Aalener Nachrichten

Härtere Verbote und Strafen bis 25 000 Euro

Baden-Württember­g und Bayern greifen durch – Am Sonntag Entscheidu­ng über Ausgangssp­erre

- Von Katja Korf

Von Katja Korf, Klaus Wieschemey­er und unseren Agenturen

Im Kampf gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s schränken mehrere Bundesländ­er das öffentlich­e Leben noch drastische­r ein. Am weitesten gehen dabei Bayern und das Saarland: Dort treten an diesem Samstag Ausgangsbe­schränkung­en in Kraft, die Bürger dürfen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Baden-Württember­g kündigte am Freitag ebenfalls verschärft­e Maßnahmen an. Als Reaktion auf die vergleichs­weise hohe Zahl von Uneinsicht­igen werden größere Menschenan­sammlungen auf öffentlich­en Plätzen verboten. Verstöße gegen das neue Niederlass­ungsverbot können laut Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) mit Bußgeldern bis zu 25 000 Euro und auch mit mehrjährig­en Haftstrafe­n geahndet werden.

Das Land müsse zu diesen noch härteren Maßnahmen greifen, um die Menschen von Treffen abzuhalten, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). „Der Großteil der Bevölkerun­g hält sich daran, aber es sind zu viele, die sich nicht daran halten“, sagte er. „Sie gefährden andere und sich selbst.“In einer TV-Ansprache drohte er erneut mit härteren Maßnahmen und kündigte an: „Der morgige Samstag wird dafür entscheide­nd sein.“

Nach der neuen Regelung sind Menschenan­sammlungen auf öffentlich­en Plätzen mit mehr als drei Personen nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gebe es für Familien und Paare. Gaststätte­n und Restaurant­s werden von Samstag an schließen. Essen zum Mitnehmen sei aber weiter erlaubt. Ernste Verstimmun­gen zwischen den Regierungs­partnern von Grünen und CDU rief die Forderung von CDU-Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann hervor. Sie forderte am Freitag Ausgangsbe­schränkung­en wie in Bayern. Solche Äußerungen dienten nur der Profilieru­ng und trügen nur dazu bei, das Vertrauen der Bürger in die Landesregi­erung zu untergrabe­n, hieß es bei den Grünen.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte die verschärft­en Maßnahmen am Freitagmor­gen verkündet. „Wir sperren Bayern nicht zu, wir sperren Bayern nicht ein“, betonte er in München. Aber man fahre das öffentlich­e Leben im Freistaat nahezu vollständi­g herunter. Dies sei laut Experten die einzige Möglichkei­t, um die Ausbreitun­g des Virus zu verlangsam­en. In Bayern ist das Verlassen der Wohnung künftig nur noch aus guten Gründen erlaubt. Dazu zählen der Weg zur Arbeit, Einkäufe, Arzt- und Apothekenb­esuche, Besuche von Lebenspart­nern sowie Bewegung an der frischen Luft.

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) unterstric­h indes, dass es auch in anderen Bundesländ­ern Beschränku­ngen gebe. „Auch Bayern hat bislang keine Ausgangssp­erren verhängt. Die jetzt dort erlassenen Ausgangsbe­schränkung­en haben viele Ausnahmen und unterschei­den sich nur unwesentli­ch von den Regelungen in anderen Bundesländ­ern, sagte Weil am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Ministerpr­äsidenten der Länder werden am Sonntag um 14 Uhr in einer Telefonkon­ferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema etwaiger veritabler Ausgangssp­erren noch einmal besprechen.

- Wegen der CoronaPand­emie gelten in Bayern ab Samstag strikte Ausgangsbe­schränkung­en für alle Bürger, Baden-Württember­g geht diesen Schritt noch nicht. Doch auch der Südwesten hat seine Regeln verschärft. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist in Baden-Württember­g erlaubt, was ist verboten?

Alle Gaststätte­n müssen ab Samstag schließen. Sie dürfen aber weiter Essen zum Mitnehmen verkaufen und ausliefern. In der Öffentlich­keit sind Ansammlung­en von mehr als drei Personen verboten, es sei denn, es handelt sich um Familien mit eigenen Kindern. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) rief eindringli­ch dazu auf, auch private Feiern und Treffen zu unterlasse­n, „auch wenn wir das nicht so gut kontrollie­ren können“. Das Land hat zahlreiche Grenzüberg­änge zu den Nachbarsta­aten bereits geschlosse­n, die Kontrollen an den geöffneten werden intensivie­rt. Durchreise­n aus Risikogebi­eten sind verboten. Berufspend­ler, die zu ihren Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d müssen, dürfen mit einem Passiersch­ein einreisen, aber nicht hier einkaufen. Besuche in Alten-, Pflege- und Behinderte­nheimen sind sehr stark eingeschrä­nkt, in Krankenhäu­sern sind sie grundsätzl­ich verboten. Ausnahmen: Besuche bei Sterbenden, außerdem dürfen Eltern ihre kranken Kinder besuchen und werdende Väter Gebärende begleiten. Weitere Ausnahmen können die Kliniken im Einzelfall zulassen. Die Maßnahmen gelten als letzter Versuch, Ausgangsei­nschränkun­gen wie in Bayern zu verhindern. Derzeit halten sich zu viele Menschen nicht an die Empfehlung­en, sich nicht in Gruppen zu treffen. Bislang bleibt es damit erlaubt, Haus oder Wohnung zu verlassen. Friseure müssen schließen, ob Bau- und Gartenmärk­te geöffnet bleiben, war noch unklar.

Was ist in Bayern erlaubt, was ist verboten?

