, aber nur bei circa 5000 konnte bislang die ganze Schwangerschaft bis zur Geburt eines Kindes ausgewertet werden. In einem ebenfalls passiven allgemeinen Selbstmeldeverfahren für Nebenwirkungen der Impfung ist bei Schwangeren keine besondere Häufung von Nebenwirkungen der Impfung festgestellt worden, allerdings ohne Verlaufsbeobachtung der Schwangerschaft. Beide Ergebnisse sind Hinweise auf die Sicherheit der Impfung in der Schwangerschaft, sind aber sicher derzeit nicht ausreichend für eine evidenzbasierte generelle Empfehlung der Impfung in der Schwangerschaft. Kontrollierte Studien liegen bislang nicht vor. Ergebnisse aus kleinen Studien zeigen, dass die Immunantwort bei geimpften Schwangeren normal ausfällt.
Wird die Stiko ihre Empfehlungen zur Impfung Schwangerer demnächst entsprechend anpassen?
Die Stiko ist sich des Problems sehr bewusst und natürlich kennt sie den großen „öffentlichen Druck“, der derzeit erzeugt worden ist. Für die Stiko stellt sich die Frage, wie viele fehlende Daten für eine Empfehlung erträglich erscheinen und welche Möglichkeiten zur teilweisen Lösung des Problems existieren.