China empört über Strafzölle
Trumps Handelspolitik auch Thema beim WEF in Davos
DAVOS (dpa/ank) - Mit Warnungen vor der zunehmenden Abschottung einzelner Staaten hat in Davos das Weltwirtschaftsforum (WEF) begonnen. Der indische Regierungschef Narendra Modi kritisierte am Dienstag in seiner Eröffnungsrede neue Importzölle sowie stockende Verhandlungen bei internationalen Handelsverträgen. Damit stellte er sich gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump. Dessen Regierung hatte am Montag neue Strafzölle auf Waschmaschinen und Solarpaneele verhängt und damit Empörung in China und Südkorea ausgelöst.
Auch Wolfgang Grenke, Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags, warnte vor den möglichen Folgen der US-Handelspolitik. Die Entwicklung könnte sich negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Südwestwirtschaft auswirken, sagte Grenke der „Schwäbischen Zeitung“.
RAVENSBURG - Zum Start des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos hat US-Präsident Donald Trump noch einmal deutlich gemacht, wie Ernst es ihm mit seiner „Amerika-First“-Politik ist: In der Nacht von Montag auf Dienstag erließ Trump hohe Einfuhrzölle auf Solarzellen und -paneele sowie Waschmaschinen. Betroffen von den Strafmaßnahmen sind China als weltgrößter Hersteller von Solarmodulen sowie Südkorea. Beide Länder kündigten an sich dagegen zu wehren und die Welthandelsorganisation (WTO) in der Sache anzurufen.
Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer begründete die neuen Beschränkungen in Washington damit, dass die Regierung die Interessen amerikanischer Arbeiter verteidigen werde. Auf Waschmaschinen werden laut Lighthizer künftig Zölle zwischen 20 und 50 Prozent erhoben. In den kommenden Jahren sollen die Tarife schrittweise reduziert werden. Bei Solarmodulen sollen die Zölle bei 30 Prozent starten und innerhalb von vier Jahren auf 15 Prozent sinken. Die für gewerbliche Rechtskonflikte zuständige amerikanische Schiedsstelle US International Trade Commission hatte teilweise zu noch höheren Zollsätzen geraten. Zuvor hatten sich US-Konzerne über unfaire Schleuderpreise von Rivalen insbesondere aus Asien beschwert.
Trump droht Vergeltung an
In Peking reagierte das Handelsministerium am Dienstag empört und äußerte seine „starke Unzufriedenheit“über die protektionistischen Maßnahmen. Auch Südkorea will die Einfuhrzölle nicht hinnehmen. Handelsminister Kim Hyun Chong kündigte in Seoul an, die Regierung werde Beschwerde gegen die Entscheidung bei der WTO einlegen. Die Schritte der USA seien „unfair“, sagte Kim. In Südkorea sind vor allem die Unternehmen Samsung Electronics und LG Electronics betroffen, die beide unter anderem im Bereich Haushaltsgeräte tätig sind.
Trump ist der Ansicht, dass die USA im internationalen Handel von ihren Geschäftspartnern benachteiligt werden. Er macht die billige Produktion im Ausland und Importe für den Verlust zahlreicher heimischer Arbeitsplätze verantwortlich. Besonders im Fokus steht China. Trump stört sich dabei vor allem an dem riesigen US-Handelsbilanzdefizit (2017: 278 Milliarden US-Dollar) aber auch am mangelnden Marktzugang in China, am zwangsweisen Technologietransfer und am angeblichen Diebstahl geistigen Eigentums. Erst in der vergangenen Woche hatte der US-Präsident China mit „Bußgeldern in ungeahnten Dimensionen“gedroht und angekündigt, Vergeltungsmaßnahmen in seiner Rede an die Nation Ende Januar konkretisieren zu wollen. In US-Regierungskreisen ist von Bußgeldsummen in der Größenordnung bis zu einer Billion US-Dollar die Rede.
