Neue Debatte um „Großalbanien“aufgeflammt
Es mutete wie ein Scherz an, doch die politische Sprengkraft der Aktion war enorm: Vor zwei Jahren steuerten Nationalisten eine Drohne mit einer großalbanischen Flagge durch das Fußballstadion in Belgrad. Die Provokation wiederholte sich kürzlich in einem Stadion der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Die Botschaft dahinter: Europa soll die Albaner nicht vergessen.
Als politischer Zündler am Pulverfass tat sich der albanische Premier Edi Rama mit der Idee hervor, seine Republik und die seit 2008 abgespaltene serbische Albanerprovinz Kosovo könnten ja eine „kleine Union“bilden, sollte „die EU uns die Türe zumachen“. Ramas Vorstoß unterstützte umgehend Kosovo-Präsident Hashim Thaci mit der Bemerkung, Ziel sei „ein einheitlicher Staat für alle Albaner“, fügte aber hinzu, „unter dem Dach der Europäischen Union.“
Auffallend ist, dass beide Politiker das Tabuwort „Großalbanien“meiden. Trotzdem spielen sie mit dem Feuer. „Großalbanien bedeutet einen großen Krieg auf dem Balkan“, warnte der für Kosovo zuständige serbische Staatssekretär Aleksandar Vulin. Denn ohne bewaffnete Konflikte mit der Absicht, neue Grenzen zu ziehen, ist ein einheitlicher Albanerstaat nicht zu haben.
Aus den Balkankriegen Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Republik Albanien als einziges geschlossenes Staatsgebilde hervorgegangen. Etwa die Hälfte der Albaner lebt seither verstreut in mehreren Ländern - außer Albanien in Mazedonien, Serbien, Bulgarien und Montenegro. Aus Nordgriechenland wurden die Albaner bereits nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig vertrieben.
Serbien hat neben dem ungelösten Verhältnis zum Kosovo ein zweites Albanerproblem: An dessen Ostgrenze liegen die überwiegend albanisch besiedelten Gemeinden Presevo, Medvedija und Bujanovac, die Nationalisten als „Ostkosovo“bezeichnen; der Name beinhaltet den Wunsch nach Anschluss und sollte der erste Grundstein Großalbaniens sein.
Jonuz Musliu, Bürgermeister von Bujanovac, ist gedanklich schon auf dem Eroberungsfeldzug: Großalbanien, sagte er, sei undenkbar ohne Nis (zweitgrößte Stadt Serbiens), Skopje (Hauptstadt Mazedoniens), Ulcinj (Albanerhochburg Montenegros) und Epirus (Nordgriechenland). Jedoch wollen die derzeitigen Albanerführer einen Krieg nicht, sie wissen, dass sie im Westen dafür keinerlei Verständnis erwarten können. Es geht vielmehr um ein taktisches Manöver, um die EU unter Druck zu setzen, den nahezu stillstehenden Integrationsprozess zu beschleunigen.
Unterdessen hat der EU-Parlamentarier David McAllister mit einem Kompromissvorschlag versucht, einen Ausweg aus der politischen Krise in Albanien aufzuzeigen. Der Chef des außenpolitischen Ausschusses des EU-Parlaments traf in Tirana den Regierungschef Edi Rama. Danach war ein Gespräch mit Oppositionschef Lulzim Basha vorgesehen. Die Opposition boykottiert das Parlament und will nicht an den laufenden Wahlen teilnehmen. Die Regierung sei in die organisierte Kriminalität verstrickt, wird diese Blockadehaltung begründet. Daher müsse sie einer Allparteien-Regierung Platz machen. Rama lehnt das ab.