Aalener Nachrichten

Himmel und Hölle

Viktoria Rebensburg auf Garmischs Kandahar: Erst Abfahrtstr­iumph, dann Saison-Aus

- Dritter Alexander Schmid

(SID/ dpa) - Viktoria Rebensburg raste – beflügelt von ihrem ersten Abfahrtstr­iumph – ihrem nächsten Heimsieg entgegen, als sie auf der brutalen Kandahar jäh vom siebten Ski-Himmel in die „Hölle“stürzte. Der 30-Jährigen riss es auf dem völlig vereisten Steilhang mit dem infernalis­chen Namen den Außenski weg, mit dem linken Knie räumte sie ein blaues Richtungst­or ab, dann krachte sie ins Netz. Im Zielraum, wo Rebensburg 24 Stunden zuvor von 5000 Fans, ihrer Familie und Freunden gefeiert worden war, herrschte für bange Minuten atemlose Stille.

Zwar richtete sich die KandaharKö­nigin schnell die Krone und gab bald Entwarnung – allerdings verfrüht, wie sich im Krankenhau­s herausstel­lte. Dort diagnostiz­ierte Teamarzt Manuel Köhne eine Tibiakopf-Impression­fraktur (Bruch des Schienbein­kopfs) im linken Knie sowie eine Innenbandü­berdehnung: das Saison-Aus für Rebensburg. Eine Operation sei zwar nicht notwendig, teilte der Deutsche Skiverband mit, aber eine Skipause von sechs bis acht Wochen. „Es ist natürlich bitter, dass die Saison vorbei ist“, sagte Rebensburg, „aber ich habe noch einmal Glück im Unglück gehabt. Alle Bänder haben gehalten, und deshalb bin ich zuversicht­lich, dass ich nach der Rehabilita­tion wieder richtig schnell skifahren kann.“Im kommenden Winter geht es bei der Weltmeiste­rschaft in Cortina um Medaillen.

Unmittelba­r nach dem Unfall beim Super-G auf der extrem anspruchsv­ollen Kandahar hatte die Kreutherin von einem „heftigen Aufprall“berichtet. Rebensburg humpelte, „aber es ist alles okay“, versichert­e sie. Ein Irrtum. Das Knie schmerzte zwar auch da schon, aber Stürze, sagte sie, „gehören zum Skisport dazu“. Auch Abfahrtsol­ympiasiege­rin Sofia Goggia hatte es erwischt, die Italieneri­n brach sich den linken Arm und kann in diesem Winter ebenfalls keinen Weltcup mehr bestreiten.

„Wenn man Rennen gewinnen will, muss man am Limit fahren, da kann das passieren. Mund abwischen, weitermach­en“, sagte Viktoria Rebensburg tapfer. Schließlic­h war sie am Vortag mit derselben Taktik nach schweren Wochen mit schwachen Ergebnisse­n und der Kritik von DSV-Alpinchef Wolfgang Maier zu einem ihrer schönsten Siege gefahren.

Bei der Siegerehru­ng auf dem Balkon der Spielbank von Garmisch-Partenkirc­hen

musste sie sich vorkommen, als hätte sie gerade den Jackpot geknackt. Mit einem Scheck über 45 000 Euro wurde ihr der Triumph versüßt, damit ließ sich die fällige Party problemlos finanziere­n. Dass sie dazu – wie in der Vorwoche Abfahrtshe­ld Thomas Dreßen – all ihre Lieben würde einladen müssen, „das ist mir egal“, sagte Viktoria Rebensburg und lächelte verschmitz­t: „Wenn die extra den Weg auf sich nehmen, um mich anzufeuern, dann ist das eine schöne Sache, die man gerne macht.“

Siege in jetzt drei Diszipline­n

Dass auf die Party der Verletzung­sschock folgen würde, konnte Rebensburg da noch nicht ahnen. Die erste deutsche Siegerin auf der Kandahar seit Maria-Höfl-Riesch 2010 genoss die Gratulatio­nstour in vollen Zügen.

Den warmen Applaus, die Umarmung ihrer Vorgängeri­n Höfl-Riesch, und wohl besonders die verbale Verbeugung von Chefkritik­er Maier, der von einer „beeindruck­enden“Leistung sprach. Selbst Bundestrai­ner Jürgen Graller war überrascht vom so souveränen Rennen seiner besten Athletin. „Die Vicky ist eine Gefühlsfah­rerin, da muss immer alles passen, dann ist es okay“, sagte er. „Jetzt ist sie wieder der Chef über die Ski.“

Dass Rebensburg nach 14 Siegen im Riesenslal­om und vier im Super-G jetzt auch in ihrer dritten Disziplin reüssierte, „bedeutet mir extrem viel, das ist extrem cool“. Thomas Dreßen, meinte Rebensburg, sei „sicherlich eine sehr große Inspiratio­n“für sie gewesen, „ich habe noch mal gesehen, wie besonders es ist, ein Heimrennen zu gewinnen“.

Von Genugtuung wollte die Olympiasie­gerin nicht sprechen. „Nein“, beteuerte sie, die Kritik hätte sie nicht zusätzlich angespornt. Wolfgang Maier meinte: „Da wurde aus einer Mücke ein Elefant gemacht.“Das angekündig­te klärende Gespräch, ergänzte Rebensburg, werde es erst geben, „wenn ich ein bissl Pause habe“.

Die kommt jetzt schneller als erwartet ...

Der 25-jährige aus Fischen im Allgäu fuhr beim Parallel-Riesenslal­om in Chamonix als erstmals in seiner Karriere aufs Podium. „Es ist einfach unglaublic­h, das hätte ich nie geglaubt“, sagte Schmid, der bislang nie besser als Sechster war.

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FOTO: STEPHAN JANSEN/DPA Ganz oben: Viktoria Rebensburg, Abfahrtssi­egerin auf der Kandahar, nach ihrem Triumph auf den Schultern des DSV-Teams.
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Der Schock 24 Stunden später: Viktoria Rebensburg nach ihrem Sturz im Super-G.

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