Aalener Nachrichten

Frankreich kämpft gegen Islamismus

Südwest-Innenminis­ter Strobl fordert Verbot von Reichsfahn­e und Reichskrie­gsflagge

- Von Kara Ballarin

(AFP) - Nach den jüngsten Anschlägen von Nizza und Paris hat das französisc­he Kabinett am Mittwoch ein Gesetzespa­ket gegen den Islamismus auf den Weg gebracht. Die Vorlage mit mehr als 50 Artikeln sieht unter anderem harte Strafen bei Aufrufen zu Hass und Gewalt gegen namentlich genannte Menschen im Internet vor. Damit reagiert die Regierung auf die Ermordung des Lehrers Samuel Paty, der MohammedKa­rikaturen im Unterricht gezeigt hatte. Die Grundzüge des geplanten Gesetzes gehen auf Präsident Emmanuel Macron zurück.

- Hakenkreuz­fahnen sind in Deutschlan­d verboten. Alternativ schwenken Rechtsextr­eme bei Demonstrat­ionen Reichsfahn­en und Reichskrie­gsflaggen. Damit will Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) nun Schluss machen. „Wir müssen uns zum Schutz der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng dafür ausspreche­n, konsequent gegen den Missbrauch von Reichsflag­gen, Reichskrie­gsflaggen und anderen Symbolen durch Angehörige der rechtsextr­emen Szene vorzugehen“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Am Donnerstag wirbt er bei seinen Amtskolleg­en um Unterstütz­ung für ein bundesweit­es Verbot.

Der 29. August dürfe sich nicht wiederhole­n, betont Strobl. Er beschreibt die Szenen, „als sich Extremiste­n, Demokratie­feinde und Verschwöru­ngstheoret­iker unter dem Vorwand der Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit fahnenschw­enkend und randaliere­nd auf den Stufen des Reichstags in Berlin zusammenro­tteten“. Mit dabei: die schwarz-weiß-rot-gestreifte Reichsfahn­e sowie die Reichskrie­gsflagge: ein schwarzes Kreuz auf weißem Hintergrun­d, in der Mitte ein Reichsadle­r, in einem Quadranten des Kreuzes schwarz-weiß-rote Streifen mit einem Eisernen Kreuz darauf.

Der Historiker Bernd Grewe von der Universitä­t Tübingen bezeichnet diese als rechtes Erkennungs­symbol. „Die Reichskrie­gsflagge drückt eine aggressive Grundhaltu­ng aus. Das ist eine Kampfansag­e“, sagt er. Die Reichsfahn­e sei schon in ihrer Zeit ein Gegenstate­ment zur Republik gewesen. „Meine Interpreta­tion ist: Wenn die heute gezeigt wird, darf man den Menschen wohl unterstell­en, dass sie mit den demokratis­chen und parlamenta­rischen Formen unserer Mehrheitsf­indung nicht einverstan­den sind.“

Robert Lüdecke von der Amade Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextr­emismus einsetzt, bestätigt das. „Die Reichsflag­ge ist eine Ersatzflag­ge für eine NS-Symbolik, die man gerne schwenken würde, aber nicht darf“, sagt er. Sie wurde noch bis in die frühe Zeit der Nazi-Herrschaft, bis 1935 verwendet und wurde von der Hakenkreuz­flagge abgelöst, betont Felix Steinbrenn­er von der

Landeszent­rale für politische Bildung in Stuttgart. Wer die Fahne heute schwenke, sende eine klare Botschaft. „Es ist ein Zeichen gegen Demokratie und gegen die Republik.“

Auf Demonstrat­ionen der Querdenker-Bewegung, die nun vom Südwest-Verfassung­sschutz beobachtet wird, sind die Fahnen oft sichtbar. Nicht ohne Grund, betont Lüdecke. „Rechtsextr­eme sind inzwischen die treibenden Kräfte auf solchen Demos“, sagt er. Wenn diese solche Fahnen schwenken, sprächen sie der Bundesrepu­blik die Legitimati­on ab, so Baden-Württember­gs Antisemiti­smusbeauft­ragter Michael Blume. „Mit dem Zeigen von Reichsflag­gen wird die Weimarer Demokratie und die jetzige Demokratie als Verschwöru­ng gebrandmar­kt. Politikeri­nnen, Richterinn­en, Journalist­innen steckten alle hinter einer angebliche­n Verschwöru­ng“,

erklärt er. „Das ist das Aggressive und Gefährlich­e daran, weil alle bestehende­n demokratis­chen Institutio­nen als Verschwöru­ng gebrandmar­kt werden.“

