Union fürchtet den „Fehler von 2015“
CDU und CSU lehnen die Aufnahme neuer Flüchtlinge ab
- Ob man wenigstens Kinder aus den überfüllten Flüchtlingslagern der griechischen Insel Lesbos nach Deutschland holen kann? Alexander Dobrindt denkt kurz nach, bevor er antwortet: „Auch mein Herz ist da weich“, sagt der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. „Aber ich habe sehr genau die Debatte und den Beginn von 2015 und seine Auswirkungen im Kopf. Und ich weiß, dass wir diesen gleichen Fehler nicht machen dürfen.“
2015 ist allgegenwärtig, wenn Unionspolitiker Anfang März 2020 über die Krise an der türkisch-griechischen Grenze sprechen und eine Sicherung der EU-Außengrenzen fordern. Es geht um den September 2015, als tausende Flüchtlinge sich von Ungarn aus nach Deutschland und Österreich aufmachen. Als Kanzlerin Angela Merkel und Kanzler Werner Faymann beschließen, die Grenzen nicht zu schließen. Und in der sich unter Flüchtenden die Nachricht verbreitet, Deutschland nehme jeden auf. Mit der Folge, dass sich viele auf den Weg machen.
Genau diese Botschaft dürfe Deutschland dieses Mal auf keinen Fall senden, meint nicht nur Dobrindt. Dass die Grünen eine Aufnahme eines Kontingents von zunächst 5000 besonders Schutzbedürftigen fordern, sei „verantwortungslos, weil es vollkommen falsche Hoffnungen in die Welt setzt“, schimpft der CSUMann. „Ich halte es fast für zynisch, wenn man jetzt so spricht, als hätte es das Jahr 2015 und seine Auswirkungen, wie man sie heute kennt, nicht gegeben“, sagt er über den GrünenVorschlag.
Das Signal müsse ein anderes sein: „Es ist falsch, sich jetzt auf den Weg zu machen. Es gibt keine Chance, nach Deutschland zu kommen“. Stattdessen solle die EU die Grenzen sichern, Griechenland helfen und mit der Türkei verhandeln. „Wenn Binnengrenzen entfallen, sind Außengrenzen zu schützen. Und Außengrenzen zu schützen heißt auch, sie zu verteidigen“, sagt Dobrindt.
Ähnlich sieht es der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael GrosseBroemer. „Einladungen nach Deutschland auszusprechen sind das völlig falsche Signal“, sagt er am Dienstagmorgen in Berlin. Mit Einladungen sind auch Kontingente gemeint, wie sie neben den Grünen auch die SPD fordert. Parteichefin Saskia Esken schließt zwar einen Alleingang aus. Angesichts der „einigermaßen
unwürdigen Zustände“, in der viele Flüchtlinge leben müssten, fordert sie aber eine Lösung mit anderen willigen Partnern, eine „Solidarität der Wenigen“. Die steht noch aus: Seit Monaten fordert Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius vergeblich, ein Kontingent allein reisender Kinder von Lesbos zu holen.
CDU-Mann Grosse-Broemer sieht keine moralische Verpflichtung, Notleidende aufzunehmen: „Wir haben in Deutschland keinen Nachholbedarf an Humanität“, sagt er. Wer über ein Kontingent einen Flüchtling in die Bundesrepublik hole, mache hunderten Anderen falsche Hoffnungen. Zudem gehe es bei den an der griechischen Grenze ausharrenden Menschen meist nicht um Syrien-Flüchtlinge, sondern um Migranten aus Afghanistan oder Iran, die teils seit Jahren in der Türkei lebten.