Vier Tage arbeiten, drei Tage frei
Von einem solchen Arbeitszeitmodell erhoffen sich viele Beschäftigte eine bessere Work-Life-Balance
Für die meisten Vollzeitbeschäftigten verteilt sich die Arbeitszeit auf fünf Tage, von Montag bis Freitag, von morgens früh bis irgendwann spät am Nachmittag. Einkaufen, Arzttermin, Spielplatzbesuch, Joggingrunde, Handwerkertermin oder Englischkurs – das alles muss vorher, nachher oder am Wochenende stattfinden. Wäre das nicht alles einfacher, wenn die Arbeitswoche schon nach vier Tagen vorbei ist?
Das Modell erscheint für viele Arbeitnehmer interessant, wie eine repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts Toluna im Auftrag des Personaldienstleisters Manpower zeigt. Mehr als jeder zweite Befragte (55 Prozent) gab darin an, dass er oder sie im Gegenzug für eine Viertagewoche finanzielle Einbußen in Kauf nehmen würde. Und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelte in ihrer Arbeitszeitbefragung 2018, dass knapp die Hälfte der Beschäftigten ihre Arbeitsstunden gern reduzieren würde – und zwar um durchschnittlich neun Stunden in der Woche.
Der erhoffte Effekt tritt meistens ein: „Befragungen zeigen, dass sich eine Arbeitszeitverkürzung bei der überwiegenden Mehrheit der Beschäftigten sehr positiv auf die Zufriedenheit, die Motivation und die Work-Life-Balance auswirkt“, sagt Anna Arlinghaus. Die Psychologin aus Wien forscht seit mehr als zehn Jahren zum Thema Arbeitszeitgestaltung. Die positive Bewertung ist unabhängig davon, wie die gewonnene Zeit genutzt wird – ob für die Betreuung der Kinder, für mehr Sport oder ein Ehrenamt: „Ganz gleich, welche Interessenlage vorliegt, sagen fast alle, dass ihnen die Arbeitszeitverkürzung etwas bringt“, berichtet Arlinghaus.
Zur Viertagewoche führen verschiedene Wege. Die große Ausnahme ist eine Verkürzung der Arbeitszeit
bei gleichem Lohn. Microsoft sorgte im Sommer 2019 mit einem Pilotprojekt in Japan für Aufsehen, das allerdings auf einen Monat befristet war. Der gängige Weg zur Viertagewoche ist ein Teilzeitmodell, bei dem die Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert wird. Wer seit mindestens sechs Monaten in einer Firma mit mehr als 15 Mitarbeitern arbeitet, hat einen Anspruch auf Teilzeit, sofern keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Auf wie viele und welche Wochentage er seine Arbeitszeit verteilt, darf der Arbeitnehmer dabei allerdings nicht allein bestimmen, das geht nur im Konsens mit dem Arbeitgeber. Das Teilzeitmodell reduziert nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch das Gehalt. Wie stark sich der Bruttoverlust dann tatsächlich aufs Nettoeinkommen auswirkt, lässt sich mit dem Online-Teilzeitrechner des Bundesarbeitsministeriums ermitteln.
Eine Viertagewoche lässt sich aber auch bei unveränderter Arbeitszeit realisieren. Die Stunden werden dann auf weniger Tage verteilt. Das Arbeitszeitgesetz gestattet bis zu zehn Stunden lange Arbeitstage, sofern innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt nicht mehr als acht Stunden pro Werktag – als solche gelten die Tage von Montag bis Samstag – mit Arbeit gefüllt sind.
Ein solches Modell praktizieren seit einigen Monaten die Monteure einer Fensterfirma im nordrheinwestfälischen Geilenkirchen. „Sie arbeiten bei gleichen Wochenstunden nur noch von Montag bis Donnerstag“, erzählt Geschäftsführerin Meike Knaut. Im Handwerk ist ein solches Modell noch ungewöhnlicher als in anderen Branchen. „Bei uns hat es sich für alle Beteiligten bewährt“, sagt sie.
Die Mitarbeiter schätzen, dass ihnen der freie Freitag mehr Raum für Erledigungen oder Unternehmungen mit der Familie gewährt. „Und für die Kunden ist es von Vorteil, dass die Arbeit schon nach vier Tagen
erledigt ist oder sie auch Termine am späteren Nachmittag vereinbaren können.“Die guten Erfahrungen haben sich herumgesprochen: „Wir bekommen viele Nachfragen von anderen Handwerksbetrieben, auch von denjenigen, die uns anfangs belächelt haben“, erzählt Knaut.
Ein Patentrezept für die perfekte Planung einer Viertagewoche gibt es nicht. „Das passende Modell hängt von den eigenen Bedürfnissen ab und der Motivation, warum man sich für die Viertagewoche entscheidet“, sagt Karriereberaterin Ann Krombholz. Geht es um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Um einen Gewinn an Lebensqualität? Um mehr Zeit fürs Ehrenamt oder Freiraum zum Aufbau einer Selbstständigkeit? Vier Tage am Stück verlängern das Wochenende. Aber „wenn die Arbeitsbelastung reduziert werden soll, sind zwei Arbeitsblöcke von je zwei Tagen mit einem Tag Pause dazwischen möglicherweise das bessere Modell“, sagt Krombholz.
Fast immer muss die Arbeit neu organisiert werden: „Es darf nicht darum gehen, dieselben Aufgaben in kürzerer Zeit zu leisten“, sagt Arbeitszeitforscherin Arlinghaus. Manche Tätigkeiten lassen sich automatisieren oder auslagern, durch eine Analyse der Abläufe offenbarten sich unnötige Zeitfresser. „Man kann sich auch aktiv Partner suchen, mit denen man sich die Aufgaben teilt.“
Eine gewisse „Experimentierphase“sollte man einkalkulieren, „bis das neue Arbeitszeitmodell auch tatsächlich den eigenen Bedürfnissen entspricht“, rät Karriereberaterin Krombholz. Zu klären ist auch, wie das Modell in den Arbeitsablauf passt. „Zur Planung der neuen Arbeitszeiten gehört auch der Perspektivwechsel“, sagt Krombholz: „Was bedeuten die Veränderungen für das Unternehmen, für das Team?“
Außerdem sollten Berufstätige sich fragen: Was will ich in dem Unternehmen noch erreichen? Bin ich ohnehin schon auf dem Absprung – oder will ich dort noch Karriere machen? Denn auch wer mit einer Viertagewoche kurzfristige Ziele erreicht, sollte die langfristigen Pläne nicht komplett aus dem Blick verlieren. (dpa)
„Es darf nicht darum gehen, dieselben Aufgaben in kürzerer Zeit zu leisten.“
Anna Arlinghaus, Arbeitszeitforscherin