Trumps Maßnahmen sind jedoch höchst umstritten. Die verhängten Einfuhrhürden wurden auf Grundlage eines schon seit Jahren nicht mehr angewendeten US-Handelsgesetzes quasi im Alleingang verhängt. Dieses Gesetz erlaubt der US-Regierung einseitige Vergeltungsmaßnahmen wie Strafzölle oder Importbeschränkungen gegen einen Handelspartner. Voraussetzung ist, dass das ins Visier genommene Land generell Handelsbarrieren errichtet hat oder mit diskriminierenden Aktionen US-Firmen schadet. Inwieweit das Vorgehen der USA gegen die WTO-Regeln verstößt ist offen, es zeigt aber die große Skepsis der US-Administration gegenüber der Welthandelsorganisation, China bei etwaigen Verfehlungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Unterdessen haben führende Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Davos vor der zunehmenden Abschottung einzelner Staaten gewarnt. Mit Verweis auf die neuen US-Strafzölle sagte Indiens Regierungschef Narendra Modi in seiner Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsforum: „Die Kräfte des Protektionismus erheben ihre Köpfe gegen die Globalisierung.“Auch Postchef Frank Appel kritisierte die neuen Handelsbarrieren und warnte, dass diese „vor allem die Bürger in den Vereinigten Staaten treffen werden“. Dagegen verteidigte der Chef der weltgrößten Investmentgesellschaft Blackrock, Stephen Schwarzmann, die Handelspolitik Trumps. Chinas Importzölle seien bisher drei Mal so hoch wie die der USA. Zudem verwies Schwarzmann auf das Defizit der USA im Handel mit China: „Diese Beziehung muss sich ändern, sie muss angemessen sein.“
Deutsche Firmen am Pranger
Washingtons erste große handelspolitische Entscheidung des neuen Jahres verheißt auch nichts Gutes für hiesige Unternehmen. Deutschland wird wegen angeblich unfairer Handelspraktiken schon länger von Trump kritisiert, was dieser unter anderem am Exportüberschuss festmacht. Seit Jahren exportieren deutsche Firmen mehr Güter und Dienstleistungen in die USA, als von dort importiert werden. Aktuell steht vor allem die Stahlindustrie am Pranger. Dumping-Vorwürfe erhoben die USA im Vorjahr bereits gegen die Salzgitter AG und gegen die Dillinger Hütte.
Doch die Furcht vor weiteren Einschränkungen des Freihandels greift auf immer mehr Branchen über. „Die Entwicklung sorgt bei vielen Betrieben für Verunsicherung und könnte sich tatsächlich negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Südwestwirtschaft auswirken“, warnt Baden-Württembergs IHKPräsident Wolfgang Grenke im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“und fordert, die US-Strafzölle zu analysieren und zu prüfen, ob sie gegen WTO-Regeln verstoßen. „Alle WTO-Mitglieder sind aufgerufen, sich für die Einhaltung verbindlicher Regeln des freien Welthandels einzusetzen. Und das gilt letztlich auch für China“, so Grenke.
Hellhörig ist man insbesondere in München beim Haushaltsgerätehersteller BSH: „Wir nehmen die Entscheidung zur Kenntnis und werden beobachten, wie sich diese mittelfristig auf unser Exportgeschäft in die USA auswirkt“, erklärte eine BSHSprecherin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. BSH exportiert zurzeit „jährlich eine sechsstellige Zahl“von Waschmaschinen und Trockner in die Vereinigten Staaten. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich auf die US-Entscheidung von gestern auch die Bundesregierung zu Wort gemeldet und Gespräche mit Washington angekündigt hat. „Je weniger Zölle wir haben, je weniger Protektionismus wir haben, desto besser ist es für die Bürger und Bürgerinnen“, sagte der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag.
Anhaltspunkte, dass die nationalistische Rhetorik der US-Regierung bereits auf das Geschäft deutscher Firmen in den USA zurückschlägt, gibt eine Vorabveröffentlichung aus einer aktuellen Studie der internationalen Managementberatung Globeone: Demnach hat fast jeder zweite Trump-Wähler im vergangenen Jahr weniger deutsche Marken gekauft. Drei Viertel aller Trump-Anhänger ziehen stattdessen den Kauf amerikanischer Produkte vor.
„Die Entwicklung könnte sich negativ auf die Südwestwirtschaft auswirken.“BWIHK-Chef Wolfgang Grenke