Unten See, oben Schnee
Die Region rund um Millstatt in Oberkärnten lohnt auch im Winter einen Besuch
Acht Einkehrmöglichkeiten gibt es am Sportberg Goldeck in der Nähe der Skipisten. Zum Beispiel die aussichtsreiche PanoramaAlm am Gipfel oder die urige Most-Hütte, in der Schmalz-, Speck- und Käsebrote serviert werden.
Als „Karfunkelstein“oder „Blutstropfen der Nockberge“war der Granat bekannt, den die Menschen in der Umgebung des Millstätter Sees seit jeher aus dem Stein schürften. In Radenthein ist ihnen ein ganzes Museum gewidmet (www.granatium.at), und natürlich kann man die funkelnden Schmucksteine auch als Andenken für zu Hause kaufen. (ume)
Das Schilf leise im Wind. Lautlos gleitet ein Schwan durch den See, während sich der Himmel rot verfärbt. Die Berge am gegenüberliegenden Ufer werden langsam zu einer schwarzen Silhouette und verschwinden dann ganz in der Dunkelheit. Nur oben am Goldeck sind noch ein paar Lichter zu sehen, wahrscheinlich präpariert ein Bully die Skipisten für den nächsten Tag.
Hier unten, am Millstätter See, herrscht bald tiefe Ruhe, als ob es schon Mitternacht wäre. Die Einsamkeit ist in dieser Ecke Oberkärntens Programm: Als „Biwak unter den Sternen“vermarktet der hiesige Tourismusverband acht Holzhäuschen in der Region, auf waldigen Lichtungen, mit Blick auf den See oder – wie in diesem Fall – direkt am Ufer. Jedenfalls: abseits des Trubels. Einige der Biwaks sind neuerdings auch im Winter geöffnet. Wobei die Bezeichnung „Biwak“falsche Vorstellungen wecken könnte: Es geht nicht darum, sich mit dem Schlafsack in einer Schneekuhle zu vergraben. Spartanisch ist die Hütte schon, das aber auf eine sehr angenehme Art. Die Wände verströmen einen Duft von Zirbenholz, durch das gläserne Dach scheint der Mond. Am Fußende des gut gepolsterten Bettes ist eine Schublade eingelassen, in die man für die Zeit seines Aufenthaltes sein Handy legen soll. Zwei Stühle auf der Terrasse sind mit kuscheligem Fell ausgestattet, von drinnen blickt man durch eine wandhohe Glasfront direkt auf den See. Gut geheizt ist das Biwak sowieso. Alles ist ausgerichtet auf traute Zweisamkeit – und genau für diese Zielgruppe ist das Angebot auch gedacht. Wäre jetzt Sommer, könnte man von einem kleinen Steg direkt neben der Hütte in den See springen.
Aber es herrschen Wintertemperaturen, und auch deswegen ist es so ruhig am Ufer. Der Millstätter See, der zweitgrößte See in Kärnten nach dem Wörthersee, ist traditionell ein Ziel für die Sommermonate, wenn sich die Wassertemperatur in geschützten Buchten auf bis zu 28 Grad erwärmt. Im Winter entdecken Urlauber die Region erst langsam als Ziel. Denn dann wollen Menschen, die nach Österreich reisen, vor allem Ski fahren. Und das Goldeck, Hausberg der Gemeinden am Millstätter See und der nahen Bezirkshauptstadt Spittal an der Drau, kann mit seinen 25 Pistenkilometern nicht mit den großen Skiarenen mithalten – jedenfalls wenn man die Attraktivität ausschließlich nach diesem Kriterium berechnet.
