Der neue Polo rollt immer näher an den Golf heran
Die sechste Generation des Kleinwagens rüstet bei Assistenzsystemen und beim Platzangebot auf
Klaus Gerhard Wolpert steht der Schweiß auf der Stirn. Dabei könnte der Chef der kleinen VW-Baureihen eigentlich ganz cool bleiben. Denn der Ingenieur ist unterwegs im neuen Polo, der im Sommer präsentiert wird und kurz nach der Internationalen Automobilausstellung im Herbst in den Handel kommt. Und er hat allen Grund zur Gelassenheit: „Wir machen schließlich einen riesigen Sprung nach vorn“, sagt der Projektleiter und räumt insgeheim ein, dass es bald einen Grund weniger gibt, den Golf zu kaufen.
Solide wie ein Großer
Dass es Wolpert trotzdem heiß ist unter dem Hemd, liegt nicht an irgendwelchen Zweifeln, sondern allein an den Temperaturen. Schließlich prügelt er den Polo kurz vor der Markteinführung noch einmal über die einsamen Straßen im Norden Südafrikas, um dem Herausforderer von Corsa & Co den letzten Schliff zu geben. Dabei fühlt sich der Kleinwagen so erwachsen und souverän an wie ein Golf. Nicht nur, weil er noch einmal ein paar Zentimeter zulegt und jetzt so groß ist wie der Golf III. Und auch nicht, weil Wolpert mit vollen Händen aus dem Teileregal der Kompakt- und Mittelklasse schöpft und den Polo deshalb mit jeder Menge Infotainment- und Assistenzsystemen spickt. Sondern vor allem, weil der Polo selbst auf den miesen Pisten irgendwo im Nirgendwo südlich des Äquators ruhig und gelassen federt, sauber und präzise lenkt und rundherum so solide wirkt wie ein deutlich größeres Auto.
Schnatternder Dreizylinder
Nur die Motoren wollen nicht ganz zu diesem Gefühl passen. Denn zu laut und zu eindringlich ist das Schnattern des Dreizylinders, der bei den meisten Modellen zum Einsatz kommt. Und auch das FünfgangSchaltgetriebe verträgt sich nicht so recht mit dem Premiumanspruch, den VW für den Polo reklamiert. Dabei sind die Motoren ansonsten auf der Höhe der Zeit. Denn die beiden 1,6-Liter-Diesel mit 80 und 95 PS werden erstmals im Kleinwagen mit einem SCR-Katalysator kombiniert, und einige der Benziner vom Einstiegsmodell mit 65 PS bis zum GTI mit 200 PS bekommen künftig einen Partikelfilter.
Seine Platzreife in der Golf-Klasse verdankt der Polo vor allem dem Umzug in den modularen Querbaukasten. Auf ihm basieren mittlerweile 28 VW-Modelle und noch einmal ähnlich viele Fahrzeuge der Konzerntöchter – vom Skoda Kodiaq bis zum Seat Ibiza, der den Modellwechsel des Polo in diesen Tagen vorwegnimmt. Die neue Plattform, die mittlerweile über acht Millionen Mal gebaut wurde, drückt das Gewicht, verbessert die Platzverhältnisse und verschafft dem Polo Zugang zu sämtlichen Assistenzsystemen und Ausstattungsoptionen von Golf & Co – selbst wenn Wolpert beispielsweise vom digitalen Cockpit noch die Finger gelassen hat.
Aber der Polo schaut nicht nur nach dem Golf, sondern lernt auch von seinem kleinen Bruder Up. „Da haben wir uns abgeschaut, wie man ein lebenslustiges Auto baut“, sagt Wolpert. Die Karosserie wirkt zwar unter der Tarnfolie trotz der etwas aufwändigeren Leuchten und der knackigeren Proportionen brav und bieder. Aber es kommt mehr Farbe ins Spiel. Neben den neuen, sehr viel größeren Touchscreens mit Klavierlackrahmen, Black-Panel-Optik und Näherungssensor gibt es deshalb auf Wunsch auch bunte Kunststoff-Konsolen für den gewohnt nobel ausgeschlagenen Innenraum.
Dass ein paar Farbkleckse allein es nicht vermögen, aus einem konservativen Klassiker einen bunten Lifestyle-Flitzer zu machen, weiß Wolpert selbstverständlich auch. Deshalb hat er die Familienplanung schon weiter vorangetrieben. Ab dem nächsten Jahr ist der Polo dann auch als SUV erhältlich, der dem Tiguan und dem bis dahin eingeführten Golf-SUV das Leben schwer machen dürfte.
Stabile Preise
Er fährt sich wie ein Golf, bietet die Option auf beinahe die gleiche Ausstattung und ist dank seines größeren Radstands vor allem in der ersten Reihe kaum weniger geräumig. Nur in einem entscheidenden Punkt weist Wolpert für den Polo die Nähe zu seinem großen Bruder zurück. Beim Preis. Den will er zwar noch nicht genau verraten. Doch nennenswerte Sprünge sind nicht geplant. „Wir wollen den Kunden deutlich mehr Auto für annähernd das gleiche Geld bieten“, sagt der Projektleiter. Viel mehr als 12 000 Euro dürfte das Einstiegsmodell daher kaum kosten.