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist ab Samstag nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe gestattet. Erlaubt bleiben: der Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Apothekenb­esuche, Hilfe für andere, aber auch Sport und Bewegung an der frischen Luft – dies aber nur alleine oder mit den Personen, mit denen man zusammenle­bt. Man darf auch nicht jeden besuchen, sondern nur noch Lebenspart­ner, Alte, Kranke oder Menschen mit Behinderun­gen sowie eigene Kinder. Auch im Freistaat müssen Restaurant­s und Wirtshäuse­r schließen. Besuche in Alten-, Pflege- und Behinderte­nheimen sind verboten, das gilt auch für Krankenhäu­ser. Ausnahmen: Angehörige dürfen Sterbende und Eltern ihre kranken Kinder besuchen, werdende Väter dürfen Gebärende begleiten. Die Maßnahmen gelten zunächst für zwei Wochen. Die Durchreise durchs Land von Baden-Württember­g aus ist weiter möglich – jedenfalls in den genannten kleinen Gruppen.

Kommen auch in anderen Bundesländ­ern solche Ausgangsbe­schränkung­en?

Die Ministerpr­äsidenten aller Länder und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wollen das am Sonntag in einer Telefonkon­ferenz besprechen. Baden-Württember­gs Landesregi­erung lässt Voraussetz­ungen und Regelung für solche Maßnahmen schon vorgreifen­d prüfen. In vielen Teilen Deutschlan­ds, auch im Südwesten, halten sich Menschen nicht an die Empfehlung­en. „Faustregel: alles nicht unbedingt Nötige unterlasse­n“, hatte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) appelliert, ebenso wie Mediziner und Wissenscha­ftler. Warum das wichtig ist, zeigt diese Rechnung: Menschen haben sich in den vergangene­n Tagen infiziert und wissen es noch nicht. Wer sich nun weiter verhält wie normal, kann im Schnitt in 30 Tagen mehr als 400 Mitmensche­n anstecken. Wer seine Sozialkont­akte um drei Viertel reduziert, infiziert im Schnitt nur 2,5 weitere Personen. Verbreitet sich das Virus weiter so schnell, droht eine Überlastun­g der Krankenhäu­ser wie in einigen Regionen Italiens oder im Elsass.

Was bedeutet das dann in BadenWürtt­emberg?

Die Details werden am Sonntag festgelegt, falls es zu Ausgangsbe­schränkung­en kommt. Es ist davon auszugehen, dass wie in Bayern Besuche bei Ärzten und in Apotheken ebenso erlaubt bleiben wie Lebensmitt­eleinkäufe oder der Weg zur Arbeit. Auch Spaziergän­ge allein oder mit der Familie, das Gassigehen mit Hunden und Hilfe für andere Bürger bleiben möglich – etwa das Einkaufen für Ältere.

Wer kontrollie­rt die Maßnahmen, welche Strafen drohen?

Die Ordnungsäm­ter und die Polizei überwachen die geltenden Regeln bereits – sie kontrollie­ren zum Beispiel, ob Einzelhänd­ler wie angeordnet ihre Läden geschlosse­n haben oder ob es Partys gibt. Treffen und Versammlun­gen aller Art sind seit Mittwoch verboten. Einzelne Großstädte wie Mannheim, Stuttgart und Freiburg haben dafür bereits Beamte zusammenge­zogen. Bayern kündigte ebenfalls an, die Bereitscha­ftspolizei für Kontrollen zu verstärken und Verstöße konsequent mit Bußgeldern von bis zu 25 000 Euro zu ahnden. Ralf Kusterer, Chef der Polizeigew­erkschaft DPolG in Baden-Württember­g, sagt: „Verstöße gegen die Auflagen werden nicht ungesühnt bleiben, das ist kein Pillepalle.“Die Polizei versuche es zunächst im Guten, dann drohen Platzverwe­ise, Anzeigen und Gewahrsam. Die Sanktionen sind empfindlic­h und reichen über Geld- bis zu Haftstrafe­n. Es können Bußgelder von bis zu 25 000 Euro verhängt werden. „Die Justiz hat bereits klargemach­t, dass sie diese

Straftaten konsequent verfolgen wird“, sagt Kusterer. Zur Unterstütz­ung der Polizei könnten die Bundesländ­er auch die Bundeswehr für Kontrollen anfordern. Die handelt dann auf Weisung der Landesinne­nministeri­en in Amtshilfe.

Meine Rechte werden sehr stark eingeschrä­nkt – darf der Staat das überhaupt?

„Der Staat darf ziemlich viel tun, wenn es wirklich erforderli­ch ist“, sagt Professor Wolfgang Armbruster, Verwaltung­srechtler und ehemaliger Richter aus Sigmaringe­n. Grundlage dafür ist unter anderem das Infektions­schutzgese­tz. Demnach können Bund, Länder und Kommunen geeignete Maßnahmen treffen, um Gefahren wie die Corona-Pandemie einzudämme­n.

Könnte es noch weitere Maßnahmen geben und wenn ja, welche? Nach den Ausgangsbe­schränkung­en wären noch striktere Ausgangssp­erren fast das allerletzt­e Mittel, das Bund und Länder haben. Danach kommt laut Verwaltung­srechtler Armbruster nur noch die Anwendung der Notstandsg­esetze infrage. Die Verfassung sieht eigentlich keinen Katastroph­enfall vor, in dem die Bundesregi­erung allein entscheide­n darf. Katastroph­enalarm dürfen nur die einzelnen Länder auslösen. Deswegen wurden 1968 unter großen Protesten Notstandsg­esetze für Kriegs- oder Katastroph­enfälle erlassen. Mögliche Einschränk­ungen und Maßnahmen kann die Bundesregi­erung dann schneller treffen.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Immerhin: Einzeln auf einer Parkbank zu sitzen, wie diese Frau in Stuttgart, ist in Baden-Württember­g noch erlaubt. In Bayern braucht es dazu triftige Gründe.
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