Von einem anderen Stern
Michael Jackson wäre heute 60 geworden – Als Künstler genial, innerlich gebrochen
Ein Star ist ein Star, weil er neben seinem Können zwei Gegensätze miteinander vereint: Seinen Fans gilt er einerseits als Identifikationsfigur, als Projektionsfläche für ihre Sorgen und Ängste, für ihre Träume und Sehnsüchte. Anderseits darf er ihnen nie zu vertraut sein, er muss auch immer ein Geheimnis wahren, und somit die Nähe mit der Distanz vereinen. Nimmt man dies zum Maßstab, war Michael Jackson ein Star wie nur wenige, einer, um im Bild zu bleiben, der eine Galaxy für sich beanspruchen durfte. Dem das Leben in Gegensätzen zur Eigenart wurde, mal im Guten, mal im Schlechten.
Der „King of Pop“
Jackson hat über viele Jahre alles und alle überstrahlt, er hat – und das müssen auch seine Spötter heute zugeben – die popkulturelle DNA der 1980erJahre geschrieben. Allein Prince und Madonna weilten in seiner Hemisphäre, den Thron aber besetzte der „King of Pop“. Dabei schien seine Karriere Ende der 70er-Jahre am Ende, Jackson war damals gerade 20 Jahre alt. Für einen einstigen Kinderstar, erfolgreich mit den Jackson 5, ein Greisenalter. Walter Yetnikoff, ExChef der Plattenfirma CBS, erinnerte sich: „The Jackson 5 waren im Fernsehen nur noch als Comicfiguren zu sehen und Michael Jackson hatte ein Soloalbum mit Liedern für eine Filmratte gemacht. Na ja.“
Die Aussage entstammt der Spike Lee-Doku „Michael Jackson’s Journey from Motown to Off The Wall“um die Entstehungsgeschichte seines Albums „Off The Wall“. Die Platte war der Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem Produzenten Quincy Jones, ein Meilenstein der Popgeschichte, indem das Duo wie nie zuvor schwarze mit weißer Musik verband und damit ein Massenpublikum aller Hautfarben erreichte.
Es folgte „Thriller“, auf dem Jones-Jackson die Vereinigung der Stile perfektionierten. Nun etwas popiger treffen kreischende Gitarrensoli auf Discobeats, R’n’B-Themen verwandeln sich zu lässigen Melodien, auf rasante Nummern folgen süße Balladen. Es entstehen Popsongs für die Ewigkeit. „Thriller“gilt weltweit noch immer als das am meisten verkaufte Album, sein Einfluss auf die Populärmusik und nachfolgende Stars ist unvergleichlich. Jackson wusste zwar begabte Leute um sich zu scharen, die treibende Kraft blieb aber er selbst. „Er hatte alles: Talent, Anmut, Professionalität, Hingabe“, sagte Quincy Jones, bei dem sich Jackson einst bewarb mit einem Demoband von „Don’t Stop Til You Get Enough“, schon in der Rohfassung ein Juwel. Klassiker wie „Beat It“oder „Billie Jean“schrieb der Sänger selber, der auch in höchsten Tonlagen stimmlich sauber war und vor allem unverkennbar. Genauso wie mit seinem typischen Jauchzen und Jaulen, seinem Stöhnen und Schreien.
Anerkennung von Fred Astaire
Einzigartig war auch sein Tanz, spannungsgeladen, mitreißend, manchmal magisch. Als er erstmals in einer TV-Show den schwebenden Moonwalk präsentierte, erhielt er einen Anruf von Tanzlegende Fred Astaire, der seine Bewunderung aussprach. Jahre später soll Jackson gesagt haben: „Es war das größte Kompliment, das mir je gemacht wurde. Und das einzige, das ich je glauben wollte.“
Darin steckt auch eine Bitternis, die größer werden sollte. Betrachtete die Öffentlichkeit seine Skurrilitäten wie die Zuneigung zu dem Schimpansen Bubbles anfangs noch wohlwollend, wurde er später nur noch verspottet als Freak und Alien. Auf eine Scheidung folgte die nächste. Auf einen Skandal, etwa um seine Nähe zu Jungen, noch einer, auf kreative Höhen auch Mittelmäßigkeit. Der einst junge schwarze Mann hatte nun weiße Haut und eine Spitznase wie Pinocchio. Vor der Wirklichkeit floh er auf seine Neverland-Ranch, ein Freizeitpark mit Achterbahn und Karussell. Am Ende waren es wohl zu viel Gegensätze.
Die Dämonen mit einem überstrengen Vater und einer verlorenen Kindheit, sie hatten ihn nie losgelassen. Mit angstlösenden Medikamenten und Narkosemitteln zugepumpt starb er mit nur 50 Jahren.
Was bleibt, ist die Erinnerung an einen großen Künstler, der bei Liveauftritten seine Liebe zur Musik bis zur Erschöpfung zelebrierte und dabei eine Energie erzeugte, die den Besuchern unter die Haut fuhr. In diesen Momenten war er den Menschen ganz nah und wirkte doch wie von einem anderen Stern.