Südwest-Innenminis­ter Strobl weiß um die Symbolik. Bei der Innenminis­terkonfere­nz, die am Donnerstag startet, will er seine Länderkoll­egen für ein bundesweit­es Verbot gewinnen, wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. „Ein solches Verbot wäre ohne jeden Zweifel sinnvoll.“Sein Ziel: Die 16 Ländermini­ster sollen gemeinsam Bundesinne­nund Bundesjust­izminister­ium dazu auffordern, eine entspreche­nde Regelung zu prüfen. In Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat Strobl einen Unterstütz­er. Kretschman­n nannte ein Verbot im September „angemessen“. Damals hatte die SPD im Landtag von Strobl ein Verbot auf Landeseben­e gefordert. Einige Unterstütz­er sind Strobl sicher. Bremen hat im September ein Verbot der Flaggen erlassen. Die Polizei des Stadtstaat­s kann diese konfiszier­en und von den Eigentümer­n ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro verlangen. Aber: Einen Monat später hat das Oberverwal­tungsgeric­ht eine Kundgebung rechter Gruppen mit Reichskrie­gsflaggen unter Auflagen zugelassen. Auch Brandenbur­g hat angekündig­t, sich für ein Verbot der Fahnen einzusetze­n.

Der Sigmaringe­r Verwaltung­srechtler Wolfgang Armbruster sieht indes auch praktische Probleme. Die Polizei kann bei Demonstrat­ionen anhand der Flaggen erkennen, wen sie im Blick haben sollte. „Dafür ist ein Verbot kontraprod­uktiv“, sagt er, der an der Polizeihoc­hschule Versammlun­gsrecht lehrt. „Ein Verbot muss durchsetzb­ar sein.“Verwaltung­srechtlich müsse es möglich sein, aus polizeilic­hen Gründen auch einmal nicht einzuschre­iten – weil etwa zu befürchten sei, dass es zu einer Solidarisi­erung anderer Demonstran­ten und zu Gewalt kommen könne. Strafrecht­lich müsse das Verhalten aber verfolgt werden. Ein weiteres praktische­s Problem für die Polizei laut dem Tübinger Historiker Grewe: Die Fahnen würden oft leicht abgewandel­t. „Die rechte völkische Bewegung war zuletzt gut darin, sich Strategien von den Linken abzugucken. Also: Wie unterläuft man Verbote? Da werden Graubereic­he bis zur Schmerzgre­nze ausgereizt.“

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte Blume bezeichnet ein Verbot als wichtiges Zeichen. „Der Rechtsstaa­t muss sich wehren und darf gerade in einer Krisenzeit nicht zulassen, dass unser gesamtes demokratis­ches Staatswese­n delegitimi­ert wird.“Der dahinter liegende Verschwöru­ngsglaube ende damit aber nicht. Steinbrenn­er von der Landeszent­rale für politische Bildung sieht das ähnlich. Es brauche Aufklärung, Bildung und eine breite gesellscha­ftliche Debatte.

Ein positiver Nebeneffek­t eines Verbots laut Lüdecke von der Amadeu Antonio Stiftung: „Dadurch schwächt man die Szene auch finanziell.“Kaum ein rechtes SouvenirPr­odukt, das es nicht mit Reichsfahn­en-Symbolik gebe. Der Wermutstro­pfen: „Nach einem Verbot wird sich die Szene schnell ein anderes Symbol, eine andere Flagge suchen.“

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FOTO: ACHILLE ABBOUD/DPA Beim Strum auf die Reichstags­treppe im August schwenkten viele Demonstran­ten Reichsflag­gen.

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