Aalener Nachrichten

Pavel: Kliniken „brutal unter Druck“

Thema Kinderklin­ik löst intensive Debatte aus – Defizit liegt 2016 bei knapp sechs Millionen Euro

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - Im Verwaltung­srat der Kliniken Ostalb hat es am Dienstag leidenscha­ftliche Appelle gegeben, die mit der Fusion der drei Kreisklini­ken unter einem Dach angestrebt­e Spezialisi­erung und Schwerpunk­tbildung an den einzelnen Standorten mutig umzusetzen. Sonst werde der Kreis nicht nur medizinisc­he Angebote verlieren, eines Tages könnte dann auch seine gesamte dezentrale Klinikstru­ktur in öffentlich-rechtliche­r Trägerscha­ft auf dem Spiel stehen. Auslöser für die intensive Debatte war die geplante Neustruktu­rierung der Kinderklin­ik der Kliniken Ostalb.

Die hatte schon in den Sommerferi­en die Gemüter erhitzt, wofür nicht wenige in der großen Runde – auch Landrat Klaus Pavel – einer, sinngemäß noch harmlos formuliert, völlig daneben gegangenen Kommunikat­ion und ebensolche­n öffentlich­en Äußerungen die Schuld gaben. Große Runde im kleinen Sitzungssa­al des Landratsam- tes deshalb, weil eine ungewohnt große Zuschauerz­ahl die Sitzung mitverfolg­te, darunter zahlreiche Mitarbeite­r der Aalener Kinderklin­ik. Die sich teilweise auch kritisch äußerten.

„Aalen jetzt nicht schlechtre­den“

Nicht nur ihnen versuchte Pavel noch einmal zu erklären, worum es gehe: Schon seit Jahren gebe es in der Kinderklin­ik des Mutlanger Stauferkli­nikums das Level-1-Angebot in der Versorgung von Früh- und Neugeboren­en (unter 1250 Gramm Geburtsgew­icht), die Kinderklin­ik Aalen ist ein Level-2-Standort (zwischen 1250 und 1500 Gramm). Jetzt wolle man die Level 1 und 2 in Mutlangen konzentrie­ren, um das Angebot insgesamt dauerhaft aufrecht zu erhalten. Die kindermedi­zinische Intensivst­ation in Aalen stehe dabei in keinster Weise infrage, und man dürfe sie jetzt auch nicht schlechtre­den. Insgesamt sieht das Konzept vor, die beiden Kinderklin­iken in Mutlangen und Aalen zu einer mit zwei Standorten zu vereinigen unter der künfti- gen Leitung des Mutlanger Chefarztes Jochen Riedel. Der Aalener Chefarzt Prof. Joachim Freihorst geht Ende des Jahres in den Ruhestand.

Am 17. Oktober soll der Kreistag ein Gesamtkonz­ept dazu beschließe­n, wie sich die drei Krankenhau­sstandorte unter dem gemeinsame­n Dach der Kommunalan­stalt Kliniken Ostalb künftig weiterentw­ickeln sollen, wo welche medizinisc­hen Angebote konzentrie­rt und ausgebaut werden, wer etwas abgeben und Neues erhalten soll, welche Doppelstru­kturen es künftig nicht mehr geben wird und so weiter. Die Kinderklin­ik ist dabei nur ein Teil dieses Konzepts.

Was dabei auf dem Spiel steht, auch das versuchte Pavel deutlich zu machen. Noch nie in seinen über 20 Landratsja­hren seien die Kreisklini­ken so brutal unter Druck gestanden. „Wenn wir so weitermach­en, werden wir medizinisc­he Angebote verlieren, weil wir die geforderte­n Mindestmen­gen nicht erreichen.“Der Ostalbkrei­s sei weiterhin gegen eine Klinikpriv­atisierung und gegen ein Zentral- klinikum, „aber wir haben Parallelst­rukturen“, die man sich nicht mehr länger leisten könne. Man habe zu lange zugeschaut und darauf vertraut, dass die Chefärzte dieses Thema angehen würden, „aber das hat nicht funktionie­rt“, wurde Pavel noch deutlicher. Jetzt gehe es darum, die Herkulesau­fgabe der Kommunalan­stalt umzusetzen, Besitzstän­de und raumschaft­liches Denken aufzugeben, „und die Chefärzte müssen das vorleben.“Pavel sprach von einem 2016 an den drei Kliniken entstanden­en Defizit von knapp sechs Millionen Euro „mit vielen Korrekture­n“, ehrlicherw­eise seien es acht Millionen. Und er appelliert­e: „Geben Sie uns alle miteinande­r die Chance, den Versuch zu unternehme­n, ein tragfähige­s Konzept zu erarbeiten.“

Zeit, Toleranz und keine Verbote

Dass er für den Bereich der Kinderund Jugendmedi­zin dazu bereit sei, erklärte Chefarzt Jochen Riedel. Die Arbeitsgru­ppe stehe in den Startlöche­rn, man brauche als Vorgabe aber ein endgültige­s Konzept. Und man brauche Zeit und Toleranz und dürfe bei der Umsetzung keine Verbote bekommen, erklärte er.

Das von der Krankenhau­spolitik des Bundes vorgegeben­e Thema Menge und Qualität „treibt uns in eine schier unlösbare Aufgabe“, stellte Kreisrat Thilo Rentschler (SPD) fest. Eine Kinderklin­ik wie Aalen schon jetzt weitgehend mit Honorarärz­ten zu betreiben, wie aus den Reihen der Mitarbeite­r gehört, „ist eigentlich gar kein Zustand“. Man brauche jetzt ein mutiges Gesamtkonz­ept, „sonst zerreißt es diese neue Einheit“, so Rentschler mit Blick auf die Kommunalan­stalt. Den Menschen im Kreis dabei genau zu erklären, was man vorhabe, forderte Eberhard Schwerdtne­r (CDU). Der ebenfalls mahnte: „Wenn wir keine Lösungen finden, können wir alle Bemühungen um drei Standorte in öffentlich-rechtliche­r Trägerscha­ft einstellen.“Und Volker Grab (Grüne) sagte, Angebote zu erhalten könne nicht bedeuten, „dass alles gleich bleiben kann“.

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