Himmel und Hölle
Viktoria Rebensburg auf Garmischs Kandahar: Erst Abfahrtstriumph, dann Saison-Aus
(SID/ dpa) - Viktoria Rebensburg raste – beflügelt von ihrem ersten Abfahrtstriumph – ihrem nächsten Heimsieg entgegen, als sie auf der brutalen Kandahar jäh vom siebten Ski-Himmel in die „Hölle“stürzte. Der 30-Jährigen riss es auf dem völlig vereisten Steilhang mit dem infernalischen Namen den Außenski weg, mit dem linken Knie räumte sie ein blaues Richtungstor ab, dann krachte sie ins Netz. Im Zielraum, wo Rebensburg 24 Stunden zuvor von 5000 Fans, ihrer Familie und Freunden gefeiert worden war, herrschte für bange Minuten atemlose Stille.
Zwar richtete sich die KandaharKönigin schnell die Krone und gab bald Entwarnung – allerdings verfrüht, wie sich im Krankenhaus herausstellte. Dort diagnostizierte Teamarzt Manuel Köhne eine Tibiakopf-Impressionfraktur (Bruch des Schienbeinkopfs) im linken Knie sowie eine Innenbandüberdehnung: das Saison-Aus für Rebensburg. Eine Operation sei zwar nicht notwendig, teilte der Deutsche Skiverband mit, aber eine Skipause von sechs bis acht Wochen. „Es ist natürlich bitter, dass die Saison vorbei ist“, sagte Rebensburg, „aber ich habe noch einmal Glück im Unglück gehabt. Alle Bänder haben gehalten, und deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich nach der Rehabilitation wieder richtig schnell skifahren kann.“Im kommenden Winter geht es bei der Weltmeisterschaft in Cortina um Medaillen.
Unmittelbar nach dem Unfall beim Super-G auf der extrem anspruchsvollen Kandahar hatte die Kreutherin von einem „heftigen Aufprall“berichtet. Rebensburg humpelte, „aber es ist alles okay“, versicherte sie. Ein Irrtum. Das Knie schmerzte zwar auch da schon, aber Stürze, sagte sie, „gehören zum Skisport dazu“. Auch Abfahrtsolympiasiegerin Sofia Goggia hatte es erwischt, die Italienerin brach sich den linken Arm und kann in diesem Winter ebenfalls keinen Weltcup mehr bestreiten.
„Wenn man Rennen gewinnen will, muss man am Limit fahren, da kann das passieren. Mund abwischen, weitermachen“, sagte Viktoria Rebensburg tapfer. Schließlich war sie am Vortag mit derselben Taktik nach schweren Wochen mit schwachen Ergebnissen und der Kritik von DSV-Alpinchef Wolfgang Maier zu einem ihrer schönsten Siege gefahren.
Bei der Siegerehrung auf dem Balkon der Spielbank von Garmisch-Partenkirchen
musste sie sich vorkommen, als hätte sie gerade den Jackpot geknackt. Mit einem Scheck über 45 000 Euro wurde ihr der Triumph versüßt, damit ließ sich die fällige Party problemlos finanzieren. Dass sie dazu – wie in der Vorwoche Abfahrtsheld Thomas Dreßen – all ihre Lieben würde einladen müssen, „das ist mir egal“, sagte Viktoria Rebensburg und lächelte verschmitzt: „Wenn die extra den Weg auf sich nehmen, um mich anzufeuern, dann ist das eine schöne Sache, die man gerne macht.“
Siege in jetzt drei Disziplinen
Dass auf die Party der Verletzungsschock folgen würde, konnte Rebensburg da noch nicht ahnen. Die erste deutsche Siegerin auf der Kandahar seit Maria-Höfl-Riesch 2010 genoss die Gratulationstour in vollen Zügen.
Den warmen Applaus, die Umarmung ihrer Vorgängerin Höfl-Riesch, und wohl besonders die verbale Verbeugung von Chefkritiker Maier, der von einer „beeindruckenden“Leistung sprach. Selbst Bundestrainer Jürgen Graller war überrascht vom so souveränen Rennen seiner besten Athletin. „Die Vicky ist eine Gefühlsfahrerin, da muss immer alles passen, dann ist es okay“, sagte er. „Jetzt ist sie wieder der Chef über die Ski.“
Dass Rebensburg nach 14 Siegen im Riesenslalom und vier im Super-G jetzt auch in ihrer dritten Disziplin reüssierte, „bedeutet mir extrem viel, das ist extrem cool“. Thomas Dreßen, meinte Rebensburg, sei „sicherlich eine sehr große Inspiration“für sie gewesen, „ich habe noch mal gesehen, wie besonders es ist, ein Heimrennen zu gewinnen“.
Von Genugtuung wollte die Olympiasiegerin nicht sprechen. „Nein“, beteuerte sie, die Kritik hätte sie nicht zusätzlich angespornt. Wolfgang Maier meinte: „Da wurde aus einer Mücke ein Elefant gemacht.“Das angekündigte klärende Gespräch, ergänzte Rebensburg, werde es erst geben, „wenn ich ein bissl Pause habe“.
Die kommt jetzt schneller als erwartet ...
Der 25-jährige aus Fischen im Allgäu fuhr beim Parallel-Riesenslalom in Chamonix als erstmals in seiner Karriere aufs Podium. „Es ist einfach unglaublich, das hätte ich nie geglaubt“, sagte Schmid, der bislang nie besser als Sechster war.