Totenklage und Temperament
Der Schwäbische Klassikherbst präsentiert die Stuttgarter Philharmoniker und einen jungen Dirigenten
LAUPHEIM (gla) - Das Kulturangebot in Oberschwaben ist bekanntermaßen reich, dank der großartigen Klöster, Säle, Bibliotheken und großzügig ausgebauten Räume bieten sich Gelegenheiten für große und kleine Festivals. Eines davon fand dieser Tage mit dem Schwäbischen Klassikherbst im Museum Villa Rot, in der Kleinen Bühne Schwendi und im Kulturhaus Schloss Großlaupheim statt. Für Walter Mauermann, den künstlerischen Leiter und musikbegeisterten Privatmann, war das Eröffnungskonzert vor einer Woche bereits das 80. Konzert. Getragen werden die Veranstaltungen natürlich von namhaften Institutionen und Sponsoren aus der Gegend – nur so ist es möglich, dass auch ein großes Orchester wie die Stuttgarter Philharmoniker im Kulturhaus gastieren konnte.
Der Saal, angegliedert an Schloss und Museum Großlaupheim und aus einem ehemaligen Ökonomiegebäude hervorgegangen, hat mit seinem offen Dachgebälk viel Luft und Raum für die Entwicklung der Klänge und damit eine erfreulich gute Akustik. Allerdings sitzen die Streicher bei großer Orchesterbesetzung wie jetzt am Freitag auf einer Ebene mit dem Parkettpublikum, was für die Hörerinnen und Hörer in den hinteren Reihen vielleicht nicht so angenehm ist.
Streicherstück zum Auftakt
Yoel Gamzou, der 30-jährige israelisch-amerikanische Dirigent, der im zarten Alter von vier Jahren mit dem Cellospiel begann, hatte ein reines Streicherstück an den Beginn des Programms gesetzt: Die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“von Richard Strauss, ein Spätwerk aus dem Jahr 1945 und ein intensiver Klagesang in der Trauer um das zerbombte München sowie zahlreiche andere Kulturstätten. Mit intensivem Feuer entwickelte Gamzou die Streicherkultur des Stuttgarter Orchesters. Seufzerfiguren, eine klingende Verbeugung vor dem Trauermarsch aus Beethovens „Eroica“und ein stets wachsendes Drängen verdeutlichten diese besondere Totenklage.
Gamzou hat in jungen Jahren in London das International Mahler Orchestra gegründet und ist immer wieder mit dem Werk Gustav Mahlers verbunden. Mitglied dieses Orchesters ist auch der bulgarische Cellist Stefan Hadjiev, der in London studierte und mit dem Cellokonzert von Edward Elgar nun ein Hauptwerk der britischen Musik interpretierte. Kernig, kraftvoll, mitunter etwas handfest ist sein Ton, weite Bögen gestaltet er im Zusammenspiel mit dem Orchester. Die Balance zwischen Blechbläsern und Streichern ist zwar in diesem Raum nicht einfach, doch findet der leidenschaftliche junge Dirigent ein gutes Maß, ermöglicht dem Solisten im langsamen Satz ein sanft begleitetes Spiel mit Tiefgang und Wärme und gestaltet im Finale einen temperamentvollen Dialog zwischen Solo und Orchester.
Die „Schottische“am Schluss
Zur britischen Insel hatte Felix Mendelssohn-Bartholdy lebenslang eine intensive Beziehung. Ein Zeugnis dafür ist auch die dritte Symphonie, die „Schottische“mit ihren eingängigen Streicherthemen, den wirbelnden Holzbläsern, dem fröhlichen Rundtanz im Scherzo und im Finale.
Yoel Gamzou führte die Stuttgarter Philharmoniker mit seinem plastisch formenden Dirigat, mischte die Klangfarben und bedankte sich schließlich sogar per Handschlag bei den Solobläsern des Orchesters – sie hatten sich auch mächtig ins Zeug gelegt!