Streit um Lehrerin mit Kopftuch
In Tuttlingen sieht der Vater einer Grundschülerin die Neutralität gefährdet – und nimmt Tochter von der Schule
TUTTLINGEN - Ein Vater hat seine Tochter von ihrer Grundschule in Tuttlingen genommen, weil die neue Klassenlehrerin ein Kopftuch trägt. Der Mann sieht darin die religiöse Neutralität an Schulen verletzt. Aber: Laut Gesetz dürfen Lehrerinnen Kopftuch tragen.
Zu Beginn des neuen Schuljahres hatte sich der Vater an die Leitung der Schrotenschule und das Staatliche Schulamt in Konstanz gewandt, mit dem Wunsch, seine Tochter möge in die Parallelklasse wechseln dürfen. Schließlich liege durch das Kopftuch „eine Verletzung der Grundrechte“vor, wie er in einer E-Mail an die „Schwäbische Zeitung“schreibt. Die Schule habe ihm jedoch sofort Unterlagen für einen Schulbezirkswechsel vorgelegt: „Die Schulleiterin ging auf unsere Bitte, unsere Tochter in eine Parallelklasse zu geben, erst gar nicht ein“, berichtet er. Das Schulamt habe einem Schulbezirkswechsel „innerhalb von 24 Stunden“zugestimmt.
Für den Vater steht fest: „Eine staatliche Grundschule ist Pflicht, und unsere Kinder werden alleine durch derartige Darstellungen zwangsgeprägt. Alle dort angestellten Lehrkräfte haben Vorbildfunktion, auch für eine weitere Entwicklung unserer Kinder. Das ist nicht der Schauplatz, dass hier Lehrkräfte ihre Selbstverwirklichung sowie jegliche privaten Ambitionen ausleben können“, meint der Vater. Er schreibt, dass das Kopftuch in der Schule gegen geltendes Recht verstößt. Die Gesetzeslage ist jedoch eine andere. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2015 das Kopftuchverbot unter Berufung auf das Grundgesetz gekippt. Konkret bezog es sich dabei auf einen Fall aus Nordrhein-Westfalen. Seitdem sei es „Lehrerinnen auch in Baden-Württemberg nicht generell verwehrt, ein Kopftuch aus religiösen Gründen im Unterricht zu tragen“, heißt es aus dem baden-württembergischen Kultusministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Schulfrieden nicht gefährdet
Laut Schulgesetz dürfen Lehrkräfte an öffentlichen Schulen keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, „die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören“. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2015 ist demnach ein Kopftuchverbot nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens zulässig.
Daher weisen Schrotenschule, Schulamt und die Stadt Tuttlingen als Schulträgerin die Vorwürfe des Vaters zurück: „Es gibt keine Gefährdung des Schulfriedens“, sagt Rektorin Ute Scharre-Grüninger. Sie ist vielmehr erfreut, dass die Lehrerin den Pflichtbereich an der Schule abdeckt. Schließlich sei die Lehrerversorgung an den Grundschulen in Tuttlingen derzeit nicht üppig, immer wieder fallen Stunden aus.
Für den Vater der Zweitklässlerin, der mit einer türkischstämmigen Frau verheiratet ist, ist das alles indes nicht zufriedenstellend. Die Tochter geht inzwischen auf eine andere Schule.