„Dafür gibt es an den Skiliften überhaupt keine Wartezeiten“, erzählt Tanja Hinteregger, während die Seilbahnkabine 1200 Höhenmeter von der Tal- zur Bergstation überwindet. Die Kärntnerin arbeitet bei der Liftgesellschaft und zählt die Vorteile ihres Berges auf, zum Beispiel die als „exzellent“zertifizierten Pisten: „Da kannst du drübergleiten und bekommst keine Schläge.“Ein Kinderland mit zwei Liften, das sehr sicher und übersichtlich ist. Die windgeschützte und sonnige Lage, die daher rührt, dass die Wolken von Norden in den Hohen Tauern, von Süden in den Karawanken hängen bleiben. An der Bergstation auf 1780 Metern angekommen, möchte man als weiteren Vorteil hinzufügen: die Aussicht. Tief unten im Tal liegt ruhig der Millstätter See, dahinter die Millstätter Alpe. Noch weiter oben, am 2142 Meter hohen Goldeck, dem höchsten Punkt des Skigebiets, markieren drei Gipfel in drei Ländern die Eckpunkte des Blickfelds: Im Norden der Großglockner. Im Südosten der Triglav, Sloweniens höchster Berg. Und im Südwesten der Antelao bei Cortina d’Ampezzo, den die Italiener den „König der Dolomiten“nennen.
Das Goldeck beteiligt sich an einem Verbund von 31 Skigebieten in Kärnten und Osttirol, die mit einem gemeinsamen Skipass genutzt werden können – darunter auch große Liftverbünde wie Katschberg, Bad Kleinkirchheim oder der Mölltaler Gletscher. Urlauber, die länger bleiben, müssen also auf Abwechslung nicht verzichten. Das Skigebiet am Goldeck selbst lädt mit breiten Pisten und sonnigen Hängen zur Abfahrt ein. Man hört hier und da Ungarisch und Slowenisch, vor allem aber Kärntnerisch. Das hat seinen Grund, berichtet Hinteregger. Die Einheimischen wüssten es nämlich zu schätzen, dass sie hier oft ihre Ruhe haben, auch wenn es in den größeren Skigebieten der Umgebung turbulent zugeht: „Nicht alle Kärntner legen es darauf an, den Auswärtigen von den Perlen in ihrer Heimat zu erzählen“, sagt sie.
Einer, der die Perlen seiner Heimat gerne den Besuchern zeigt, ist Hubert Granitzer. Der Bergführer ist sommers wie winters in den Alpen unterwegs, als Kletterer, Skitourengeher, Bergsteiger – oder mit Schneeschuhen. Die hat er am nächsten Morgen dabei, als es nach einem Tag auf präparierten Pisten nun auf die ungespurten Hänge des Goldeck geht. Er führt seinen Gast von der Bergstation zunächst leicht bergab ins Dorf Goldeck, einen verschneiten Weiler aus Ferienwohnungen. Von dort geht es durch einen Tobel mit dem passenden Namen Schneeboden steil bergauf in Richtung Grat. „Gerade hoch, dann greifen die Schneeschuhkrallen am besten“, empfiehlt er, während er durch eine märchenhafte Winterlandschaft stapft. Der Schnee glitzert in der strahlenden Sonne, bald wird es für eine Jacke zu warm. Nach und nach lichten sich die Bäume und geben den Blick frei – zunächst auf den Goldeck-Gipfel, das Ziel der Wanderung. Dann, oben am Grat, erneut auf das grandiose Gebirgspanorama, das auch am zweiten Tag nichts von seiner Faszination verloren hat. Die schneebedeckten Kuppen am Grat wirken fast wie eine Dünenlandschaft aus strahlend weißem Sand, so sommerlich wirkt die Szenerie im strahlenden Sonnenlicht. Viel zu früh ist der Gipfel erreicht, wo in der Panorama-Alm das Skigebiet erreicht wird – und eine Kärntner Kaspressknödelsuppe zur Belohnung wartet.
Eine zweite Belohnung wartet später im Tal: Das Badehaus, direkt am Ufer gelegen, ist ein Schmuckstück von Millstatt. 2012 eröffnet, empfindet es den Stil der historischen Badehäuser nach, die im 19. Jahrhundert die Schönen und Reichen der Habsburgermonarchie ins sonnige Kärnten lockten. Auch im Winter kann man sich direkt nach einem Saunagang zur Abkühlung in den See gleiten lassen und dann auf einer Liege am Kamin einschlummern, während draußen still der See ruht und das Goldeck, einmal mehr, zu einer schwarzen Silhouette wird.
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Die Recherche wurde unterstützt von der Millstätter See Tourismus Gesellschaft MTG.